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Nazi-Verbrechen: Holocaust-Leugnung - Bestrafen oder nicht?

Ein früherer Verfassungsrichter hält die Strafbarkeit der Leugnung des Holocausts für falsch. Politiker warnen jedoch davor, das Strafrecht für die Auschwitzlüge zu entschärfen.

Von Frank Jansen

Berlin - Er provoziert im Bundestag Widerspruch, Verständnis ist nur selten zu hören. Dass der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Wolfgang Hoffmann-Riem, die Strafbarkeit der Leugnung des Holocausts für falsch hält, ist aus Sicht von Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach „indiskutabel“. Er befürchte, die Äußerung Hoffmann-Riems sei „Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremisten, auch wenn er das sicherlich nicht beabsichtigt hat“, sagte Bosbach am Donnerstag dem Tagesspiegel. Der Staat müsse die Opfer des Holocaust und ihre Nachkommen vor der „unerträglichen Leugnung des Völkermords schützen“. Der Verzicht auf die Strafbarkeit in anderen Staaten könne für Deutschland angesichts der durch die NS-Zeit belasteten Geschichte kein Maßstab sein.

Hoffmann-Riem hatte am Dienstag bei einer Veranstaltung im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung geäußert, „wäre ich Gesetzgeber, würde ich die Leugnung des Holocaust nicht unter Strafe stellen“. Am nächsten Tag antwortete der Zentralrat der Juden in Deutschland mit harscher Kritik. Hoffmann-Riem habe den Leugnern des Holocaust fahrlässig ein Argument in die Hände gespielt, sagte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan J. Kramer.

Auch die SPD-Abgeordnete Gabriele Fograscher sieht die Gefahr, Rechtsextremisten könnten die Worte Hoffmann-Riems „als Rechtfertigung nutzen“. Fograscher, Sprecherin der „Arbeitsgruppe Rechtsextremismus“ ihrer Fraktion, hält die Strafbarkeit der Leugnung des Holocausts „historisch bedingt weiterhin für notwendig“ – und hofft auf eine „abschreckende Wirkung für Mitläufer der harten rechtsextremen Ideologen“. Die allerdings seien auch mit einem Strafgesetz nicht mehr zu kurieren.

Eher abwägend argumentierte Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). In ihrer Amtszeit (1992 bis 1996) hatte der Bundestag beschlossen, den Paragrafen zur Volksverhetzung um den Tatbestand der Leugnung des vom NS-Regime verübten Völkermords zu erweitern. „Das war eine Gratwanderung“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger jetzt dem Tagesspiegel. Sie habe sich mit der Einschränkung der Meinungsfreiheit schwer getan. Es sei zu begrüßen, dass die Beschneidung der freien Meinung hinterfragt werde. Doch es bleibe nötig, Neonazis deutlich zu machen, dass die Verunglimpfung der Opfer des Holocaust eine Strafe nach sich zieht. Leutheusser-Schnarrenberger betonte wie der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland, es sei das gute Recht des ehemaligen Verfassungsrichters, sich negativ zur Strafbarkeit der Holocaust-Leugnung zu äußern. Wieland hält allerdings auch die Meinung Hoffmann-Riems „für falsch“. Er sei froh, sagte Wieland, dass der Staat versuche, Auschwitzüberlebende davor zu schützen, sich die Holocaust-Lüge anhören zu müssen. Nach Meinung von Gregor Gysi, Chef der Linksfraktion und Anwalt, sollte die Leugnung auch künftig unter Strafe stehen. Denn die Täter wollten eine Wiederholung der Naziherrschaft mit der Parole erleichtern, es habe damals keine Verbrechen gegeben.

Das Bundesjustizministerium äußerte sich nur knapp: Es gebe keine Anlass, eine Debatte über die Abschaffung der Strafbarkeit der Holocaust-Leugnung zu eröffnen, sagte ein Sprecher.

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