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Politik: Neben Kohl und Gorbatschow ist nun auch George Bush "ein sehr glücklicher Ehrenbürger Berlins"

Einige hundert Zaungäste vor dem Berliner Rathaus, innen eine Art Klassentreffen der Weltpolitik. George Bush ist nach Ronald Reagan der zweite amerikanische Präsident, der die Berliner Ehrenbürgerwürde erhält.

Einige hundert Zaungäste vor dem Berliner Rathaus, innen eine Art Klassentreffen der Weltpolitik. George Bush ist nach Ronald Reagan der zweite amerikanische Präsident, der die Berliner Ehrenbürgerwürde erhält. An einen dritten, der sie gewiss auch bekommen hätte, erinnerte er unterschwellig, als er mit einem Schuß Spannung in der Stimme am Ende seiner Dankesrede sagte: "Nun kann ich ganz ehrlich mit Stolz und Dankbarkeit sagen: Ich bin ein sehr glücklicher Ehrenbürger Berlins." Nein, er hat die Worte seines berühmten Amtsvorgängers nicht geklaut, obwohl John F. Kennedy wie auch Ronald Reagan und andere in seiner Rede immer wieder vorkamen. Egal, welcher Partei sie angehörten, alle amerikanischen Präsidenten haben sich stets für die Freiheit Berlins eingesetzt.

Natürlich hat in jenen turbulenten Tagen vor zehn Jahren niemand darüber nachgedacht, was ein amerikanischer Präsident jetzt alles falsch machen könnte. Man war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, mit diesen unglaublichen Veränderungen, die niemand mehr zu seinen Lebzeiten erwartet hätte. Es hätte ja durchaus nahe gelegen nach all den Jahren des Kalten Krieges in Siegerpose zum Fototermin vor dem Brandenburger Tor zu erscheinen. Schließlich hatte Bush erst im Mai 1989 bei einer Rede in Mainz, in der es um die Lockerung der Barrieren im Eisernen Vorhang in Ungarn ging, selber gerufen "Let Berlin be next." Ein solcher Auftritt hätte aber alles zerstören können. Er verzichtete und half stattdessen, "die aus den bitteren Erfahrungen unserer Geschichte kommenden Vorbehalte einiger unserer westlichen Verbündeten gegen die Wiedervereinigung aus dem Weg zu räumen". So formulierte es Helmut Kohl in seiner Laudatio, und sein warmer, familiärer Ton machte mehr als ausgesprochene Worte klar, wieso manche Dinge klappen und andere nicht. Es hängt auch in der Weltpolitik vieles von der Chemie zwischen einzelnen Menschen ab. Besonders herzlich grüßte er Frau Barbara Bush und erinnerte an die kürzlich verstorbene Raissa, Ehefrau von Michael Gorbatschow, der mit seiner Tochter Irina und Enkelin Anastasia gekommen war. Beide ehemaligen Staatsschefs, sowohl Bush wie auch Gorbatschow, redete er in seiner Laudatio mit "Du" an. In den Redemanuskripten stand überall "Sie". Auch Bushs Dankesrede ließ keinen Zweifel daran, dass letztlich großer gegenseitiger Respekt und Sympathie mit beigetragen haben, die Teilung Europas zu überwinden. Aus Anlass des zehnjährigen Jubiläums des Mauerfalls haben der neue Ehrenbürger und sein Laudator die Bush-Kohl-Fellowship ins Leben gerufen, die jungen Berufstätigen Austauschprogramme anbietet.

Hinter dem Rednerpult war ein großes Bild vom Brandenburger Tor am Morgen nach dem Mauerfall aufgestellt. Mit roten Fahnen im Hintergrund und tanzenden Menschen auf der Mauer. Die Fernsehbilder sollten vor allem für die amerikanischen Zuschauer den Eindruck erzeugen, die Zeremonie finde direkt vor dem Tor statt, das dort einfach den höchsten Wiedererkennungswert hat für jene euphorischen Tage, die gerade die Amerikaner damals so intensiv mitempfunden haben.

Es war ja auch ihr Triumph. Kohl erinnerte an die vielen Initiativen, die letztlich zu einem glücklichen Ende geführt haben, an die Schulspeisungen nach dem Krieg, an Marshall-Plan und Luftbrücke. Was damals als unerreichbare Vision galt, habe sich auch mit George Bushs Unterstützung in einem "Triumph der Freiheit" erfüllt. "Ohne die Amerikaner", sagte der Regierende Bürgermeister Diepgen, den Bush in seiner Rede als guten alten Freund bezeichnete, "hätte es die deutsche Einheit nicht gegeben." Er lobte aber auch die Verdienste Kohls und Gorbatschows, dem der friedliche Übergang "ohne Blut und Tränenvergießen" zu danken sei. Beide sind schon Ehrenbürger der Stadt, wie auch die dort ebenfalls anwesenden Richard von Weizsäcker, Hans-Dietrich Genscher und Edzard Reuter. "Mit seiner klugen Politik hat es George Bush verstanden, Hindernisse im Rahmen des Einigungsprozesses zu überwinden und weltweit das Vertrauen zu stärken, dass das geeinte Deutschland ein weltoffenes, stabiles und friedliebendes Mitglied der Völkerfamilie sein werde. Besonders Berlin, die Stadt, die die Jahrzehnte der Teilung am schmerzlichsten erfahren hat, gewann durch sein Wirken neue Perspektiven."

Bush erinnerte an den "intensiven Kampf für die Freiheit", den die Bevölkerung Berlins durchgemacht hat, an die Rolle der Stadt auch als ein Leuchtturm der Hoffnung für alle, die unterdrückt waren. Für ihn sei es auch ein sehr gefühlvoller Moment mit jenen Kollegen wieder zusammenzutreffen.

Immer wieder gab es stehende Ovationen bei der Feier im Großen Saal des Berliner Rathauses, der mit orangefarbenen Gerbera dezent geschmückt war. Am Ende der Zeremonie, an der Lothar de Maizière, Walter Momper, Senatoren, aber auch Honoratioren wie Roland Hetzer, Hartwig Piepenbrock und Peter Dussmann teilnahmen, schlug beim Empfang im Wappensaal die Stunde der Autogrammjäger, die den neuen Ehrenbürger dicht umringten, während Kohl fürsorglich Frau Barbara Bush aus dem Saal führte. Der Mauer-Jubiläums-Marathon ging weiter, da blieb kaum Zeit, auf erfüllte Missionen anzustoßen. Auch von ihren BVG-Ehrenkarten konnten die anwesenden Ehrenbürger angesichts der Terminfülle erstmal keinen Gebrauch machen.

Die Probleme, die der Fall der Mauer sonst noch so mit sich gebracht hat, schrumpften vorübergehend zusammen und verschwanden während der Zeremonie, an der auch US-Botschafter John Kornblum teilnahm, für eine Weile. Vielleicht rückt ja die Erinnerung an die Größe dessen, was damals geschah, manches wieder ins rechte Licht. Übersichtsseite zum 10. Jahrestag des Mauerfalls

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