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Schlechte Nachrichten. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz von Heiko Maas soll geltendes Recht im Netz durchsetzen – ohne Juristen nicht so einfach.

© Florian Gärtner/imago/photothek

NetzDG: Hass abschalten ist komplizierter als gedacht

Der Widerstand gegen Heiko Maas’ Anti-Hetz-Gesetz mehrt sich. Vorbeugendes Löschen verstärkt den Eindruck, hier würde Zensur geübt.

Kein Gesetz aus der vergangenen Legislaturperiode steht aktuell so im Streit wie das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ (NetzDG), das seit Jahresbeginn Hass und Hetze im Internet zurückdrängen soll. FDP und AfD wettern gegen vermeintliche Zensur auf Plattformen wie Facebook und Twitter. Der Präsident des Deutschen Journalisten-Verbands Frank Überall spricht von einer „Gaga-Vorschrift“. Aus der Deutschen Unesco-Kommission wurde am Dienstag die Forderung nach einem neuen Anlauf laut: Eine neue Regierung solle sich vornehmen, Alternativen zu entwickeln, sagte Wolfgang Schulz, Vorsitzender des Fachausschusses Kommunikation und Information, dem Evangelischen Pressedienst.

Die Sperrung von Accounts oder die fragwürdige Löschung von Einträgen wie dem eines satirischen Magazins zur AfD- Politikerin Beatrix von Storch runden das Bild ab, das Kritiker des Projekts schon länger zeichnen: Das Gesetz müsse wieder gestrichen werden, es gefährde die Meinungsfreiheit.

Brustwarzen sind einfach zu erkennen - Rechtsverletzungen nicht

Wie und auf welcher Grundlage die Plattformen in die Texte und Darstellungen ihrer Nutzer eingreifen, ist unterschiedlich. Jeder Anbieter hat hier seine eigenen Regeln. „Gemeinschaftsstandards“ heißen sie etwa bei Facebook. Danach werden etwa Abbildungen nackter Pobacken oder von Brüsten samt Warzen beschränkt. Einige Zielgruppen der „globalen Gemeinschaft“ könnten sonst empfindlich reagieren, heißt es. Hassbotschaften, die sich beispielsweise gegen Religionen oder Rassen richten, können ebenfalls entfernt werden. Weil bei Brustwarzen das Löschen klappte, Hass und Hetze aber allzu oft im Netz verblieben, rang sich der Gesetzgeber auf Initiative von Justizminister Heiko Maas (SPD) trotz vielfacher Kritik dazu durch, das Thema zu regulieren. Das Ergebnis ist das NetzDG. An den eher moralisch begründeten Standards, welche die Internetunternehmen verwenden, konnte sich der Gesetzgeber aber nicht orientieren. Stattdessen verstärkt das NetzDG die ohnehin bereits bestehende Pflicht, rechtswidrige Inhalte von den Seiten zu entfernen. „Offensichtlich“ rechtswidrige Inhalte müssen jetzt sogar binnen 24 Stunden nach ihrer Meldung gelöscht sein. Für andere Fälle gelten längere Fristen. Kommen die Unternehmen dem nicht nach, drohen Bußgelder.

Es braucht Personal und Zeit. Das kostet Geld.

Damit soll Druck aufgebaut werden, ein effektives Melde- und Löschsystem zu schaffen. Zugleich müssen Facebook und Co einen Bevollmächtigten benennen, an den sich die Justiz oder Kläger wenden können, um straf- oder zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen. Das NetzDG sollte also keine neuen Ansprüche schaffen, sondern dabei helfen, bestehende geltend machen zu können und rechtswidrige Zustände im „Massengeschäft“ der Netzwerke auch ohne Zutun der Justiz zu beseitigen. Daher auch der komplizierte Name.

Die Praxis scheint nun zu belegen, was den Beteiligten klar gewesen sein muss: Ob im Einzelfall eine Äußerung rechtswidrig sein soll, ist weit schwieriger zu bestimmen, als per Algorithmus Brustwarzen auszusortieren. Dafür braucht es gutes Personal und Zeit. Beides kostet ein Unternehmen Geld, weshalb es nun offenbar eine Tendenz zum „Overblocking“ gibt: Im Zweifel wird gelöscht.

In ihrer Kritik sind Linke und Grüne moderater, alles in allem aber bildet sich eine große Opposition, die eine künftige Koalition nicht außer Acht lassen kann. Ohnehin soll im Sommer ein Zwischenfazit gezogen werden. Wer sein Recht auf Meinungsfreiheit dennoch klageweise durchsetzen will, wird vom NetzDG daran nicht gehindert.

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