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Viele Griechen finden die Sparmaßnahmen der EU-Troika zu hart.

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Neue Finanzhilfen: Die Zeit für Griechenland läuft ab

Für neue Hilfen muss Athen handeln. Wie geht es für die Griechen weiter? Kann das Land die Sparmaßnahmen überhaupt verkraften und sollte es nicht auch Entlastung für die gebeutelten Griechen geben?

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Gut fünf Stunden hat der Sonder-Finanzministerrat der Euro-Länder am Donnerstagabend über Griechenland beraten – das Ergebnis ist ernüchternd: Kein Ja zum zweiten Hilfspaket, stattdessen eine – alle hoffen: letzte – Galgenfrist. Bis Mittwoch müssen Regierung, Parteien und Parlament in Athen sich verbindlich auf das festlegen, was sie in Brüssel versprochen haben. Überdies sind noch viele Fragen an das Sparpaket selbst offen. Dann erst wollen die Euro-Finanzchefs den Deal billigen. Noch einmal zwei Wochen später will der Bundestag dem Ganzen seinen Segen geben.

Warum halten die Euro-Staaten das zweite Hilfspaket zurück?

Die Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Euro-Zentralbank (EZB) hatte der griechischen Regierung konkrete Spar- und Reformziele vorgegeben. In letzter Minute meldete der griechische Regierungschef Lucas Papademos am Donnerstag Vollzug: Seine Koalition habe sich geeinigt. Doch mehr als eine Teil-Einigung war das nicht. Der EU-Gipfel im Oktober hatte eine Gesamtverschuldung des Landes von 120 Prozent des Bruttosozialprodukts als Zielmarke für das Jahr 2020 definiert; das jüngste Sparpaket, berichtete Finanzminister Wolfgang Schäuble der Unionsfraktion, käme nur auf 128 Prozent. Man erwarte also weitere Vorschläge.
Vor allem aber erwarten die übrigen Euro-Staaten bis nächste Woche von den Griechen Taten zu den Worten. Dazu gehört ein Beschluss des Parlaments über das neue Sparpaket; dazu zählen Zusicherungen aller drei Koalitionsparteien, dass sie sich nach der Wahl im April an die Absprachen halten. Doch am Freitag ging der Chef der kleinen Koalitionspartei Laos auf Gegenkurs. „Man hat uns gedemütigt“, tönte Giorgos Karatzaferis. Der Ultrarechte will in der Regierung bleiben, aber im Parlament nicht zustimmen.

Da die übrigen Europäer solche Erfahrungen mit Athener Regierungskunst nicht zum ersten Mal machen, stößt der deutsch-französische Vorschlag eines Sonderkontos für den Schuldendienst in Brüssel auf Verständnis. Die EU-Kommission prüft die Idee nach Angaben von Währungskommissar Olli Rehn „ernsthaft“ und will bis Mittwoch auch weitere Vorschläge zur Überwachung des griechischen Finanzgebarens machen. Die Schuldner Griechenlands sollen sicher sein, dass sie ihr Geld bekommen.

Ist für Griechenland außer Sparen denn auch Entlastung in Sicht?

Ja, auf zwei Gebieten. Zum einen ist der Schuldenschnitt mit den Privatgläubigern wohl unter Dach und Fach. Die Banken werden ihre griechischen Schuldscheine gegen neue eintauschen, die nur die Hälfte wert sind. Da sie zugleich auf Zinsen verzichten, spricht der Bankenverband von einem realen Schuldenschnitt um 70 Prozent. Die griechische Schuldenlast sinkt so um rund 100 Milliarden Euro; die Euro-Staaten sichern dafür die neuen Papiere mit 30 Milliarden Euro teilweise ab. Die Umtauschaktion soll am 17. Februar anlaufen. Die EZB sichert sie zusätzlich ab, wofür ihr der Rettungsfonds EFSF für vier Wochen 35 Milliarden Euro zur Verfügung stellen soll.

Überdies winkt den Griechen ein zweites Hilfspaket von mindestens 100 Milliarden Euro. Ob die Summe reicht, darauf festzulegen weigern sich alle Verantwortlichen. EZB-Chef Mario Draghi hat inzwischen angedeutet, dass die Notenbank vielleicht aushelfen könnte. Die EZB hatte 2010 griechische Anleihen mit einem Nennwert von 55 Milliarden Euro gekauft – zum Marktpreis von 40 Milliarden Euro. Wie die Differenz Athen zugutekommen könne, ließ Draghi offen.

Wie reagieren die Deutschen auf die Beschlüsse aus Griechenland?

Marlene Mortler ist Fachfrau für Touristik und als Euro-Skeptikerin bisher nicht aufgefallen. Doch als sich die Unionsfraktion am Freitag in einer Sondersitzung mit dem Dauerthema Griechenland befasst, platzt der CSU-Abgeordneten der Kragen. Vor kurzem hat sich der Tourismusausschuss des Bundestages mit griechischen Kollegen getroffen. Mortlers Fazit aus der Runde ist finster: Die Griechen seien immer noch nicht bereit, etwas im Land zu ändern. Da könne die Regierung viel versprechen: „In der Praxis wird das Ganze nicht funktionieren.“

Spätestens nach dieser Wortmeldung war Angela Merkel und Wolfgang Schäuble klar, dass reine Durchhalteparolen nicht reichen. Ihre Skepsis, bescheinigte der Finanzminister der Abgeordneten, verstehe er nur zu gut: „Das geht doch jedem so.“ Merkel warnte, ohne das Tabu-Wort selbst in den Mund zu nehmen, in düsteren Farben vor einer Staatspleite. Es gebe da „eine Variante, die ein hohes Maß an Unsicherheit“ bedeute. „Man kann leicht in eine Situation kommen, die wir nicht mehr beherrschen können“, warnte die Kanzlerin. „Dann haben wir ein Haftungsrisiko an den Hacken, das wir nicht mehr beherrschen können.“ Der Weg der Hilfspakete sei der „des geringsten Schadens“. Doch das Misstrauen in die da in Athen bleibt groß. „Die Griechen müssen Gesetze machen, sonst macht die Fraktion nicht mit“, fasst der CSU-Mittelständler Hans Michelbach knapp zusammen. Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht Athen in einer „Bringschuld“.

Am 27. Februar soll nun der Bundestag in einer Sondersitzung das zweite Hilfspaket und die Garantien für die Umschuldung beschließen. Der Termin ist praktisch der letzte mögliche Zeitpunkt, was den ohnehin enormen Druck für die Abgeordneten noch mal verstärken dürfte.

Kann Griechenland die Sparmaßnahmen verkraften?

Das Sparpaket ist so hart, dass bereits am Freitag zu einem Generalstreik dagegen aufgerufen wurde – gewalttätige Ausschreitungen inklusive. Im öffentlichen Dienst werden die Gehälter weiter gekürzt, 15.000 Bedienstete entlassen. Der Mindestlohn in der Privatwirtschaft soll auf 585 Euro abgesenkt werden – auch weil er mit gerade 750 Euro im Monat trotzdem höher liegt als in anderen Euro-Staaten, die Griechenland Kredit geben. Der Österreicher Hannes Swoboda, Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, spricht von einem „Verrat am europäischen Sozialmodell“. Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold rügt, dass man „den Konflikt nicht bei der viel entscheidenderen Reform des griechischen Staatswesens sucht“.

Im Gegensatz zu den sehr konkreten Einschnitten bleiben die Maßnahmen, um wieder Wachstum nach Griechenland zu bringen, tatsächlich sehr vage. EU-Währungskommissar Olli Rehn erneuerte nach der Ministersitzung am Donnerstagabend das Angebot, mehr technische Hilfe bereitzustellen. Eine sogenannte Taskforce unter Leitung des Deutschen Horst Reichenbacher ermittelt derzeit in Griechenland jene Bereiche, in denen es mehr an Know-how denn am Geld fehlt: Mit europäischen Experten an ihrer Seite sollen die Finanzämter besser Steuern eintreiben und die Regionalverwaltungen möglichst alle ihnen zustehenden EU-Strukturmittel abrufen können. Aber auch die jüngst vom EU-Gipfel besprochene Umleitung solcher Gelder Richtung Griechenland, ist noch Zukunftsmusik.

Nach vier Rezessionsjahren in Folge lässt der Glaube daran, dass die Rettungsrezepte aus Brüssel und Berlin nur nicht gut genug umgesetzt wurden, nach.

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