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Alles auf Anfang. Erst wird im griechischen Parlament eine Übergangsregierung tagen, in wenigen Monaten dann schließlich eine völlig neue.

© dpa

Eilen in Athen: Neue griechische Regierung steht

Griechenlands scheidender Ministerpräsident Giorgos Papandreou und Oppositionsführer Antonis Samaras haben sich offenbar auf eine neue Koalitionsregierung geeinigt. Wie handlungsfähig sie sein wird, bleibt offen.

Griechenland ist erleichtert. „Endlich!“, schrieb die Athener Zeitung „Ta Nea“ am Montag auf ihrer Titelseite. „Der erste große Schritt zur Rettung des Landes ist getan.“ Die Zeitung meldete das, nachdem sich der scheidende sozialistische Ministerpräsident Giorgos Papandreou und der konservative Oppositionsführer Antonis Samaras nach langem Tauziehen am Sonntagabend und unter Vermittlung von Staatspräsident Karolos Papoulias auf die Bildung einer großen Koalition verständigt hatten. Eine „historische Einigung“, schrieb die Wirtschaftszeitung „Imerisia“. Sie werde zu einer „Regierung der Rettung“ führen.

Auch viele Griechen atmen erst einmal auf: „Das war ein fälliger Schritt“, sagte der Rentner Evangelos Kaissaris, der Montagmorgen in einem Straßencafé im Athener Vorort Vouliagmeni in der milden Herbstsonne saß und die Zeitungen studierte. Die Hoffnung, dass die neue Regierung seine um fast 20 Prozent gekürzte Pension wieder erhöht, hat der 72-Jährige zwar nicht, „denn die Krise löst sich ja nicht in Wohlgefallen auf“, sagt er. „Vielleicht wird die Sparpolitik aber etwas gerechter, wenn beide Parteien nun an einem Strick ziehen.“ Andere hingegen sind noch immer skeptisch: „Was soll sich denn ändern?“, fragt Emmanuel Botsaris, der in dem Café als Kellner arbeitet. „Unser Land ist pleite – daran kann auch Herr Papademos nichts ändern.“

Geführt werden könnte die Übergangsregierung von Lucas Papademos. Der Harvard-Professor und frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank war noch auf dem Flug von Boston nach Athen, als an der Akropolis Unterhändler der beiden großen Parteien in stundenlangen Sitzungen Einzelheiten aushandelten. Es sollte schnell gehen mit der Regierungsbildung. Darauf drang vor allem Finanzminister Evangelos Venizelos, der am Montagabend beim Treffen der Euro-Gruppe in Brüssel seinen Amtskollegen bereits möglichst beruhigende und ermutigende Nachrichten überbringen wollte.

Die neue Regierung soll als Erstes den Weg zur Freigabe der dringend benötigten Hilfskredite ebnen. Die EU hatte die Überweisung der bereits bewilligten Gelder vergangene Woche gestoppt, als Giorgos Papandreou mit seiner Ankündigung einer Volksabstimmung die Finanzmärkte in Hysterie versetzte und seine Partner verunsicherte. Die damit ausgelöste politische Krise führte letztlich zum Verzicht Papandreous auf das Amt des Regierungschefs, das er nur noch so lange ausüben will, bis der Nachfolger vereidigt wird.

Lesen Sie auf Seite 2, wie der bevorstehende Regierungswechsel über die Bühne gehen soll.

Parallel zu den Verhandlungen der Parteifunktionäre beriet Papandreou in mehreren Telefonaten mit Oppositionsführer Samaras über die Zusammensetzung der neuen Regierung. Vor der Ankunft von Papademos, der am späten Nachmittag in Athen eintraf, sollte es keine Entscheidungen geben. Erst am Dienstag sollte das neue Personal bekannt gegeben werden. Auch Panagiotis Roumeliotis, Griechenlands Vertreter beim Internationalen Währungsfonds (IWF), gilt als aussichtsreicher Kandidat.

Papandreou telefonierte auch mit Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker, anderen EU-Spitzenpolitikern und Kanzlerin Angela Merkel, um sie über den bevorstehenden Regierungswechsel in Athen zu informieren.

In dem Telefonat habe Angela Merkel ihren Respekt vor Papandreous Amtsverzicht bekundet, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Merkel habe große Achtung vor der Leistung Papandreous, der mit Mut und Durchsetzungskraft sein Land auf den richtigen Weg gebracht habe, sagte Seibert. Nun müsse die Übergangsregierung für die komplette Umsetzung aller Beschlüsse des Brüsseler Gipfels von Ende Oktober sorgen. Erst wenn dies geschehen sei, dürfe es Neuwahlen in Griechenland geben.

Die neue Regierung kann sich auf eine breite Mehrheit von 238 der 300 Sitze im Athener Parlament stützen. Das ist eine gute Voraussetzung für die parlamentarische Verabschiedung des neuen Rettungspakets, von dessen Ratifizierung wiederum die Auszahlung der Hilfsgelder abhängt. Die künftige Regierung muss allerdings auch die Umsetzung des Pakets auf den Weg bringen. Das bedeutet neue Einschnitte. Überdies erwarten die Geldgeber nun, dass es endlich mit den Strukturreformen vorangeht, die letzthin immer mehr vernachlässigt wurden.

Wie handlungsfähig die neue Regierung sein wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Denn ihr Mandat ist zeitlich sehr eng begrenzt. Schon am 19. Februar sollen Neuwahlen stattfinden. Das bedeutet: Die Koalitionspartner sind zugleich auch Rivalen. Ob sie bereit sind, unpopuläre Sparmaßnahmen mitzutragen, bleibt abzuwarten.

Die Aussicht auf weitere Einschnitte begeistert viele Griechen gar nicht. Was von der neuen Koalition zu erwarten ist, teilte die linksgerichtete Zeitung „Avghi“ ihren Lesern mit der Schlagzeile „Regierung Merkel-Sarkozy“ mit. Das kommunistische Zentralorgan „Rizospastis“ (Radikalist) rief für den Donnerstag zu Massenprotesten „gegen die volksfeindliche Politik“ auf und stimmte seine Leser mit einer Beilage zur russischen Oktoberrevolution auf das Kommende ein.

Giorgos Papandreou hatte den Weg seines Landes immer wieder mit einer Odyssee verglichen. Er glaubte an ein glückliches Ende der Irrfahrt. Gescheitert ist er letztlich an mächtigen Klientelinteressen, an den reformfeindlichen griechischen Gewerkschaften – und an der eigenen Partei, die immer mutloser wurde. (mit dapd)

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