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Sechs Millionen Straftaten wurden im vergangenen Jahr in Deutschland registriert.

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Neue Polizeistatistik: Wie gefährlich ist Deutschland?

In der Summe werden in Deutschland seit Jahren etwa gleich viele Straftaten verübt. Doch bei einzelnen Verbrechensarten gibt es große Schwankungen. Besonders Wohnungseinbrüche und Cyberkriminalität nehmen zu.

Was sind die häufigsten Verbrechen?

Insgesamt wurden 2012 in Deutschland etwas weniger als sechs Millionen Straftaten registriert. Mit einem Plus von nur 0,1 Prozent bleibt die Zahl wie schon im Vorjahr damit relativ konstant. Auch die sogenannte Häufigkeitszahl, die Straftaten pro 100 000 Einwohner angibt und ein Indikator für die durch Kriminalität verursachte Gefährdung in Deutschland sein soll, blieb mit 7327 nahezu gleich (2011: 7328).
Das größte Problem der Polizei sind der Statistik zufolge Diebstähle. Mit 2,3 Millionen Fällen pro Jahr machen sie den größten Anteil aller Straftaten aus, auch wenn es im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang von etwa einem Prozent gab. Sorgen macht den Ermittlern aber, dass im vergangenen Jahr fast 150 000 Mal in Wohnungen eingebrochen wurde. 8,7 Prozent häufiger als im Vorjahr. Ein Großteil der Täter wurde dabei nicht gefasst: Lediglich 15,7 Prozent der Einbrüche konnten von der Polizei aufgeklärt werden. Das liegt weit unterhalb der Gesamtaufklärungsquote aller Straftaten von 54,4 Prozent. Auffällig ist allerdings, dass rund 40 Prozent der insgesamt etwa 20 000 versuchten Einbrüche nicht erfolgreich waren, also durch Sicherheitsmaßnahmen oder aufmerksame Nachbarn vereitelt wurden. Die Versicherungswirtschaft kosteten die Einbrüche laut Minister Pistorius rund 600 Millionen Euro.

Positive Neuigkeiten gibt es im Bereich Jugendkriminalität: Sie sinkt. Rund 21 000 Jugendliche wurden 2012 der gefährlichen oder schweren Körperverletzung verdächtigt. 16,5 Prozent weniger als im Vorjahr. Allerdings bleibt sie trotzdem auf einem hohen Niveau. Bundesinnenminister Friedrich betonte, es werde noch mehrere Jahre dauern, bis das Ausmaß der Jugendkriminalität wieder auf dem Niveau der 90er Jahre angelangt sei. Helfen könnte – zumindest statistisch – dabei der demografische Wandel. Da es immer weniger Junge Menschen gibt, tauchen sie in der Statistik weniger auf.

Auffällig ist auch das wachsende Problem der Cyberkriminalität. Die Polizei fasst darunter im weitesten Sinne Straftaten zusammen, die mit Computern beziehungsweise Software begangen wurden. Mit rund 64 000 Fällen wurden Unternehmen und Privatpersonen zu 7,5 Prozent häufiger Opfer eines Hackerangriffs als im Vorjahr. Das gesamte Ausmaß geht aus der Statistik nicht einmal hervor, da nur die Straftaten erfasst werden, die auch von Deutschland aus verübt wurden. „Cyberkriminalität ist ein flexibler und anonymer Deliktbereich“, sagte Friedrich. Die Sicherheitsbehörden müssten darauf reagieren. Erst gestern hatte sich in Bonn ein Expertenrat konstituiert, der Cyberkriminalität im Blick halten und betroffenen Unternehmen beraten und die Entwicklung von Abwehrsoftware veranlassen soll.

Was sagt die Statistik über die Täter?

Die polizeiliche Kriminalstatistik erfasst nur von der Polizei registrierte Straftaten, das sogenannte Hellfeld. Die Dunkelziffer ist von Delikt zu Delikt dabei unterschiedlich hoch. Oft wissen Opfer von Cyberkriminalität beispielsweise gar nicht, dass ihre Daten gestohlen wurden und können dies nicht anzeigen. Nicht berücksichtigt werden außerdem politisch motivierte Taten und Verkehrsdelikte. Zudem wird in der Statistik nicht aufgeführt, ob Tatverdächtige verurteilt oder freigesprochen wurden.

Etwa 70 Prozent aller Tatverdächtigen waren Deutsche. Bekannt ist zudem, dass etwa dreiviertel aller Straftaten von Männern verübt werden. Insgesamt wurden 2,1 Millionen mutmaßliche Täter gefasst. Davon waren allerdings etwa 75 000 strafunmündige Kinder unter 14 Jahren. Mit fast einem Viertel der Verdächtigen hat die Polizei jährlich gleich mehrfach zu tun: Knapp 9000 Kriminelle wurden im letzten Jahr mehr als 20 Mal bei einer Straftat erwischt.

Wo ist die Kriminalität in Deutschland besonders hoch?

Sechs Millionen Straftaten wurden im vergangenen Jahr in Deutschland registriert.
Sechs Millionen Straftaten wurden im vergangenen Jahr in Deutschland registriert.

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Die vermeintlich höchste Kriminalitätsrate hat laut Statistik – wie auch im Vorjahr – Frankfurt am Main. Auf 100 000 Einwohner kamen dort 16 310 Straftaten. Die Stadt Frankfurt weist dies aber als rufschädigend zurück. Tatsächlich ist die Zahl nur bedingt aussagekräftig. Da Frankfurt über den größten deutschen Flughafen verfügt, werden sämtliche Straftaten, die dort von Reisenden begangen werden, wie etwa Schmuggel, der Stadt zugerechnet. Es gilt das Tatort- und nicht das Herkunftsprinzip. Am sichersten ist es laut Statistik in München. Dort werden pro 100 000 Einwohner nur 7 153 Verbrechen verübt. Berlin, das ein ähnlich hohes Besucheraufkommen hat wie Frankfurt hat, verzeichnet bundesweit die vierthöchste Kriminalitätsrate.

Wie ist die Lage in der Hauptstadt?

Einen richtigen Grund zur Freude hat Berlin nicht. Laut der Berliner Kriminalitätsstatistik ist die Zahl der Straftaten (495 297) im Jahr 2012 zwar nur leicht gestiegen, doch in einzelnen Bereichen, wie den Wohnungseinbrüchen, gibt es einen starken Anstieg (plus 12 Prozent) oder Mord und Totschlag (plus 16 Prozent), der besorgniserregend ist. Zudem ist die Aufklärungsquote in Berlin mit nur 44,7 Prozent auf den niedrigsten Wert seit 1997 gesunken. Nach der Veröffentlichung der Zahlen für Berlin vor einigen Wochen hatte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) diese als „wahr gewordenen Alptraum“ bezeichnet.

Und auch die jüngste „Kiezstatistik“ zeigt dies. Laut einer kleinen Anfrage des CDU-Abgeordneten Peter Trapp im Berliner Abgeordnetenhaus hat die Berliner Polizei im vergangenen Jahr mehr als 488 000 Anzeigen aufgenommen.Das Ergebnis ist wenig überraschend: Im Zentrum Berlins werden mehr Straftaten angezeigt als am Stadtrand.

Die Gründe: Dort, wo mehr Leute wohnen und es mehr Touristen sowie Geschäfte, Kneipen und Bars gibt, passieren auch mehr Straftaten. Dass die Anzahl der Anzeigen in den einzelnen Bezirken im Vergleich zu 2011 um rund 8 600 zurück gegangen ist, führen Beamte auf das Präventionskonzept der Berliner Polizei zurück, das langsam greife.

Was tut die Politik?

Während der Bund der Kriminalbeamten (BdK) Personalmangel für die gestiegene Zahl der Wohnungseinbrüche und die geringe Aufklärungsquote verantwortlich macht, will Boris Pistorius, Vorsitzender der Innenministerkonferenz, eher darauf setzen, die Qualität der Tatortsicherung zu erhöhen. Derzeit befasse sich eine Arbeitsgruppe damit. Zudem forderte Pistorius gesetzliche Vorschriften zum Schutz vor Wohnungseinbrüchen bei Neubauten einzuführen. Die Bauministerien der Länder müssten einen entsprechenden Gesetzentwurf nun diskutieren. Er könne etwa bessere Schlösser an Wohnungstüren, abschließbare Fenster oder Balkontüren, die sich nicht aufhebeln lassen, vorsehen. Neben den hohen Sachkosten verursachten Einbruchsdiebstähle oft schwerwiegende Folgen für die Betroffenen, sagte Bundesinnenminister Friedrich. Sie empfänden die Einbrüche oft als Eingriff in ihre Intimsphäre und bekämen Angstzustände.

Friedrich nutzte die Vorstellung der Kriminalstatistik, um erneut für mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum zu werben. Derzeit stehe er in Verhandlungen mit der Deutschen Bahn, die an ihren Bahnhöfen die Videoüberwachung ausbauen solle. Den Innenministern der Länder empfahl er, ebenfalls gesetzliche Regelungen zu schaffen, die mehr Überwachung ermöglichten. Friedrich verteidigte außerdem die umstrittene „Anti-Terror-Datei“, die einen besseren Austausch zwischen den Strafverfolgungsbehörden ermöglichen soll. Im April hatte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz gebilligt, allerdings Änderungen bis 2015 angemahnt. Etwa, dass das bloße Befürworten von Gewalt nicht ausreiche, um die Daten eines Menschen in dieser Sammlung zu speichern.

Friedrich kündigte außerdem an, nötigenfalls die Strafen für Angriffe auf Polizisten verschärfen zu wollen. Im letzten Jahr gab es deutlich mehr Attacken auf Polizisten als im Vorjahr. Friedrich bezeichnete diese Entwicklung als „völlig inakzeptabel.“

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