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Neue Sachlichkeit: Aschermittwoch in der Krise

Angesichts der Herausforderung durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise sind die traditionell polemischen Aschermittwochs-Auftritte der Politiker in diesem Jahr von bemerkenswert sachlichen Tönen geprägt gewesen.

Von
  • Hans Monath
  • Antje Sirleschtov

Zwar blieben prominente Redner von Union und SPD sowie der Oppositionsparteien Angriffe auf die politische Konkurrenz im Jahr der Bundestagswahl nicht schuldig. Zugleich forderten sie aber jeweils unterschiedliche Vorkehrungen gegen neue Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten sowie Lehren aus der Krise für Politik und Gesellschaft.

In Demmin in Mecklenburg-Vorpommern versuchte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel ein wenig im Obama- Stil. „Wir werden stärker aus der Krise herauskommen, als wir in sie hineingegangen sind“, prophezeite sie. Und appellierte an alle Bürger, Verantwortung zu tragen: „Der Staat, das sind wir alle.“ Allerdings merkte sie auch an, der Staat sei kein Unternehmer. Daher geht es laut Merkel beim Retten von Banken und Autofirmen auch nicht um Verstaatlichung. Sondern es komme darauf an, die Selbstheilungskräfte der Märkte zu stärken. Wer jetzt aber leichtfertig Vergleiche mit der DDR anstelle, der kenne die DDR nicht, sagte Merkel.

Das war auf Guido Westerwelle gemünzt, der in Passau auftrat. Einen „schleichenden Sozialismus“ mit „zentimeterweise verloren gehender Freiheit“ macht Westerwelle in der Bundesrepublik aus – spätestens seit die Finanzkrise zur Rettung von Unternehmen und Milliardeninvestitionen in Banken führt. Wenn der Sozialismus weiterhin „durch die Hintertür“ etwas zu sagen habe, werde aus Deutschland eine „DDR light“, weissagte Westerwelle. Weshalb jeder Wähler entscheiden solle, ob „Lafontaine oder ich etwas zu sagen haben sollen“. Und die Antwort darauf lieferte er gleich mit: „Ich will etwas zu sagen haben!“

SPD-Chef Franz Müntefering warnte in Ludwigsburg vor Politikverdrossenheit und Passivität der Bürger gegenüber öffentlichen Belangen. „Packt mit an und sorgt dafür, dass dieses Land vorankommt“, rief er den 600 Zuhörern zu. Er bekräftigte die Forderung der SPD nach einer Regulierung der Finanzmärkte und nach einem entschiedenen Vorgehen gegen Steueroasen. Sowohl die Gehälter als auch die Boni von Managern müssten im Interesse des Zusammenhalts der Gesellschaft gedeckelt werden, forderte er: „Wir müssen das Kunststück schaffen, dem Kapitalismus, der sich nur für Geld und nicht für Menschen interessiert, internationale Regeln zu verpassen.“ Müntefering machte zudem deutlich, dass die Politik in der Krise an die Grenzen ihrer Gestaltungsmöglichkeiten gerate. Angesichts des drohenden Zusammenbruchs der Finanzmärkte habe sie „große Mühe, das irgendwie organisiert zu bekommen und aufzuhalten“.

Scharfe Kritik übte der SPD-Chef am Verhalten der Union in der großen Koalition. „Die Union ist nicht mehr in der Lage, das Land verantwortlich zu regieren“, sagte er. Der Linkspartei warf er vor, sie betreibe eine „asoziale, populistische und nationale Politik“. Auch SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier kritisierte die Union. „Dieses schwarze Durcheinander schadet unserem Land“, sagte der Außenminister in Cuxhaven. Mit Blick auf das Verhalten der CSU gegenüber der Schwesterpartei CDU meinte Steinmeier, wenn sich Merkel „von schwarzen Regionalfürsten“ auf der Nase herumtanzen lasse, „dann schadet das auch unserer Politik“.

Die Grünen sprachen sich angesichts der Krise für einen „grünen Gesellschaftsvertrag“ aus, der sowohl ökologischen wie sozialen Kriterien entsprechen soll. „Deutschland muss am Ende der Krise anders dastehen, als es in die Krise hineingekommen ist“, forderte Parteichef Cem Özdemir im schwäbischen Biberach. Spitzenkandidat Jürgen Trittin forderte in Landshut, der Staat müsse nachhaltig in Gerechtigkeit, Klima und Bildung investieren.

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