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Neue Standards: Wie schwer wird das deutsche Abitur?

In ganz Deutschland soll der Abschluss dasselbe Niveau haben. Wie sehen die Anforderungen aus?

Abiturienten sollen sich künftig bundesweit gleichen Leistungsanforderungen stellen. Bei einem Treffen in Hamburg beschloss die Kultusministerkonferenz (KMK) am Freitag sogenannte Bildungsstandards in Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch. Sie beschreiben Kompetenzen, die Schüler bis zum Abitur in diesen Fächern erworben haben sollen. In den Unterricht der Oberstufe sollen die Standards bundesweit ab dem Schuljahr 2014/15 einfließen, 2017 erhalten die Abiturienten dann erstmals in ganz Deutschland gleich schwere Abituraufgaben in den Kernfächern.

Warum wurden die Abiturstandards beschlossen, und was sollen sie bringen?

Für die Grundschulen und für die Sekundarstufe I existieren schon seit 2003 beziehungsweise 2004 bundeseinheitliche Bildungsstandards. Eingeführt wurden sie als Reaktion auf den „Pisa-Schock“. Die Ende 2001 veröffentlichte erste Pisa-Studie führte dem deutschen Schulsystem seine Defizite schockartig vor Augen. In Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften erreichte Deutschland im internationalen Kompetenzranking bestenfalls mittlere Rangplätze.

Die Auswertung für die Bundesländer zeigte kurz darauf große regionale Unterschiede in den Schülerleistungen. Bayern und Baden-Württemberg schnitten am besten ab, Norddeutschland und seine Stadtstaaten am schlechtesten. Die Einführung der Bildungsstandards zunächst für die Grundschule, die Hauptschule und den mittleren Schulabschluss sollte eine Grundlage dafür schaffen, die Qualität des Schulunterrichts länderübergreifend zu entwickeln und zu sichern. Überprüft wird dies durch Vergleichsarbeiten und bundesweite Studien, die das Berliner Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) durchführt.

Die vom IQB entwickelten Abiturstandards sollen den Schülern Allgemeinbildung vermitteln und sie auf ein Studium oder eine Ausbildung vorbereiten. Hochschulen beklagen häufig die mangelnde Studierfähigkeit der Abiturienten, ihnen fehlten ausreichende Grundlagen etwa im schriftlichen Ausdruck und in Mathematik.

Was verlangen die Abiturstandards?

Sie definieren Kompetenzen, die Jugendliche am Ende der gymnasialen Oberstufe haben sollen. In den Fremdsprachen werde das mündliche Verstehen und Sprechen mehr Gewicht bekommen und in der Mathematik die Wahrscheinlichkeitsrechnung, erklärte IQB-Direktorin Petra Stanat. In Deutsch werde das Verfassen von Informationstexten wichtiger.

Veranschaulicht werden die Bildungsstandards durch Beispiele für Lern- und Prüfungsaufgaben. Außerdem wird vom IQB ein Aufgabenpool entwickelt, aus dem sich die Länder bedienen können und den sie auch ergänzen sollen, aber nicht müssen. Abiturstandards und gemeinsame Aufgaben für die naturwissenschaftlichen Fächer sollen folgen.

Wird es bald ein Zentralabitur für ganz Deutschland geben?

16 Länder, 16 Schulsysteme – dabei bleibt es auch mit den Bildungsstandards für das Abitur. Die Begriffe „Zentralabitur“ oder „Einheitsabitur“ haben seit Jahrzehnten die Diskussion bestimmt. Noch 2009 hatte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) ein bundesweites Zentralabitur gefordert. Eltern müssten sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder, egal ob sie in Potsdam, Frankfurt oder Stuttgart zur Schule gehen, gleich gute Bildung bekommen, hatte Schavan damals erklärt. Ein Zentralabitur könne „das eklatante Bildungsgefälle in Deutschland beheben helfen“.

Doch gleichzeitig betonte Schavan, die Länder könnten bei der Gestaltung des Unterrichts in der Oberstufe weiterhin große Freiheiten haben. Und darauf pochen die Länderminister bis heute – quer durch die Parteien. „Jede Schule hat ihr eigenes Profil und setzt eigene Schwerpunkte“, erklärte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) am Freitag. Das werde von Eltern und Schülern ausdrücklich gewünscht. Auch Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes, in dem Gymnasiallehrer organisiert sind, sprach sich gegen ein „Bundeszentralabitur“ aus, bei dem die Schüler überall zur gleichen Zeit geprüft werden. Dazu fehlten einheitliche Ferienzeiten wie in Italien oder Frankreich. Zudem fürchtet Meidinger, dass Lehrer etwa in Berlin die Arbeiten weniger streng als in Bayern bewerten könnten. Ein Zentralabitur garantiere nicht einheitliche Maßstäbe bei der Korrektur. Die Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marianne Demmer, betonte: „Wir haben immer gesagt: Das Zentralabitur ist Quatsch.“

Wie anspruchsvoll sind die Standards?

Wie anspruchsvoll sind die Standards?

Die Kultusministerkonferenz reagiert empfindlich auf Kritik an etwaigen Mindeststandards, durch die das Niveau des Oberstufenunterrichts und des Abiturs sinken könnte. Bildungsexperten der Unionsfraktion im Bundestag betonten am Freitag, Bayern müsse der Maßstab sein, nicht Bremen. Die Angleichung der Standards dürfe nicht zulasten der Qualität gehen. Der vereinbarte Standard sei recht anspruchsvoll, sagt KMK-Chef Ties Rabe, Schulsenator in Hamburg. Der niedersächsische Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) betonte dagegen: „Wichtig ist die Botschaft an die Eltern und Schüler: Es wird dadurch nicht schwerer.“

Tatsächlich beschreiben die Abiturstandards Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler am Ende der 12. oder 13. Klasse „im Durchschnitt erreichen sollen“. Für diese „Regelstandards“ unterscheidet das IQB jedoch zwischen einem „grundlegenden Niveau“, das in Kursen mit mindestens drei Wochenstunden Unterricht vermittelt werden soll, und einem „erhöhten Niveau“ in Kursen mit vier oder mehr Wochenstunden. Das bildet das Kurssystem mit Grund- und Leistungskursen ab, die in einigen Ländern inzwischen anders bezeichnet werden.

Warum werden Abiturienten erst 2017 bundesweit nach den neuen Standards geprüft?

Einzelne Länder mahnen schon seit Jahren ein höheres Tempo an. Im Vorfeld des aktuellen KMK-Treffens haben sich nun Bayern, Sachsen, Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern darauf geeinigt, schon 2014 mit gemeinsamen Prüfungen nach den neuen Standards zu beginnen.

Doris Ahnen dagegen warnt vor Eile. Bei der Einführung der Standards in der Grundschule und in der Sekundarstufe I habe sich gezeigt, „dass es sehr sinnvoll ist, die Schulen und Lehrkräfte gründlich vorzubereiten“. Ahnen rief interessierte Bürger dazu auf, die veröffentlichten Aufgaben auszuprobieren, um sich vom hohen Niveau des Abiturs zu überzeugen.

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