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Die Türkei müsse die Zahl ihrer Feinde verringern, dozierte Erdogan vor türkischen Journalisten.

© imago/ Xinhua

Türkei sieht deutsch-türkische Beziehungen verbessert: Die härteren Töne gegenüber Ankara zeigen Wirkung

Erdogan nennt nun die deutsche Regierung einen Freund, die er kürzlich noch als Nazis beschimpfte. Wird der türkische Präsident nun vernünftig? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Recep Tayyip Erdogan gehört zu den Politikern, die sich nicht gern an Normen halten, sondern lieber anderen die Regeln diktieren. Das macht ihn schwer berechenbar für alle, die mit ihm umgehen müssen. Nun hat der türkische Präsident wieder für eine Überraschung gesorgt – und die betrifft das Verhältnis seines Landes zu Deutschland, Belgien und den Niederlanden.

Die Türkei müsse die Zahl ihrer Feinde verringern, dozierte Erdogan vor türkischen Journalisten, es gebe keine Probleme mit den drei Ländern, die Regierenden dort seien „alte Freunde“. Das ist eine erstaunliche Einschätzung für einen Mann, der in diesem Jahr der deutschen Regierung immer wieder gedroht und ihr „Nazi-Methoden“ vorgeworfen hatte.

Ist aus dem Machtpolitiker, der sich in seiner Jugend in Istanbul als Straßenkämpfer durchboxte, plötzlich ein Diplomat geworden? In Deutschland würden das viele begrüßen – und das nicht nur, weil beide Länder wegen der drei Millionen Deutschtürken ein ganz besonderes Verhältnis verbindet. Es geht auch um das Schicksal von in dem Land inhaftierten Deutschen, deren prominentester Vertreter der Journalist Deniz Yücel ist.

In jüngster Zeit Zeichen der Entspannung

Tatsächlich hatte es in jüngster Zeit auch Zeichen der Entspannung gegeben. Nach Intervention von Ex-Kanzler Gerhard Schröder kam der Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner aus türkischer Haft frei, die deutschtürkische Journalistin Mesale Tolu wurde unter Auflagen aus dem Untersuchungsgefängnis entlassen, die Isolationshaft von Yücel wurde gelockert.

Dazu kommt: Wenn Erdogan nüchtern Bilanz ziehen wollte, müsste er zu der Einsicht gelangen, dass er sich mit seinem Konfrontationskurs nicht nur gegenüber Deutschland, sondern auch gegenüber der EU und der Schutzmacht USA isoliert und seinem Land geschadet hat.

Vom Polterer zum Werber: Der türkische Präsident Erdogan sieht keine Probleme mehr im Verhältnis zu Deutschland.
Vom Polterer zum Werber: Der türkische Präsident Erdogan sieht keine Probleme mehr im Verhältnis zu Deutschland.

© Kayhan Ozer/dpa

Der Präsident stilisierte sich zum Verteidiger einer vom Westen angeblich ständig zurückgesetzten und gedemütigten Türkei. Seine Autorität bezog er über Jahre hinweg auch aus seiner Rolle als Garant eines starken Wirtschaftswachstums. Doch seit er sein Land nach dem Militärputschversuch 2016 zur Autokratie umbaut, ist die türkische Ökonomie eingebrochen. Nur massive öffentliche Investitionen halten sie noch am Laufen. Bislang hat das den Präsidenten wenig beeindruckt, denn die Machtsicherung scheint für ihn das wichtigste Projekt – weit vor allen anderen. Deshalb ist Misstrauen angesagt gegenüber den neuen Schalmeienklängen. Einige wenige versöhnliche Bemerkungen Erdogans gegenüber türkischen Journalisten am Rande einer Afrika-Reise sind jedenfalls noch kein belastbares Indiz dafür, dass er tatsächlich umsteuern will.

Die Abkehr von der Rechtsstaatlichkeit belastet die Beziehungen

Zwar hat sich die Türkei zuletzt um ein besseres Verhältnis zur EU bemüht, aber dabei keine Bereitschaft zu Gegenleistungen erkennen lassen. Doch nicht nur die deutschen Gefangenen belasten die Beziehungen, sondern vor allem die Abkehr der Türkei unter Erdogan von der Rechtsstaatlichkeit, die Torpedierung jeder Aussöhnung mit den Kurden und sein Liebäugeln mit China als neuem Partner.

Dabei bleibt es richtig, dass Deutschland und andere EU-Länder Ankara weiter Angebote machen, die sie allerdings an Bedingungen knüpfen. Ob der Hinweis von Außenminister Sigmar Gabriel, wonach erfolgreiche Brexit-Verhandlungen ein Vorbild für das Verhältnis der EU zur Türkei sein könnten, ein geschickter diplomatischer Zug war, ist freilich fraglich. Die härteren Töne gegenüber Ankara und die Drohung mit Wirtschaftssanktionen nach der Verhaftung von Steudtner scheinen eine Sprache zu sein, die Erdogan eher beeindruckt.

Noch ein Signal des türkischen Präsidenten war wichtig am Donnerstag: Die Forderung nach der Festnahme des international zur Fahndung ausgeschriebenen sudanesischen Staatschefs Omar al-Baschir bei einem Gipfel in Istanbul nannte er lachhaft. Auch das zeigt: Erdogan will weiter nach seinen eigenen Regeln spielen – so lange das irgendwie geht.

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