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Neue US-Strategie: Afghanistan: Blaupause Helmand

US-Truppen wollen die Provinz im Süden Afghanistans von Taliban befreien – der Einsatz ist Testfall für Obamas neue Strategie.

Berlin - Die Revolution soll nun auch nach Helmand getragen werden. Helmand ist eine Provinz im Süden Afghanistans, US-Truppen haben dort vor wenigen Tagen eine Großoffensive gegen die Taliban begonnen. Das allein ist schon bemerkenswert genug, denn in diesem Teil des Krisenlandes hatten bisher die Gotteskrieger das Sagen. Afghanistans Minister für ländliche Entwicklung denkt jedoch schon weiter. Er will Helmand möglichst bald in das sogenannte Nationale Solidaritätsprogramm (NSP) einbeziehen, das in anderen Regionen bereits Erfolge zeigt. „Dieses Programm hat das ländliche Afghanistan revolutioniert“, sagte Minister Ehsan Mohammed Zia kürzlich bei einem Besuch in Deutschland. Das NSP sei ebenso wichtig wie die Aufstockung der ausländischen Truppen.

Das NSP gilt als eine der wenigen Erfolgsgeschichten beim Wiederaufbau in Afghanistan. Jedes Dorf, das sich daran beteiligt, wählt einen Dorfrat, der festlegt, welche Entwicklungsprojekte für die Gemeinde Priorität haben – ob zunächst eine Straße gebaut werden soll, ein Brunnen oder eine Schule etwa. Für diese Projekte erhält das Dorf dann Mittel des NSP. Finanziert wird das 2003 ins Leben gerufene Programm von internationalen Gebern, allein Deutschland steuert pro Jahr acht Millionen Euro bei.

„Was hier stattfindet, ist die eigentliche Demokratisierung Afghanistans“, erläuterte Zia im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Das gesamte Dorf sei an den Entscheidungen beteiligt und könne sich so endlich von der Willkürherrschaft der Warlords befreien. Im deutschen Entwicklungsministerium wird die Lage zwar nüchterner betrachtet, das Programm aber ebenfalls positiv bewertet. Zwei von drei Afghanen hätten bereits vom NSP profitiert, heißt es dort, insgesamt seien 22 000 Gemeinden beteiligt.

Doch mehr als 13 000 afghanische Dörfer warten weiter auf Straßen und Schulen. Viele davon in Helmand, wo bisher kaum ausländische Soldaten und noch weniger Helfer im Einsatz waren. Die Gegend war fest in der Hand von Taliban und Drogenbaronen, die alle Aufbaubemühungen unterbanden. „Die Taliban verboten den Gemeinden mancherorts sogar, Zement in die Dörfer zu bringen“, berichtet Minister Zia. Das soll sich nun ändern. Denn die US-Offensive ist nicht nur darauf ausgerichtet, die Taliban zurückzudrängen, ausländische und afghanische Sicherheitskräfte sollen nach der Befriedung in Provinz bleiben, damit Entwicklungsprojekte auf den Weg gebracht werden können. Die USA wollen dafür unter anderem ihre Mittel für das NSP erhöhen.

Damit wird Helmand zum Testfall für die neue Afghanistan-Strategie Washingtons, die außer der Aufstockung der Truppen um 21 000 Soldaten vor allem ein größeres Gewicht beim Wiederaufbau vorsieht. Der US-Sonderbeauftragte Richard Holbrooke hatte kürzlich zudem verkündet, die USA wollten künftig „mit aller Kraft“ gegen afghanische Drogenkartelle vorgehen. Deren Bosse sollten kompromisslos verfolgt und den Bauern geholfen werden, andere Produkte statt Mohn anzubauen. In der Vergangenheit hatten amerikanische und britische Truppen Mohnfelder einfach abgebrannt oder Gouverneuren Geld gezahlt, wenn diese den Drogenanbau bekämpften. Auch für diesen Strategiewechsel bietet Helmand nun die Blaupause, denn die Provinz ist das Zentrum der afghanischen Drogenwirtschaft.

Doch in Afghanistan sind schon viele Pläne gescheitert. Ob diesmal die Trendwende gelingt, wird sich erst in den kommenden Monaten und Jahren zeigen. Der Sonderbeauftragte des Auswärtigen Amtes für Afghanistan und Pakistan, Bernd Mützelburg, stellte kürzlich bei einem Vortrag vor Berliner Kaufleuten schon einmal klar: „Wir haben uns von der Vorstellung verabschiedet, eine afghanische Schweiz aufzubauen.“

Inzwischen sendeten auch die Taliban ein Signal: Während sie in Helmand bisher wenig Widerstand leisteten, griffen die Gotteskrieger am Samstag mehrere hundert Kilometer entfernt im Osten ein Lager der US-Truppen an. Zwei amerikanische Soldaten starben in dem zweistündigen Gefecht, sieben weitere wurden verwundet, wie eine Militärsprecherin mitteilte. Ihre Botschaft lautet: Der Krieg um Afghanistan ist längst nicht entschieden.

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