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Neue Verfassung: Bolivianer stimmen für den Sozialismus

Präsident Evo Morales sieht das Referendum für die sozialistische Verfassung als Neugründung des Landes. Die Oppostion kündigt Widerstand an.

Von Michael Schmidt

Die Mehrheit der Bolivianer hat sich für die vom sozialistischen Indio-Präsidenten Evo Morales unterstützte neue Verfassung ausgesprochen. Nach inoffiziellen Auszählungen sprachen sich bei der Volksabstimmung am Sonntag rund 62 Prozent für und 38 Prozent gegen den Entwurf aus. Das neue Grundgesetz des Andenstaates schafft den Katholizismus als Staatsreligion ab und gibt der Indio-Mehrheit mehr Rechte, dem Staat mehr Kontrolle über die Wirtschaft und dem Präsidenten die Möglichkeit, für eine zweite fünfjährige Amtszeit anzutreten.

Morales feierte den Sieg als „Neugründung“ Boliviens und das „Ende des Kolonialismus“. Doch neuer Ärger ist bereits absehbar, denn das Abstimmungsergebnis führte erneut die tiefe Spaltung des Andenstaates vor Augen. Morales hat zwar die Unterstützung der verarmten indigenen Bevölkerungsmehrheit, doch im wohlhabenderen östlichen Flachland wurde die Verfassung abgelehnt. Die dortigen Gouverneure wehren sich dagegen, für die armen Hochlandregionen aufzukommen und ihnen Einnahmen aus dem Erdgas- und Ölgeschäft zugute kommen zu lassen.

Durch die Annahme der Verfassung wird Bolivien ein „plurinationaler“ Vielvölkerstaat mit 37 offiziellen Sprachen. Den indianischen bäuerlichen Völkern und Nationen ist der Schutz ihrer kulturellen Identität, ihrer sozialen wie politischen Strukturen und Institutionen zugesichert. Ihre spirituellen Traditionen sollen anerkannt, ihre Sprachen gefördert werden. Für kleinere Völker neben den Aymara und Quechua werden Sitze im Parlament reserviert. Auch erkennt der Staat die traditionelle indianische „Gemeinschaftsjustiz“ an. Die Richter des Obersten Gerichts sollen künftig gewählt und nicht mehr vom Präsidenten ernannt werden. Zudem garantiert der Staat das Recht auf Ernährung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeit, Rente, Trinkwasser und angemessene Entlohnung. In einer weiteren Abstimmung votierten nach vorläufigen Angaben 78 Prozent für eine Begrenzung des privaten Landbesitzes auf 5000 Hektar. Bisher sind 50.000 Hektar erlaubt. Die Regierung betonte, dass sich an den Landbesitzverhältnissen zunächst nichts ändern werde. Jedoch erlaubt die neue Verfassung dem Staat künftig Land zu beschlagnahmen, das seine „landwirtschaftliche und soziale Funktion“ nicht erfüllt.

Die Opposition kündigte an, einige der von der neuen Verfassung vorgesehenen Gesetze scheitern zu lassen. Morales erklärte, dass er die neue Verfassung auch mithilfe von Exekutivverordnungen zur Anwendung bringen werde, sollte die Opposition die Umsetzung boykottieren. Die wiederum bezeichnete die Erklärungen des Präsidenten als die eines Diktators.

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