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Politik: Neuer alter Konflikt im Herzen Afrikas

Auch in der Zentralafrikanischen Republik kämpft die Regierung wieder gegen Rebellen.

Berlin - Es brodelt mitten in Afrika. Nachdem in Ostkongo im vergangenen Monat der Bürgerkrieg wieder aufgeflammt ist, ist nun auch die benachbarte Zentralafrikanische Republik Schauplatz einer Rebellion geworden, unter der vor allem die Zivilbevölkerung des bitterarmen Landes leidet. Seit Tagen befindet sich in der früheren französischen Kolonie eine aus drei Gruppen bestehende Rebellenkoalition, die unter dem Namen Séléka firmiert, auf dem Vormarsch in Richtung der Hauptstadt Bangui. Nach Angaben des französischen Staatssenders RFI befanden sich die Rebellen am Wochenende nur noch rund 85 Kilometer nördlich von Bangui. Präsident François Bozizé verhängte eine nächtliche Ausgangssperre. Augenzeugen berichteten, dass die Straßen und Restaurants im Zentrum der Hauptstadt abends menschenleer seien.

Der Ausbruch der jüngsten Kämpfe ist überraschender, da bei Friedensgesprächen im benachbarten Tschad erst vor einer Woche ein loser Waffenstillstand zwischen den verfeindeten Parteien vereinbart worden war. Die Machthaber in Bangui erklärten sich dennoch zu weiteren Verhandlungen mit den Rebellen bereit. Allerdings wurden neue Gespräche mit den Rebellen an deren Rückzug auf Positionen geknüpft, die sie vor dem 10. Dezember gehalten hatten.

Die Aufständischen erklärten, ihre jüngste Offensive sei eine Reaktion auf fortgesetzte Angriffe der Regierungstruppen gewesen. Eine Eroberung der Hauptstadt Bangui sei jedoch nicht geplant. Bereits vergangene Woche hatten die Rebellen mit Bria das Zentrum des Diamantenhandels erobert. Sie werfen Präsident Bozizé und seinen Helfern zudem vor, einen vor fünf Jahren geschlossenen Friedensvertrag nicht wie versprochen befolgt zu haben. Der Vertrag hatte einen lange schwelenden Konflikt zwischen dem Regime in Bangui und verschiedenen Rebellengruppen offiziell beendet, auch wenn einzelne Splittergruppen weiterkämpften. Im Rahmen des Abkommens sollten eigentlich alle politischen Gefangenen freigelassen, entwaffnete Kämpfer ausbezahlt und die Rebellen in die reguläre Armee eingegliedert werden. Die Regierung der Zentralafrikanischen Republik muss sich seit Jahren gegen immer neue Aufstände und Rebellionen zur Wehr setzen. Außerhalb der Hauptstadt Bangui hat sie quasi keinen Einfluss mehr.

Überhaupt haben die knapp fünf Millionen Einwohner des Landes einen ähnlichen Leidensweg hinter sich wie die Bevölkerung im südlich gelegenen Nachbarstaat Kongo. Während der Staatschef dort lange Jahre Mobutu Sese Seko hieß, herrschte in der zentralafrikanischen Republik lange Zeit Jean Bedel Bokassa. 1977 ließ dieser sich in einem Anfall von Größenwahn zum Kaiser krönen, zwei Jahre später wurde er gestürzt. Sein Nachfolger Ange-Félix Patassé war weniger blutrünstig als Bokassa, allerdings ebenso korrupt. In den Amtsstuben saßen auch damals fast nur – oft völlig inkompetente – Beamte seiner eigenen Volksgruppe. 2003 wurde Patassé von Bozizé gestürzt, was unter der Bevölkerung des Landes zunächst auch auf breite Zustimmung stieß. Allerdings machte sich in Bangui schnell wieder das alte Muster der ethnischen Vetternwirtschaft breit. Zwar konnte Bozizé die Wahlen in den Jahren 2005 und 2011 deutlich gewinnen, doch haben sich die Spannungen im Land nie verringert.

Der jüngsten Bedrohung durch die erst im August gegründete Rebellenallianz begegnet Bozizé mit einem alten Reflex: dem Ruf nach Hilfe aus dem Tschad und aus Frankreich. Allerdings hat zumindest die ehemalige Kolonialmacht den Einsatz eigener Soldaten zum Schutz der amtierenden Regierung in Bangui bereits abgelehnt. Präsident François Hollande sagte, die im Land stationierten französischen Soldaten würden sich nicht in einen internen Konflikt einmischen, sondern allein die von aufgebrachten Menschen angegriffene Botschaft in der Hauptstadt Bangui schützen. Die gewalttätigen Demonstranten werfen Frankreich vor, seine ehemalige Kolonie im Stich zu lassen.

Der heute 66-jährige Bozizé benötigte mehrfach ausländische Unterstützung, um Aufstände niederzuschlagen. Dabei kam ihm zugute, dass französische Offiziere seine Armee schon lange beraten. Seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahre 1960 verbindet beide Staaten ein Verteidigungspakt. Das Land ist zudem reich an Bodenschätzen. Neben Diamanten und Gold gibt es nahe der Stadt Boukouma ein größeres Uranvorkommen, das dem französischen Energiekonzern Areva gehört. Wolfgang Drechsler

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