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Politik: Neuer Anspruch

Deutschland und Japan wollen nicht nur einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat, sondern auch das Vetorecht

Als die UN-Diplomaten am Donnerstagmorgen in New York die jüngsten Nachrichten aus Japan lasen, dürften sie sich verwundert die Augen gerieben haben. Auf einem Wirtschaftsforum in Tokio hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder gefordert, bei einer Erweiterung des UN-Sicherheitsrates müssten die neuen Mitgliedern den alten gleichgestellt werden. „Das bedeutet natürlich, dass sie ebenso wie die bisherigen fünf ständigen Vertreter ein Veto-Recht haben sollten“, sagte er weiter. Es dürfe nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. Japans Premierminister Junichiro Koizumi stimmte zaghaft ein und sprach davon, die Neuen sollten „gleiche Kompetenzen“ haben.

Kecke Worte, die bislang noch niemand von den Anwärtern auf einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat so deutlich geäußert hatte. Natürlich ist das Vetorecht der vier Siegerstaaten des Zweiten Weltkriegs (USA, Großbritannien, Frankreich, Russland) sowie Chinas in dem Gremium allen übrigen UN-Mitgliedern schon lange ein Dorn im Auge. Das drückt auch der Expertenbericht deutlich aus, der seit Anfang des Monats vorliegt und zwei Varianten vorschlägt, wie das Gremium von 15 auf 24 Mitglieder zu erweitern sei. In ihrer Analyse der Vereinten Nationen betonen sie, dass das derzeitige Vetorecht das Vertrauen in den Sicherheitsrat unterminierte. Es habe einen anachronistischen Charakter in einer sich zunehmend demokratisierenden Welt. Die bisherigen Veto-Staaten sollten sich künftig freiwillig beschränken und ihr Recht nicht in Fällen von Völkermorden oder Menschenrechtsverletzungen großen Ausmaßes nutzen.

Trotzdem kamen die Experten zu dem Schluss: „Wir sehen keinen praktischen Weg, das bestehende Vetorecht zu ändern.“ Entsprechend sehen sie weder bei einer Erweiterung um sechs ständige und drei nichtständige Mitglieder noch bei der Ergänzung um neun rotierende Mitglieder keine gleichzeitige Ausdehnung des Vetorechts vor. Dahinter steht die Befürchtung, dass einem solchen Machtverlust die jetzigen Veto-Staaten, allen voran die notorisch UN-kritischen USA, nie zustimmen würden. Dann wäre die Reform jedoch mausetot.

Eine ähnlich vorsichtige Verhandlungsposition hatte sich bislang die deutsche UN-Mission zueigen gemacht. Noch am Mittwoch lobte der Botschafter bei den Vereinten Nationen, Gunter Pleuger, in der Vollversammlung in New York die Reformvorschläge des Panels über den grünen Klee. Gleich lautend äußerten sich Brasilien, Indien und Japan, die mit den Deutschen eine strategische Allianz bilden und ebenfalls einen neuen ständigen Sitz ergattern wollen. Die USA halten sich dagegen bedeckt. Außenminister Colin Powell sagte am Mittwoch in Brüssel, man sei noch dabei, „die Konsequenzen der Reform zu analysieren“. Schröder indes baute sich in einem Interview mit dem ZDF bereits eine Hintertür ein. Es handle sich nur um eine „Ausgangsposition“ für die weitere Diskussion, sagte er, „nichts kommt so rein, wie es rauskommt. Letztlich wird es einen Konsens brauchen, dem wir nicht im Wege stehen werden.“ Und auch Koizumi räumte ein, dass die Durchsetzung schwierig sein werde. Insbesondere mit China, das die Aufnahme Japans in den Sicherheitsrat bisher ablehnt, müsse Einvernehmen erzielt werden.

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