zum Hauptinhalt

Politik: Neuer Bundestag bereit zur Kanzlerwahl

BONN .Der Bundestag hat in seiner konstituierenden Sitzung am Montag den Berliner SPD-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Thierse zu seinem Präsidenten gewählt.

BONN .Der Bundestag hat in seiner konstituierenden Sitzung am Montag den Berliner SPD-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Thierse zu seinem Präsidenten gewählt.Damit bekleidet zum ersten Mal ein Ostdeutscher eines der hohen Staatsämter in der Bundesrepublik.Mit Spannung wird erwartet, ob Gerhard Schröder am Dienstag bei seiner Wahl zum Bundeskanzler alle 345 Stimmen der neuen rot-grünen Koalition auf sich vereinbaren kann.

Der neue Bundestagspräsident Wolfgang Thierse bezeichnete die Wahl eines Ostdeutschen in dieses Amt als einen "Akt demokratischer Normalisierung in den immer noch nicht ganz konflikt- und vorurteilsfreien ost-west-deutschen Verhältnissen".Er sagte, wenn die vielbeschworene innere Einheit gelingen solle, "dann setzt sie jene Gleichberechtigung voraus, die erst durch die Anerkennung von Unterschieden ermöglicht wird".Thierse wies darauf hin, daß der Bundestag im kommenden Jahr von Bonn nach Berlin ziehen wird."Mir erscheint Berlin als eine Chance für das Parlament wie für die Bundesregierung", sagte er.

Eröffnet wurde die konstituierende Sitzung des Parlaments vom parteilosen auf der Liste der PDS gewählten Fred Gebhardt als Alterspräsident.Gebhardt nannte den Abbau der Arbeitslosigkeit als vorrangige Aufgabe der Politik.

Streit gab es um die Besetzung der Vize-Präsidenten im Bundestag.Die Fraktion der CDU/CSU wollte die Wahl der PDS-Politikerin Petra Bläss zur Stellvertreterin Thierses verhindern und schlug statt dessen die CSU-Politikerin und bisherige Vizepräsidentin Michaela Geiger vor.SPD, Bündnis90/Die Grünen, FDP und PDS setzten mit ihrer Mehrheit jedoch durch, daß weiterhin jede Fraktion einen Vizepräsidenten stellt.Neben Petra Bläss wurden Rudolf Seiters (CDU), Anke Fuchs (SPD), Antje Vollmer (Bündnis90/Die Grünen) und Hermann Otto Solms (FDP) gewählt.

Unmittelbar nach der Konstituierung des Bundestags erhielt der bisherige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) von Bundespräsident Roman Herzog seine Entlassungsurkunde.Wenige Stunden vorher hatte er Kohl für seine Verdienste um Deutschland und Europa mit dem zweithöchsten Orden der Bundesrepublik aus: mit dem Großkreuz des Bundesverdienstordens.

SPD und Grüne wollen bereits zwei Tage nach der Wahl des Bundeskanzlers - also an diesem Donnerstag - im Kabinett die Rücknahme der sozialen Einschnitte beim Kündigungsschutz, bei der Lohnfortzahlung für Kranke, bei der Rente und beim Schlechtwettergeld beschließen.Die Korrektur dieser Gesetze der alten Koalition aus CDU/CSU und FDP war eines der zentralen Wahlversprechen der SPD.

In Bonn wurde erwartet, daß Schröder bei der Kanzlerwahl im ersten Wahlgang die notwendige Stimmenzahl erreicht.Die Kanzlermehrheit liegt bei 335 Stimmen.SPD und Grüne verfügen über 345 Mandate.Zwar haben bisher alle Regierungschefs seit 1949 auf Anhieb im ersten Wahlgang den Sprung über die Hürde der "Kanzlermehrheit" geschafft.Sie mußten aber auch öfters Gegenstimmen oder Enthaltungen aus dem eigenen Lager einstecken.Helmut Kohl zum Beispiel erhielt 1994 nur eine Stimme mehr als nötig.

CARSTEN GERMIS

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false