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Neuer Look: Angela Merkel - praktisch, schlicht, reizarm

Grit Thönnissen fragt sich, warum Angela Merkel wieder Handtasche trägt.

Bei uns sind Inhalt und Form streng getrennt. Niemand würde ernsthaft verlangen, dass sich ein Spitzenpolitiker mehr um sein Äußeres kümmert: Sport treibt, sich gesund ernährt und seiner Kleiderwahl mehr Aufmerksamkeit schenkt. In vielen Ländern ist das anders. In den USA, Frankreich und Großbritannien soll sich Stärke und Macht auch durch das optische Erscheinungsbild manifestieren. Nicolas Sarkozy hat sich dafür sogar ein Topmodel an seine Seite geholt, das jetzt nationale Schneiderkunst von Dior bis Saint Laurent vorführt; von den Obamas und ihrem geradezu ikonischen Äußeren ganz zu schweigen.

Angela Merkel dagegen verhält sich, was ihr Äußeres betrifft, so reizarm, dass schon eine sichtbar getragene Handtasche für Aufregung sorgt. Was hat es zu bedeuten, dass eine eher schlichte Ledertasche, im praktischen Aktenordnerformat aus solidem, fein gegerbtem schwarzen Leder, Spekulationen bewirkt, wonach die Kanzlerin jetzt ihre weibliche Seite zeigen möchte? Merkel weiß natürlich, dass sie, anders als ihre männlichen Kollegen, ständiger Stilkritik ausgesetzt ist. Sie hat sich dieses Problems erfolgreich angenommen. Kurz bevor sie 2005 Kanzlerin wurde, wandelte sich ihr viel gescholtener Stil: Plötzlich trug sie gut sitzende Jacketts und schlichte Hosen. Und sie ließ die Handtasche weg, immer wieder war sie mit der berühmten Taschenträgerin Margaret Thatcher verglichen worden. So eine Tasche ist ja einer der größten Unterschiede zwischen Mann und Frau. Und den wollte Merkel nie betonen.

Dass sie ihre Kleidung als Kanzlerinnenuniform betrachtet, liegt nahe: Immer trägt sie ihre Jacke geschlossen, um ihren Hals liegt immer eine Kette, mal aus Bernstein, mal silbern, auch hier solide und gut gemachtes Kunsthandwerk, bei der die Marke keine Rolle spielt. Sie trägt fast immer die gleichen, vielleicht sogar selben schwarzen Schuhe: Slipper mit einem leichten Absatz. Auch daran, dass sie gern kräftige Farben wie Knallrot, Violett und Lindgrün für ihre Jacken wählt, hat man sich längst gewöhnt.

Wer so mit Neuerungen geizt, sorgt natürlich mit einem erschütternd tief dekolletierten Abendkleid, wie vor einem Jahr im Osloer Opernhaus, für Irritationen. Dass die Kanzlerin aus einer spontanen Lust heraus ebendieses Kleid aus ihrem Schrank zog, scheint bei einer so überlegt handelnden Frau wenig glaubwürdig. Deshalb gibt jetzt auch ihre Tasche Anlass zu der Vermutung, ob sie mit deren Präsentation kurz vor der Wahl ihre Weiblichkeit herauskehren möchte. Vielleicht ein Signal, dass Merkel ihre emotionale und fürsorgliche Stärke demonstrieren möchte.

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