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Mateusz Morawiecki ist der neue Premierminister Polens - seine Vorgängerin Beata Szydlo trat am Donnerstag zurück.

© Patryk Ogorzalek/Agencja Gazeta/rtr

Neuer Ministerpräsident Morawiecki: Polens Regierung will ihr Image aufpolieren

Der neue Regierungschef Morawiecki, Kosmopolit und Russland-Kritiker, soll den Kontakt ins Ausland verbessern. Die von der EU kritisierte Justizreform wurde beschlossen.

Polens Regierungschefin Beata Szydlo hat am späten Donnerstagabend überraschend das Handtuch geworfen. Szydlo hatte zwar am Nachmittag ein Misstrauensvotum der liberalen Oppositionspartei Bürgerplattform (PO) mit 239 zu 168 Stimmen gut überstanden – doch scheiterte sie am Ende am enormen emotionalen Druck, der schon länger auf ihr lastete. Die farblose, aber PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski besonders treu ergebene Regierungschefin war ins Fadenkreuz der Spekulationen geraten, seit in Polen wochenlang eine große Regierungsumbildung diskutiert, aber nicht umgesetzt wurde.

„Premierministerin Beata Szydlo hat zu Händen der Partei ihre Demission eingereicht; diese wurde angenommen“, sagte Beata Mazurek, Sprecherin der PiS-Fraktion, knapp. „Wir wollen, das sie weiterhin eine wichtige Rolle in der Regierung innehat“, fügte sie hinzu. Damit gehen die Spekulationen um die Regierungsumbildung in eine neue Runde. Regierungskreise sprachen davon, Szydlo solle Vizepremierministerin werden – vielleicht als Sozialministerin. Sie selbst sagte in ihrer Abschiedsrede vor dem Parlament am Freitag, sie werde Regierungsmitglied bleiben und sei sich ihrer „Verantwortung bewusst in diesem historischen Moment, in dem Polen sich befindet“. Szydlo führte die polnische Regierung seit Regierungsantritt der PiS 2015.

Die eigentliche Macht liegt bei Jaroslaw Kaczynski

Der bisherige Wirtschafts- und Finanzminister Mateusz Morawiecki soll Szydlo als neuer Regierungschef ersetzen. „Der Wechsel habe damit zu tun, „dass wir vor neuen Aufgaben stehen“, erklärte Mazurek. Die Partei will sich stärker auf die Wirtschaftspolitik konzentrieren. Auch der Bankfachmann Morawiecki gilt als Vertrauter Kaczynskis, des eigentlichen „starken Mannes“ in der polnischen Führung, der aber offenbar nicht selbst die Regierungsgeschäfte übernehmen, sondern weiterhin aus dem Hintergrund über die PiS-Partei agieren will.

Der Kosmopolit Morawiecki gilt als ziemlich unabhängiger Denker, der durchaus auch Kaczynski selbst gefährlich werden könnte – was man von Beata Szydlo nicht behaupten konnte. Sie schien von ihrem Amt oft intellektuell überfordert, was besonders auf EU-Gipfeln klar wurde. PiS-Parteigründer Kaczynski mag sich von Morawiecki einen Ausbruch Polens aus der zunehmenden internationalen Isolation erhoffen. Der 49-Jährige hat in Deutschland, der Schweiz und den USA studiert und zusammen mit dem US-Juristen Frank Emmert vor fast zwanzig Jahren ein Kompendium zum Europäischen Recht publiziert. Der verheiratete Vater von vier Kindern spricht nicht nur Russisch, sondern auch Deutsch und Englisch. Er gilt als das „nette Gesicht der PiS“ – auch dies konnte man von der selten lächelnden und dafür umso verbissener handelnden Szydlo nicht behaupten.

Der neue Regierungschef ist Kosmopolit und Russland-Kritiker

Allerdings war sie in der polnischen Bevölkerung durchaus beliebt. Von Morawiecki hat dagegen jeder fünfte Pole laut einer Umfrage noch nie etwas gehört. Während Szydlo Grundsatzstreitigkeiten mit der EU über Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit führte, entwickelte Morawiecki gigantische Wachstumspläne für das post-sowjetische Polen mit einer stärkeren wirtschaftspolitischen Rolle des Staates und einer Modernisierung des Sozialstaats. Der „Morawiecki-Plan“ sieht Investitionen von 238 Milliarden Euro für Technologie und Innovation vor. Am Dienstag soll er die Regierungsgeschäfte übernehmen. Das restliche Kabinett soll auch noch umgebildet werden – aber erst nach Neujahr.

Erst im November machte Morawiecki mit seinem „seit 40 Jahren“ gehegten „Traum“ Schlagzeilen, den stalinistischen Kultur- und Wissenschaftspalast aus Warschaus Zentrum zu entfernen, der das Stadtbild der Hauptstadt seit den 1950er Jahren prägt. Seine anti-sowjetischen Überzeugungen hat er schon in seinen Breslauer Studientagen teils militant verfolgt: als Mitglied der „Kämpfenden Solidarnosc“, die der sowjetischen Bevormundung ein schnelles Ende bereiten wollte.

Von der EU kritisierte Justizreform beschlossen

In Umfragen stehen die polnischen Nationalkonservativen mit Werten bis zu 47 Prozent als stärkste Kraft da. Die Opposition ist zersplittert. Viele Beobachter wundern sich deshalb über die Absetzung der volksnahen Szydlo. Die regierungskritische „Gazeta Wyborcza“ etwa meint, „Kaczynski schießt sich ins Knie“. Machtpolitisch sei der Wechsel „die misslungenste politische Operation in der Geschichte der Dritten Republik“.

Während die Öffentlichkeit mit dem Wechsel an der Regierungsspitze beschäftigt war, trieb die PiS im Parlament die umstrittene Justizreform voran. Laut Opposition und NGOs wie Amnesty International Polen soll diese dazu dienen, die Gerichte unter die Kontrolle der Partei zu bringen. Am Mittwoch wurden die zwei umstrittenen Gesetze zum zweiten Mal verlesen, am Freitag beschloss das Parlament die von der EU kritisierten Regelungen. (mit dpa/AFP/cwe)

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