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Regierung der nationalen Einheit: Ashraf Ghani (r.) und Abdullah Abdullah.

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Update

Neuer Präsident - Neue und alte Probleme: Afghanistan: Wahlkommission erklärt Ghani zum Präsidenten

Nach monatelangem politischen Stillstand bekommt Afghanistan eine neue Regierung. Die Wahlkommission hat Aschraf Ghani zum künftigen Präsidenten des Landes erklärt. Den erwarten gewaltige Probleme.

Afghanistan bekommt einen neuen Präsidenten. Es ist der frühere Weltbankmitarbeiter Ashraf Ghani, der die Stichwahl um das Präsidentenamt am 14. Juni gewonnen. Sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah hatte das Ergebnis allerdings nicht anerkannt, weil er massive Manipulationen ausgemacht haben wollte. Es wäre nicht das erste Mal in Afghanistan gewesen. Es folgte eine langwierige Revision der Wahlergebnisse unter Aufsicht der UN. Jetzt haben sich die beiden Kontrahenten unter Vermittlung der USA auf eine Regierung der nationalen Einheit verständigt, in der Abdullah eine Art Ministerpräsident werden soll. Diesen Posten gab es in bisher nicht. Der Chef der Wahlkommission, Jusuf Nuristani, machte am Sonntag keine Angaben zum Wahlergebnis. Er vermied ebenfalls, einen Wahlsieger zu erklären. Nuristani folgte damit Forderungen Abdullahs, der die Wahl offenkundig verloren hat.

Afghanistan soll als positive Beispiel dienen

Nach Monaten des politischen Stillstands kann in Kabul also wieder regiert werden. Das ist auch für die in Afghanistan engagierten Staaten wichtig, allen voran für die USA, aber auch für Deutschland. Denn neben der Ukraine-Krise und dem Kampf gegen den „Islamischen Staat“ im Nahen Osten käme ihnen eine Zuspitzung der Lage am Hindukusch höchst ungelegen. Afghanistan soll im Gegenteil als positives Beispiel für eine gelungene westliche Intervention herhalten. US-Außenminister John Kerry schaltete sich sogar persönlich in die Verhandlungen zwischen Ghani und Abdullah in Kabul ein. 

Dass die USA noch immer auf die Unterzeichnung eines Truppenstationierungsabkommens mit Afghanistan für die Zeit nach dem Ende der laufenden internationalen Militärmission (Isaf) warten, spielte wohl eine untergeordnete Rolle. Die Isaf-Mission läuft Ende Dezember aus, doch ein Folgeeinsatz der Nato wird parallel längst geplant. Das gilt auch für die deutsche Beteiligung. an der Mission „Resolute Support“ (Energische Unterstützung, RSM), bei der es um die weitere Ausbildung der afghanischen Streitkräfte geht und nicht mehr um eine aktive militärische Unterstützung. 600 bis 800 Bundeswehrsoldaten sind für diesen Einsatz vorgesehen. Nach Auskunft des Verteidigungsministeriums sind schon viele derzeit in Afghanistan stationierte Bundeswehrsoldaten faktisch in Sachen RSM unterwegs. „Man kann dann einfach umschalten“, so ein Ministeriumssprecher.

Die Sicherheitslage bleibt angespannt

Die Entwicklung in Afghanistan läuft allerdings alles andere als nach Plan. Die politischen Zerwürfnisse in Kabul, die nur auf Druck der USA notdürftig gekittet werden konnten, werfen kein gutes Licht auf den Demokratieprozess. Und auch die Sicherheitslage bleibt angespannt. Im Sommer haben die Aufständischen ihre Angriffe sogar deutlich verstärkt. Beobachter des „Afghanistan Analysts Network“ (AAN), einem Zusammenschluss unabhängiger Afghanistan-Experten, berichten von einer ungewöhnlich hohen Zahl von Kämpfern, die aus Pakistan ins Land einsickern.

Der einst deutsche Verantwortungsbereich fällt an Taliban zurück

Auch im ehemaligen Kommandogebiet der Bundeswehr im Norden Afghanistans machen die Aufständischen Boden gut. Nicht einmal ein Jahr nach dem Abzug der Bundeswehr aus dem Raum Kundus, wo mehrere Bundeswehrsoldaten fielen, befinden sich nach AAN-Informationen ganze Distrikte rund um die Provinzhauptstadt bereits wieder in ihrer Hand. Darunter der schon zu Zeiten des Bundeswehreinsatzes hart umkämpfte Distrikt Char Darah. Das deutsche Verteidigungsministerium interpretiert die Lage jedoch anders. Die Bundeswehr habe im Raum Kundus seit dem Abzug im Oktober 2013 „keine eigenen Augen und Ohren mehr“, wie ein Sprecher dem Tagesspiegel sagte. „Doch nach dem, was wir von den afghanischen Sicherheitskräften hören, können die Taliban eroberte Räume dort nicht halten.“

Die afghanische Polizei übernimmt die Sicherheitsverantwortung - doch vielerorts erstarken die Taliban wieder.
Die afghanische Polizei übernimmt die Sicherheitsverantwortung - doch vielerorts erstarken die Taliban wieder.

© dpa

Dennoch: In einigen Gebieten haben die Taliban bereits parallele Gerichte eingeführt und ziehen Steuern ein, wie Lola Cecchinel von AAN Anfang September berichtete. Teile der sogenannten „Afghan Local Police“, einer von den USA finanzierten Hilfstruppe, sind demnach bereits zum Gegner übergelaufen – mit Waffen und Munition. In diplomatischen Kreisen in Kabul wird außerdem schon das Schreckgespenst eines Bündnisses afghanischer Aufständischer mit dem „Islamischen Staat“ heraufbeschworen. In jedem Fall dürften die Ereignisse in Syrien und im Irak die Taliban ermutigen, ihre Angriffe auf die ohnehin schwache afghanische Demokratie zu verstärken.

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