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Politik: Neues Leben auf Kredit

Das Parlament hat gesprochen: Die erste Bank der Welt für menschliche Stammzellen wird in Großbritannien entstehen. Damit stellt sich das Vereinigte Königreich nicht nur im gesetzlichen Erlaubnisrahmen, sondern auch in der praktischen Umsetzung weltweit an die Spitze der Stammzellenforschung.

Das Parlament hat gesprochen: Die erste Bank der Welt für menschliche Stammzellen wird in Großbritannien entstehen. Damit stellt sich das Vereinigte Königreich nicht nur im gesetzlichen Erlaubnisrahmen, sondern auch in der praktischen Umsetzung weltweit an die Spitze der Stammzellenforschung. Bereits im letzten Jahr wurde das Klonen von Embryonen für Forschungszwecke erlaubt. Die geplante Bank soll Stammzellenlinien sowohl von geklonten als auch von Embryonen enthalten, die in Fruchtbarkeitskliniken als "Überschuss" anfallen, wie es in einem gestern veröffentlichten Bericht des Oberhauses heißt. Ethisch, so die Lords, gebe es keinen Unterschied, ob die Zellen von diesen überzähligen Embryonen stammten oder geklont würden.

Das Oberhaus beschreibt die Einrichtung der Stammzellenbank als "dringlich". Stammzellenlinien könnten unbefristet fortgeführt werden. Eine öffentliche Institution müsse als "Hüter" eingesetzt werden, um deren Herkunft und Qualität zu garantieren und den Umgang mit dem Material zu überwachen. Wie die gesamte Embryonalforschung wird auch die Stammzellenbank der strikten Kontrolle der "Human Fertilisation and Embryology Authority" (HFEA) unterstehen. Letzte Woche hatte die HFEA zum ersten Mal einem Ehepaar aus therapeutischen Gründen die Erlaubnis für eine Präimplantationsdiagnostik gegeben. Dabei wird der Embryo bei einer künstlichen Befruchtung vor dem Einsetzen in den Mutterleib auf genetische Defekte untersucht.

In der Empfehlung des Oberhauses heißt es, eine solche Bank könne Stammzellen auch "auf breiter Basis seriösen Wissenschaftlern zur Verfügung stellen". Ob die britische Einrichtung Stammzellen nach Deutschland exportieren würde, müsste nach den britischen Regelungen von der HFEA von Fall zu Fall entschieden werden.

In Deutschland darf nach dem Bundestagsbeschluss nur mit importierten Stammzellen geforscht werden. Die britische Gesetzgebung dagegen verbietet den kommerziellen Handel mit Embryonen und Stammzellen. Einzelheiten über die Stammzellenbank will der britische Medical Research Council, der Forschungsarm des Gesundheitsministeriums, im Juli bekannt geben.

Genforscher haben die Entscheidung der Lords begrüßt. Professor Richard Gardner vom gentechnologischen Ausschuss der Wissenschaftsakademie "Royal Society" illustrierte die Notwendigkeit der öffentlichen Kontrolle durch den Vergleich mit den USA. Dort habe Präsident Bush zwar öffentliche Gelder für die Stammzellenforschung blockiert, im kommerziellen Bereich herrsche mangels Kontrolle aber "fast Anarchie". Viele der identifizierten 67 Stammzellenlinien sind laut Gardner "dubiosen" Ursprungs. "Wir brauchen Zellen von genau definierter Herkunft, die frei von Mikroorganismen sind". Britische Wissenschaftler rechnen damit, dass in die USA ausgewanderte Kollegen jetzt wegen der neuen Forschungschancen zurückkehren.

Großbritannien gab sich im letzten Jahr die weltweit liberalste Regelung des Stammzellenkomplexes. Die Umsetzung wurde jedoch aufgeschoben, um Einwände zu prüfen, wonach für die Forschung Stammzellenlinien von Erwachsenen ausreichten. Der Bericht widerspricht dem. Zur Erforschung der Zelldifferenzierung und der Möglichkeiten, Zellen umzuprogrammieren, seien embryonale Stammzellen unabdingbar. Aus diesem Grund seien auch geklonte Embryonen notwendig. Doch werde eine zentrale Stammzellenbank bald zu einem Rückgang dieses Bedarfs führen.

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