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Schutz oder Kontrolle? Prostituierte in einem Bordell in Frankfurt am Main

© Boris Roessler/dpa

Neues Prostitutionsgesetz: Frauenverbände kritisieren "Kontrollwahn"

Frauenrat, Juristinnenbund, Diakonie und Aidshilfe weisen das geplante Prostitutionsgesetz scharf zurück. Es schütze nicht, sondern bedeute neue Gefahr für Sexarbeiterinnen.

Frauenverbände, die Diakonie und die Deutsche Aidshilfe haben ihren Protest gegen das von der Bundesregierung geplante neue Prostitutionsgesetz erneuert.

Für Prostituierte bedeute es "neue Gefahren statt Schutz", obwohl es sich diesen Schutz ausdrücklich schon in den Titel geschrieben habe, schreiben der Deutsche Frauenrat - Dachverband der deutschen Frauenverbände - der Deutsche Juristinnenbund (djb), die Aidshilfe, der Wohlfahrtsverband der evangelischen Kirche, die Diakonie, organisationen, der Berliner Frauentreff Olga und die Dortmunder Mitternachtsmission, in einer gemeinsamen Stellungnahme.

"Dieses Gesetz wird schaden statt zu schützen" und dies "bei immensen Kosten für Länder und Kommunen". Es wirke seinem eigenen Grundanliegen Schutz der Prostitutierten durch einen "überwiegenden Kontrollwahn", sagte Susanne Kahl-Passoth, die Vizevorsitzende des Frauenrats.

Bordell Europas oder schlecht umgesetzt?

Das neue "Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen" soll das seit 15 Jahren gültige Gesetz der rot-grünen Regierung Schröder ablösen. Es schaffte damals erstmals in Deutschland die Sittenwidrigkeit von Prostitution ab, womit unter anderem der Lohn für Sex einklagbar wurde.

Außerdem können sich Sexarbeiterinnen seither zur Sozialversicherung anmelden. In den Augen seiner Kritiker hat das sehr liberale Gesetz Deutschland zum Bordell Europas gemacht. Seine Verteidiger halten dagegen, dass vor allem seine Umsetzung auf der Strecke geblieben sei.

Wien: Auch angemeldete Huren Opfer von Menschenhandel

Das Bündnis von Frauen- und Hilfsorganisationen moniert vor allem die Anmeldepflicht für Sexarbeiterinnen. Noch sei völlig ungeklärt, ob in der Bescheinigung, die sie dann ständig bei sich tragen müssten, ihr Name oder ein Alias erscheine. In Bayern, wo es die Anmeldepflicht bereits gibt, berichteten Sexworker, dass ihre Daten weitergegeben worden und auch nicht, wie vorgeschrieben gelöscht worden seien, dass Bewegungsprofile von ihnen erstellt wurden und sie zwangsgeoutet wurden.

Als Mittel zur Verhinderung von Menschenhandel sei die Anmeldung untauglich. In Wien, wo es sie gebe, sei nur die Hälfte der Prostituierten angemeldet und von den Angemeldeten wiederum sei die Hälfte Opfer von Menschenhandel. Der Vorschlag des Frauenbündnisses: Das Recht sollte in diesem Punkt "bleiben, wie es ist", so Marianne Rademacher, Frauenreferentin der Deutschen Aidshilfe. Schon jetzt seien Sexworker beim Finanzamt gemeldet und müssten dies bei Kontrollen belegen. Dabei könne es bleiben.

Gesundheitsvorsorge ist erfolgreich, wenn sie freiwillig ist

Rademacher wies auch auf einen weiteren aus Sicht des Bündnisses heiklen Punkt des Gesetzesvorhabens hin. Es führe jenen Zwang in der Gesundheitsvorsorge wieder ein, von dem der Staat sich "vor 15 Jahren mit gutem Grund verabschiedet" habe. Im Infektionsschutzgesetz vom 1. Januar 2001 habe der Gesetzgeber die Anonymität der Beratung festgeschrieben, während das geplante Prostitutionsgesetz Sexworker sie dazu ebenso verpflichte wie es den Kondomgebrauch erzwingen wolle.

"In Deutschland ist Prävention so erfolgreich, weil sie freiwillig ist und stark beworben wird, etwa in der öffentlichen Kondom-Kampagne." Maria Loheide, die im Vorstand der Diakonie für Soziales zuständig ist, hält schon den Beratungsbegriff im Gesetz für "nicht fachlich", denn Beratung dürfe "die Entscheidungsautonomie der Beratenen nicht einschränken".

"Viel Unwissen in der Politik"

Verwundert zeigte sich Vertreterinnen des Bündnisses bei einer Pressekonferenz darüber, dass die Regierungsfraktionen "wie eine Betonwand" auf kritische Einwände reagiere. "Die Kritik der Fachwelt ist einhellig", sagte Aidshilfe-Sprecher Holger Wicht, auch Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen seien gegen den Gesetzentwurf. "Trotzdem wird das Vorhaben weiterbetrieben, das ist schon bemerkenswert."

Loheide zeigte sich "erstaunt, wie viel Unwissen" im Parlament darüber sei, was einzelne der geplanten Maßnahmen auslösten. Die Ministerin selbst, so Frauenrats-Sprecherin Ulrike Helwerth, habe bei einem Treffen ihren eigenen Beratungsbedarf bekannt; von Konsequenzen wisse man nichts.

Ja zu Auflagen für Bordelle

Maria Wersig, die im Juristinnenbund die Kommission Recht der sozialen Sicherung leitet, äußerte die Hoffnung, dass im weiteren Verfahren noch Änderungen am Gesetz möglich sind - schließlich sei es auch zwischen Ländern und Bund "durchaus umstritten". Die Länder haben Anfang September ihre Stellungnahmen nach Berlin geschickt.

Veröffentlicht hat seine sehr harte Kritik als einziges Land bisher Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf lehnt das schwarz-rote Vorhaben ab, äußerte sich aber positiv zu stärkeren Auflagen für Bordelle und Bordellbetreiberinnen. In diesem Punkt ist auch das Bündnis der Frauenverbände einverstanden mit der Novelle.

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