zum Hauptinhalt

Neuseeland: „Jedes Land hat eine Verantwortung“

Neuseelands Premierministerin Helen Clark im Gespräch mit dem Tagesspiegel über den Klimawandel und was Schafe damit zu tun haben.

Anfang des Jahres haben Sie angekündigt, dass Neuseeland das erste kohlenstoffneutrale Land der Welt werden soll …

Das ist unser Ehrgeiz.

Wie soll das gehen?

Der Klimawandel trifft uns wirtschaftlich. Wenn das Klima weniger stabil ist – und das erleben wir bereits – ist das schlecht für unsere Landwirtschaft. Und da der Klimawandel ein globales Problem ist, müssen wir auch Teil der Lösung sein. Selbst wenn unsere Treibhausgasemissionen im Weltmaßstab nur einen kleinen Teil ausmachen. Wir können nicht anderen predigen, ohne selbst etwas zu tun. Außerdem könnte Untätigkeit unsere Tourismusindustrie gefährden. Wir leben schließlich von unserem Image, eine grüne und saubere Insel zu sein.

Bisher scheinen Ihre Bemühungen nicht viel Wirkung zu haben. Neuseeland ist weit von seinen Klimazielen aus dem Kyoto-Protokoll entfernt. Es hätte seine Emissionen auf dem Niveau von 1990 stabilisieren müssen. Tatsächlich sind sie seither um 24,7 Prozent gewachsen.

Wir haben unsere Klimaschutzstrategie grundlegend verändert. Noch vor Weihnachten wird das Parlament über ein Emissionshandelssystem entscheiden, das bis 2013 sämtliche Wirtschaftssektoren umfassen soll. Im europäischen Emissionshandelssystem sind nur etwa 30 Prozent des Kohlendioxidausstoßes erfasst. Wir werden alle Treibhausgase in den Handel einbeziehen. Zudem arbeiten wir daran, unser Handelssystem mit anderen Systemen auf der Welt zu verknüpfen. Das Emissionshandelssystem wird das Kernstück unserer neuen Klimapolitik sein.

Wie soll der Handel mit Emissionsrechten konkret aussehen?

Wir fangen im kommenden Jahr mit der Forstwirtschaft an. Damit wollen wir die Entwaldung stoppen. Außerdem streben wir an, bis 2020 weitere 250 000 Hektar neu aufzuforsten. Wenn man den Wald einfach nur dem Markt überlässt, ist das schlecht für die Umwelt. In Neuseeland sind die Holzpreise niedrig und die Milchpreise hoch. Deshalb wurden Wälder abgeholzt, um Weiden für Kühe zu gewinnen. Im Jahr 2009 wollen wir den Verkehr in den Handel einbeziehen. Wiederum ein Jahr später folgen die Energiewirtschaft und die Industrie. Im Jahr 2013 schließlich kommen die Landwirtschaft und die Abfallwirtschaft mit dazu.

Warum erst dann?

Das ist die letzte Gruppe, weil die Hälfte unserer Emissionen von Tieren kommt. Also Methan, das Kühe und Schafe produzieren. 20 Prozent unserer Emissionen bestehen aus Stickstoffoxiden, überwiegend von Dünger und den Tierausscheidungen. Da haben wir aber gerade einen technischen Durchbruch erzielt. Es gibt Stickoxid-Hemmstoffe, die auf das Land gesprüht werden und die Emissionen nahezu neutralisieren können. Methan ist viel schwieriger. Da muss noch viel geforscht werden über die Tierphysiologie und die Ernährung der Tiere. Wir wollen ein internationales Forschungsnetzwerk dazu schaffen. Auch Europa hat ein Problem mit Methan aus der Landwirtschaft.

Wir haben einfach zu viele Tiere …

Zumindest ist die Intensität der Tierhaltung sehr hoch. Das ist in Neuseeland anders, wo die Tiere das ganze Jahr auf der Weide stehen. Deshalb ist unser Lammfleisch auch unter Klimagesichtspunkten selbst dann britischem Lamm überlegen, wenn es per Schiff von Neuseeland nach Großbritannien transportiert wird.

Was haben Sie noch vor?

Wir wollen bis 2025 rund 90 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Quellen produzieren. Das können wir schaffen. Schon heute stammen mehr als 60 Prozent aus Wasserkraft, Geothermie, Sonnen- oder Windkraft. Und wir haben bereits eine Initiative, um aus Wäldern dauerhafte Klimasenken zu machen, die Kohlendioxid speichern. Einer unserer Maoristämme hat als Erstes einen Vertrag über 30 000 Hektar abgeschlossen. Damit können wir empfindliche Berglandschaften stabilisieren. Denn die stärkeren Regenfälle führen zu schweren Überschwemmungen in den Tälern, wenn das Wasser nicht gehalten werden kann. Und das ist wirklich teuer, wenn es passiert. Das ist ein Beitrag zur Vermeidung von Treibhausgasen und zur Anpassung an den Klimawandel.

Können Sie mit dem Emissionshandel ihre Kyoto-Ziele noch erreichen?

Vermutlich nicht. Was wir jetzt tun, wird uns aber in die Lage versetzen, weitaus anspruchsvollere Vorgaben in der Zukunft zu erfüllen. Wir werden für unsere Kyoto-Verpflichtungen bezahlen müssen, für das, was wir nicht schaffen.

Neuseeland wird also von anderen Staaten Emissionsrechte kaufen. Was erwarten Sie vom UN-Klimagipfel auf Bali, der in der kommenden Woche beginnt?

Wir sind überzeugt, dass jedes Land eine Verantwortung hat, nicht nur die Industrieländer. Deutschland, Neuseeland und China, alle müssen einen Beitrag leisten.

Was ist Neuseeland bereit anzubieten?

Das muss erst einmal verhandelt werden. Aber wir denken, dass man die Emissionen der großen Landwirtschaftsnationen etwas anders bewerten sollte. Die Welt muss schließlich ernährt werden.

Das Gespräch führte Dagmar Dehmer.

Helen Clark (57) ist seit 1999 Premierministerin Neuseelands. Die Sozialdemokratin gab den marktradikalen Reformen ihres Landes eine soziale Note. Derzeit regiert sie mit den Grünen.

Zur Startseite