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Politik: Neuwahl in Hessen?: Ein Gericht vor Gericht

Der Chef der Wiesbadener Staatskanzlei, Jochen Riebel (CDU), sprach von einem "ungewöhnlichen Weg", als er am Dienstag vor dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts die Normenkontrollklage seiner Landesregierung gegen das hessische Wahlprüfungsrecht begründete. Seine Regierung habe gegen die eigene Verfassung klagen müssen, um einen schweren Verfassungskonflikt zu vermeiden, sagte Riebel.

Der Chef der Wiesbadener Staatskanzlei, Jochen Riebel (CDU), sprach von einem "ungewöhnlichen Weg", als er am Dienstag vor dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts die Normenkontrollklage seiner Landesregierung gegen das hessische Wahlprüfungsrecht begründete. Seine Regierung habe gegen die eigene Verfassung klagen müssen, um einen schweren Verfassungskonflikt zu vermeiden, sagte Riebel. Er verwahrte sich gegen den Vorwurf des "institutionellen Rechtsmissbrauchs", den die Wiesbadener Landtagsopposition erhoben hatte.

Sollte das Wahlprüfungsgericht, das im März den Einsatz von nicht deklariertem Geld aus dem Auslandsvermögen im Landtagswahlkampf der hessischen CDU als sittenwidrig bewertet hatte, die Wahl von 1999 deshalb annullieren, wäre der Landtag mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Der hessische Staatsgerichtshof als eine zweite Instanz berge zahlreiche Unwägbarkeiten. Mit einer Einstweiligen Anordnung könne man einen bereits aufgelösten Landtag nicht wieder einsetzen, das sei ein "demokratietheoretisches Unding", sagte der Minister.

Ihm widersprach der von der SPD-Landtagsfraktion aufgebotene Parteienrechtler Martin Morlok. Mit seiner Entscheidung im August habe der hessische Staatsgerichtshof die möglichen Unklarheiten des Instanzenwegs aufgelöst. Das hessische Verfassungsgericht hatte sich in "rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht" als Prüfungsinstanz für eine Entscheidung des Wahlprüfungsgerichts bezeichnet und die Möglichkeit der einstweiligen Aussetzung eines Urteils dieses Gremiums festgestellt.

Zweiter Kritikpunkt der CDU-geführten Landesregierung ist die Verfassungsbestimmung, dass eine Wahl für nichtig erklärt werden kann, wenn "sittenwidrige" Handlungen entscheidenden Einfluss hatten. Der Bevollmächtigte der Landesregierung, Gunter Widmayer, nannte diese Formulierung zu unbestimmt, sie öffne "Tor und Tür" für jedwede Anfechtung der Wahl. Allenfalls Fehler im Wahlverfahren und grobe Regelverletzungen dürften zur Aufhebung einer Wahl führen; im Übrigen rügte Widmayer die Zusammensetzung des Gremiums, dem nach hessischer Verfassung die beiden obersten Richter des Landes und drei Landtagsabgeordnete angehören; die Bestimmungen der hessischen Wahlprüfung überließen die schwerwiegende Entscheidung zur Aufhebung des Landtags einem Gremium, das wegen der eigenen Betroffenheit der Landtagsabgeordneten nicht mal ein "Gericht im Rechtssinne" sei. "Wir sind auf ihre Hilfe angewiesen", plädierte Riebel an die Richter.

Hans Meyer, Bevollmächtigter des Bundestages und früherer Präsident der Humboldt-Universität, verteidigte den entscheidenden Begriff der Sittenwidrigkeit: "Mit solchen Klauseln weiß die Justiz umzugehen." Die hessische Verfassung sehe neben der Prüfung der Sittenwidrigkeit zusätzlich die der Kausalität vor. Nur wenn eine sittenwidrige Handlung für den Wahlausgang erheblich sei, könne das Wahlprüfungsgericht die Wahl annullieren.

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