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Neuwahlen: Schlammschlacht im polnischen Wahlkampf

Im Herbst wählen die Polen ein neues Parlament. Die Politiker versuchen sich mit antideutschen Äußerungen gegenseitig zu übertrumpfen.

Es ist gerade mal eine Woche her, seit der polnische Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski die Minister seiner bisherigen Koalitionspartner entließ und seitdem allein mit seiner nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ohne parlamentarische Mehrheit regiert. Neuwahlen im Herbst sollen die politischen Kräfte im Warschauer Parlament noch im Oktober neu mischen. Obwohl der dazu notwendige Parlamentsbeschluss zur Selbstauflösung erst im September gefasst werden soll, hat der Wahlkampf bereits begonnen. "Es wird eine brutale Kampagne", zeigte sich Szymon Pawlowski von der nationalistischen Liga Polnischer Familien in einer Fernsehdiskussion sicher.

Kaczynski selbst lieferte in einem Interview mit dem Magazin "Wprost" bereits eine Vorlage, die viele an den Präsidentschaftswahlkampf im Herbst 2005 erinnert: Die liberale Bürgerplattform (PO) sei "abhängig von den Deutschen", warnte er. Sollte die bisher größte Oppositionsplattform siegen, sei dies "die Abkehr von unserer harten Politik". Vor allem vom PO-Vorsitzenden Donald Tusk drohe Gefahr, da er fasziniert sei vom "Danziger Deutschtum".

Scharfe Kritik an Kaczynskis Außenpolitik

Tusk war im Präsidentschaftswahlkampf vor zwei Jahren in der Stichwahl Kaczynskis Zwillingsbruder Lech Kaczynski unterlegen. Zuvor hatte ein PiS-Abgeordneter und Kaczynski-Vertrauter das Gerücht verbreitet, Tusks Großvater sei im Zweiten Weltkrieg Freiwilliger der deutschen Wehrmacht gewesen.

Tusk selbst schweigt bisher zu Kaczynskis neuem Angriff; sein Parteivize, der stellvertretende Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski, holte zum Gegenschlag aus. Die Außenpolitik der PiS habe vor allem dazu geführt, dass "die Beziehungen Polens mit seinen ausländischen Partnern an allen Fronten verdorben sind". Die PO werde sich im Falle eines Wahlsieges um eine Verbesserung des Verhältnisses zu Deutschland, Russland und der EU bemühen, sagte er im polnischen Rundfunk. "Es gab und gibt keine deutsch-polnische Partnerschaft, es gibt eine Politik der Ablehnung und des Misstrauens", meinte er zur polnischen Außenpolitik unter Chefdiplomatin Anna Fotyga, einer engen Vertrauten Lech Kaczynskis.

Enthüllungen angedroht

Die LPR, bis zur vergangenen Woche Mitglied der Regierungskoalition, greift mittlerweile die bisherigen Partner wie auch die Opposition an. "PiS und PO sind genauso prodeutsch", schimpfte Pawlowski. Seine Partei wetteifert derzeit mit der PiS darum, wer am eifrigsten gegen deutsche Entschädigungsklagen auftritt. Andrzej Lepper, Vorsitzender der radikalen Bauernpartei Samoobrona und bis Anfang Juli stellvertretender Regierungschef in Kaczynskis Kabinett, droht derweil mit der Veröffentlichung von Tonbändern, deren Inhalt Kaczynski "in einem sehr schlechten Licht" zeigen würde.

Auch auf die Enthüllungen des von Kaczynski entlassenen Innenministers Janusz Kaczmarek sind die Polen bereits gespannt. Einen politischen Skandal werde es geben, der den Vergleich zum Watergate-Skandal nicht scheuen müsse, versprach der LPR-Vorsitzende Roman Giertych, dessen Partei Kaczmarek nun als Kandidaten für das Amt des Regierungschefs aufstellen will.

"Wir leben in einem schwerkranken Land"

Angesichts eines Wahlkampfs, der zur Schlammschlacht werden dürfte, will der als Hoffnungsträger des Mitte-Links-Bündnisses geltende Ex-Präsident Aleksander Kwasniewski nicht für einen Sitz im Parlament kandidieren. "Wir leben in einem schwerkranken Land, wenn es um die Qualität des öffentlichen Lebens geht, und wir müssen es heilen", sagte er im Nachrichtensender TVN 24. Als ehemaliges Staatsoberhaupt wolle er aber lieber moralische Autorität sein, als sich in die Niederungen des Wahlkampfs zu begeben: "Noblesse oblige."

Eva Krafczyk[dpa]

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