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Flüchtlinge im Bahnhof in Mannheim.

© dpa

Newsblog Flüchtlinge: Angela Merkel ruft Europa zum Zusammenhalt auf

Die EU-Innenminister wollen 120.000 Flüchtlinge in Europa verteilen. Die Slowakei stellt sich quer. Und Kanzlerin Merkel ruft zum Zusammenhalt auf. Die Entwicklungen im Newsblog.

Merkel ruft zum Zusammenhalt Europas auf: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zum gemeinsamen Handeln Europas in der Flüchtlingskrise aufgerufen. „Wer vor Krieg und politischer Verfolgung flieht, kann in Europa Zuflucht finden - ich sage in Europa“, betonte Merkel am Dienstagabend in Berlin. Die Herausforderungen müssten „mit offenem Herzen“ angegangen werden. Bei einem Festakt zum 70. Geburtstag von Hans-Gerd Pöttering, dem Vorsitzenden der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, sagte Merkel: „Dass wir es schaffen, steht für mich außer Frage“, wenn auch „nicht über Nacht“. Und sie fügte hinzu: „Je mehr wir gemeinsam an einem Strang ziehen, umso schneller schaffen wir es.“ Merkel wandte sich erneut gegen fremdenfeindliche Übergriffe und rechtsextremistische Gewalt. „Es gibt keine Toleranz gegenüber denen, die die Würde des Menschen infrage stellen.“

Slowakei will sich nicht an EU-Mehrheitsentscheid halten: Die Slowakei will den in Brüssel getroffenen Mehrheitsentscheid zur Verteilung der Flüchtlinge nicht akzeptieren. Der sozialdemokratische Regierungschef Robert Fico kündigte noch am Dienstagabend einen Konfrontationskurs gegen die EU-Partner an: „Lieber gehe ich in ein Strafverfahren gegen die Slowakei als dass ich dieses Diktat respektiere“, sagte er in einer Parlamentsrede in Bratislava. Heftig kritisierte er die Entscheidungsfindung: „Es ist noch nie vorgekommen, dass Meinungen, für die Länder rationale Argumente hatten, (...) von einer Mehrheit einfach niedergewalzt wurden, nur weil sie nicht fähig war, einen Konsens zu finden.“

Gegen Widerstand - die EU ist gespalten: Gegen den Widerstand mehrerer osteuropäischer Staaten haben die EU-Innenminister im zweiten Anlauf eine Umsiedlung von Flüchtlingen innerhalb Europas beschlossen. Bei ihrer Krisensitzung am Dienstag in Brüssel beschlossen sie, dass 120 000 Asylbewerber vorrangig aus Griechenland und Italien gleichmäßig auf die Mitgliedstaaten zu verteilen. "Mit dieser Entscheidung", sagte der Luxemburger Minister Jean Asselborn als derzeitiger Ratsvorsitzender, "kann die EU die Lage wieder in den Griff bekommen."

Das Votum fiel nicht einstimmig. Tschechien, Ungarn, Rumänien und die Slowakei stimmten - obwohl nicht mehr von einer Quote die Rede ist und damit auch kein dauerhafter Verteilungsschlüssel eingeführt wird - gegen den Kompromissvorschlag. Finnland enthielt sich. "Ich hätte einen Konsens vorgezogen, doch das haben wir nicht geschafft", sagte Asselborn: "Manche werden jetzt sagen, die EU sei gespalten, aber wir befinden uns in einer Notlage, in der die Fähigkeit der Gemeinschaft zu handeln in Frage stand."

Die notwendige Mehrheit kam nur deshalb zustande, weil Polen aus dem Lager der Nein-Sager ausschied und den Block der sogenannten Visegrad-Staaten auseinandertrieb. "Wir haben dafür gearbeitet, dass Polen dabei ist", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach der Sitzung, die "ein wichtiger Baustein" zur Lösung der Flüchtlingskrise sei: "Heute ist ein wichtiger Schritt gegangen worden - weitere müssen und werden folgen."

Alle Staaten müssen Italien und Griechenland nun im Laufe von zwei Jahren 66 000 Flüchtlinge abnehmen. Das restliche Kontingent von 54 000 Flüchtlingen, die dem Vorschlag der EU-Kommission zufolge Ungarn abgenommen werden sollten, stehen nun theoretisch auch anderen Ländern zur Verfügung, weil die Regierung in Budapest sich überhaupt nicht an einer Verteilungslösung beteiligen wollte und die meisten der Asylbewerber im Land schon an die Grenze zu Österreich gebracht hat. De Maizière wies darauf hin, dass dadurch nicht nur weniger Menschen über die Balkanroute in die Bundesrepublik kommen würden, sondern Deutschland nach einem entsprechenden Kommissionsvorschlag auch direkt Flüchtlinge abgeben könnte: "Das wäre dann eine zusätzliche Entlastung."

6000 Euro aus dem EU-Haushalt bekommt jedes Land pro Flüchtling, der aus einem anderen Land dorthin gebracht wird. Anspruch auf Sozialleistungen wird er nur in dem Land haben, dem er zugeteilt wurde - dies soll verhindern, dass die Asylbewerber doch in ihr bevorzugtes Land gehen. Unter "außergewöhnlichen Umständen" kann sich ein Land bis zu 30 Prozent und für maximal zwölf Monate aus dem Verteilungsmechanismus ausklinken.

Der Luxemburger Ratschef Asselborn sagte, er gehe davon aus, dass alle Länder den Beschluss umsetzen würden, da er nun geltendes EU-Recht sei. Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans sagte, die Länder, die mit Nein gestimmt haben, hätten die Entscheidung anschließend akzeptiert. Dagegen sagte der slowakische Minister Robert Kalinak im Anschluss, sein Land werde nun eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof prüfen.

EU-Innenminister beschließen Verteilung von Flüchtlingen: Die EU-Innenminister haben bei ihrem Sondertreffen die Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen in Europa beschlossen. Die Entscheidung sei "durch eine große Mehrheit von Mitgliedstaaten" gefasst worden, teilte die luxemburgische EU-Ratspräsidentschaft am Dienstag im Kurzbotschaftendienst Twitter mit. Gegen die Umverteilung von Flüchtlingen aus stark belasteten Ankunftsländern wie Italien und Griechenland hatte sich bis zuletzt eine Reihe osteuropäischer Staaten gewehrt. Die Entscheidung wurde mit einer qualifizierten Mehrheit der versammelten Innenminister getroffen. Zu Beginn der vergangenen Woche hatten die EU-Innenminister im Streit um die Flüchtlingsquoten noch davor zurückgeschreckt, die Minderheit der osteuropäischen Staaten per qualifizierter Mehrheit zu überstimmen. Innenminister Thomas de Maizière erklärte nach der Sitzung, dass der luxemburgische Ratspräsident Jean Asselborn diesmal am Ende der Sitzung nach Gegenstimmen gefragt habe. Ungarn, Rumänien, Tschechien und die Slowakei stimmten nach den Angaben von Diplomaten gegen den Quoten-Kompromiss. Es sei wichtig, dass Polen zu den Staaten gehöre, die den Beschluss unterstützten, sagte de Maizière.

Deutschland könnte durch den Beschluss entlastet werden: Von dem Beschluss der EU-Innenminister zur Umverteilung von Flüchtlingen in Europa könnte auch Deutschland profitieren. 54.000 der 120.000 Flüchtlinge, die verteilt werden sollen, könnten aus anderen Ländern als Italien oder Griechenland kommen, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Dienstag nach einem Sondertreffen mit seinen Kollegen in Brüssel. Alle EU-Länder in einer "besonderen Notsituation" könnten eine Entlastung beantragen. "Das könnte auch Deutschland sein und wäre insoweit auch eine zusätzliche Entlastung", sagte de Maiziére. "Ob wir das tun, ist eine andere Frage."

Die Innenminister hatten die Umverteilung zuvor gegen den Widerstand osteuropäischer Staaten per Mehrheitsvotum beschlossen. Tschechien, Rumänien, die Slowakei und Ungarn stimmten dagegen, Finnland enthielt sich. De Maizière zufolge wird sich Deutschland bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Umverteilungsmechanismus in den kommenden beiden Jahren "in einer Größenordnung von etwas über 30.000 Personen" beteiligen.

Wichtig sei eine Vereinbarung zur Vermeidung von Sekundärmigration, sagte der Minister. Demnach müssen Flüchtlinge in dem EU-Land bleiben, auf das sie verteilt wurden. Der Beschluss zur Umverteilung sei "ein wichtiger Baustein" im Vorgehen gegen die Flüchtlingskrise, sagte de Maizière. Die Entscheidung sei "ein erster Schritt, weitere werden und müssen folgen". Zu einer Lösung gehöre aber auch "die Begrenzung des Zuzugs nach Europa" sowie entschlossene Abschiebungen "von nicht schutzbedürftigen Personen", sagte der Minister.

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Seehofer kritisiert Kanzlerin: CSU-Chef Horst Seehofer hat von Bundeskanzlerin Merkel in der Flüchtlingskrise ein Bekenntnis zu Recht und Ordnung verlangt. Es gehe jetzt darum, vernünftig zu handeln und sich an die geltenden Regeln zu halten, sagte Seehofer am Dienstag vor einer Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion im fränkischen Kloster Banz vor Journalisten. "Die Regeln wurden von Deutschland außer Kraft gesetzt", sagte Seehofer weiter. "Dazu muss man auch mal ein klares Wort sagen."

Seehofer forderte EU, Bund und Länder ultimativ und in scharfer Form zum Handeln auf. Der bayerische Ministerpräsident machte klar, dass er eine übermäßige Belastung Bayerns nicht länger hinnehmen will. Seehofer forderte eine gerechte Verteilung der Menschen innerhalb Deutschlands und Europas - und eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen. Ein schnelles Ende der Grenzkontrollen schloss der CSU-Chef aus. In der EU müsse „endlich Zusammenarbeit und Solidarität“ einkehren, forderte Seehofer. Und auch in Deutschland müsse es nun endlich eine „Verantwortungsgemeinschaft“ geben. „So kann die Arbeitsteilung nicht sein, dass die einen für die Moral und die Menschlichkeit sind, und die anderen sind für die Arbeit und für die Ressourcen zuständig.“

Sollte es beim EU-Gipfel am Mittwoch und dem Treffen von Bund und Ländern am Donnerstag keine Entscheidungen geben, werde Bayern nicht das letzte Land sein, dass sich noch an Regeln halte, warnte Seehofer nach Teilnehmerangaben in seiner Rede vor den CSU-Abgeordneten. Insbesondere Berlin beschuldigte er, dort gebe es nur „warme Worte“ und „nutzlose Ortstermine“. Was er im Falle einer Nicht-Einigung in Brüssel oder Berlin unternehmen will, ließ er aber zunächst offen.

Der bayerische Ministerpräsident, Horst Seehofer (CSU), wettert gegen das Krisenmanagement der Kanzlerin.
Der bayerische Ministerpräsident, Horst Seehofer (CSU), wettert gegen das Krisenmanagement der Kanzlerin.

© dpa/Nicolas Armer

Merkel und finnischer Ministerpräsident wollen Fluchtursachen bekämpfen: Bundeskanzlerin Angela Merkel und der finnische Regierungschef Juha Sipilä sind sich darin einig, dass vorrangiges Ziel bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise sei, die Ursachen der Flucht sowohl in den Herkunftsländern der Flüchtlinge als auch in den Flüchtlingslagern in den angrenzenden Ländern zu bekämpfen. Das sagten sie im Anschluss an ein Gespräch im Kanzleramt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will vor allem Flucht-Ursachen bekämpfen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will vor allem Flucht-Ursachen bekämpfen.

© AFP

Der gesamte Flüchtlingsprozess laufe derzeit sehr ungeordnet ab, sagte Merkel. Gebraucht würden Ordnungssignale, dazu gehöre der Schutz der Außengrenzen. Dies werde nicht ohne Unterstützung der Türkei gehen. In Libyen müsse wieder eine stabile Regierung an die Macht kommen. Es gebe Auswirkungen auch auf Deutschland, aber "Angst ist kein guter Ratgeber", sagte sie. Das Problem werde durch Zäune nicht in den Griff zu bekommen sein, sondern nur durch Bekämpfung der Ursachen.

Verfassungsschutz warnt vor Missbrauch durch Islamisten: Der Verfassungsschutz befürchtet angesichts des Flüchtlingsandrangs einen starken Anstieg der Zahl radikaler Islamisten in der Bundesrepublik. „Es bereitet uns große Sorge, dass Islamisten in Deutschland unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe versuchen, die Situation der Flüchtlinge gezielt für ihre Zwecke zu missbrauchen, Asylbewerber zu missionieren und zu rekrutieren“, sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen. „Unser Augenmerk liegt besonders auf jugendlichen unbegleiteten Flüchtlingen, die eine leichte Beute der Islamisten sein könnten.“ Hier liege erhebliches Radikalisierungspotenzial.
Zugleich sagte Maaßen, seiner Behörde lägen bislang „keine belastbaren Erkenntnisse vor, dass dschihadistische Gruppierungen die Flüchtlingsströme zielgerichtet zur Infiltration des Bundesgebietes durch Einzeltäter oder Gruppen genutzt haben“. Es gebe aber immer wieder entsprechende Hinweise, denen die Verfassungsschutzbehörden und die Polizei in jedem Einzelfall umfassend nachgingen.

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, fürchtet eine Radikalisierung von Flüchtlingen.
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, fürchtet eine Radikalisierung von Flüchtlingen.

© dpa/Stephanie Pilick

Keine Züge zwischen Salzburg und München bis 4. Oktober: Als Folge der Flüchtlingskrise bleibt der reguläre Zugverkehr zwischen Salzburg und München noch bis mindestens 4. Oktober eingestellt. Das teilten die Deutsche Bahn und die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) am Dienstag mit. Die Zugverbindung war am 17. September wegen der wieder eingeführten Grenzkontrollen am Übergang von Österreich nach Deutschland unterbrochen worden. Die Züge würden durch die Kontrollen so lange aufgehalten, dass die Bahn ihren Fahrplan nicht mehr einhalten könne, hieß es zur Begründung. Fahrgäste nach München müssten von Salzburg aus weiterhin mit dem Bus oder dem Taxi nach Freilassing fahren, da es keinen Schienenersatzverkehr gebe, sagte ÖBB-Sprecher Rene Zumtobel am Dienstag.

Weiterhin großer Andrang von Flüchtlingen in Österreich: Am Montag sind laut Behördenangaben weitere 10.000 Flüchtlinge nach Österreich gekommen. 8600 von hätten in betreuten Notquartieren übernachtet, 800 weitere verbrachten in Sammelstellen, berichtete am Dienstag Gerry Foitik vom Österreichischen Roten Kreuz. Das Zielland der meisten Flüchtlinge sei weiterhin Deutschland. Neben Bussen und Sonderzügen seien viele Migranten auch über die Grüne Grenze nach Deutschland weitergezogen.

Rotes Kreuz besorgt Betten aus Kanada und den USA: Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat für Flüchtlinge insgesamt rund 15.000 Feldbetten aus Nordamerika nach Deutschland einfliegen lassen. Die letzte Lieferung von etwa 1000 Betten erreichte per Lufthansa-Frachtmaschine am Dienstagmorgen Frankfurt. Für das DRK sei die Spende des Amerikanischen und Kanadischen Roten Kreuzes „sehr ungewöhnlich“, sagte Generalsekretär Christian Reuter. Normalerweise liefere das Deutsche Rote Kreuz Hilfsgüter in andere Länder. In Zeiten einer „humanitären Notlage in Deutschland“ müssten ungewöhnliche Wege beschritten werden. Seit vergangenem Donnerstag hatte die Lufthansa mit insgesamt zwölf Linienflügen die Feldbetten aus der US-amerikanischen Hauptstadt Washington nach Frankfurt und München geflogen.

Die Bahn stellt wegen der Grenzkontrollen den regulären Zugverkehr zwischen München und Salzburg erst einmal ein.
Die Bahn stellt wegen der Grenzkontrollen den regulären Zugverkehr zwischen München und Salzburg erst einmal ein.

© dpa/Andreas Gebert

Neuer Flüchtlingskoordinator in der Hauptstadt: Der frühere Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch wird neuer Flüchtlingsstaatssekretär in Berlin. Er soll zusammen mit Sozialstaatssekretär Dirk Gerstle (CDU) den landesweiten Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement leiten, wie der Senat am Dienstag offiziell mitteilte. Glietschs Stelle soll offenbar der Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) zugeordnet werden. Im Berliner Flüchtlingsstab werde Glietsch künftig die organisatorische Leitung übernehmen, Gerstle die fachliche, hieß es weiter. Der 68-jährige Glietsch war von 2002 bis 2011 Polizeipräsident.

Vizekanzler in jordanischem Flüchtlingslager: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (beide SPD), haben am Dienstag das größte Flüchtlingslager in Jordanien, Saatari, besucht. Die ursprünglich für 25.000 Menschen geplante Siedlung beherbergt inzwischen rund 80.000 Menschen, die vor allem vor dem Bürgerkrieg im benachbarten Syrien geflohen sind. Der Vize-Kanzler und die Flüchtlingsbeauftragte machten sich ein Bild von der aktuellen Lage im Lager. Zunehmend versuchen Flüchtlinge, das Lager in Richtung Europa zu verlassen. Jordanien zählt neben der Türkei und dem Libanon zu den Hauptaufnahmeländern für Flüchtlinge aus Syrien. Gabriel trifft heute auch mit dem jordanischen König Abdallah II. zusammen.

Jedes Bett wird gebraucht: Ein Helfer verteilt in einer Erstaufnahmestelle bei Hamburg Campingmatratzen und Schlafsäcke.
Jedes Bett wird gebraucht: Ein Helfer verteilt in einer Erstaufnahmestelle bei Hamburg Campingmatratzen und Schlafsäcke.

© Christian Charisius/dpa

CSU-Politiker Singhammer sieht Grenze von Deutschlands Aufnahmebereitschaft erreicht: Vor der Sitzung der Unionsfraktion am Dienstagnachmittag kommt aus der CSU Kritik am Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingspolitik. Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Mein Rat an die Kanzlerin ist zu erklären, dass Deutschland derzeit nicht in der Lage ist, weiter größere Zahlen an Flüchtlingen aufzunehmen." Singhammer vertrat die Ansicht, dass die Aufnahmebereitschaft Deutschlands an ihre Grenzen gelangt sei. Die Kanzlerin hatte hingegen angesichts des starken Zuzugs von Flüchtlingen erklärt: "Wir schaffen das." Auch CSU-Chef Horst Seehofer will sich am Dienstagnachmittag auf der traditionellen Klausurtagung der bayerischen CSU-Landtagsfraktion in Kloster Banz in einer Rede zur Flüchtlingspolitik äußern. Am Mittwoch wird der wegen seiner harten Haltung gegenüber Flüchtlingen in der Kritik stehende ungarische Regierungschef Viktor Orban als Gast erwartet.

Abstimmung mit Finnland: Kurz vor dem EU-Sondergipfel zur Flüchtlingskrise, der am Mittwoch in Brüssel tagen wird, kommt der finnische Regierungschef Juha Sipilä heute zu politischen Gesprächen nach Berlin. Der politisch in der Mitte stehende Sipilä macht sich für Solidarität mit den Flüchtlingen stark. Er hatte kürzlich angekündigt, sein Landhaus für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Flüchtlingslager in Saatari in Jordanien.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Flüchtlingslager in Saatari in Jordanien.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Kritik aus Kroatien an der Bundeskanzlerin: Die kroatische Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic hat die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel heftig kritisiert. „Frau Merkel hat sie (die Flüchtlinge) gerufen und hat jetzt die Handbremse gezogen, indem sie sagt, Deutschland kann nicht all diese Wirtschaftsmigranten aufnehmen“, sagte das Staatsoberhaupt dem Fernsehsender TV Nova am Montagabend in Zagreb. „Frau Merkel hat das gemacht als ob sie sich nicht bewusst gewesen wäre, dass das Ziehen der Handbremse bei einer Fahrt mit so vielen Autos ein Chaos auf der Straße anrichten wird. Das muss jetzt gelöst werden“.

Grüne schlagen Drei-Punkte-Plan vor: Eine gemeinsame Flüchtlingspolitik müsse "aus der Perspektive der Schutzsuchenden wie der Mitgliedstaaten als gerecht und solidarisch empfunden" werden, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, dem "Handelsblatt" (Online-Ausgabe). Die Grünen schlagen drei Punkte für eine "Neubegründung einer gemeinsamen Europäischen Flüchtlingspolitik" vor. Erstens: Einheitliche Mindeststandards beim Flüchtlingsschutz. "In allen Mitgliedsstaaten müssen rechtsstaatliche Verfahren, Zugang zu effektivem Rechtsschutz und anwaltlicher Beratung sowie eine menschenwürdige Unterbringung und Existenzsicherung gewährleistet werden", sagte Beck. Zweitens: Ausgleich der Kosten der Aufnahme durch die EU. "Dies ließe sich zum Beispiel durch Pro-Kopf-Leistungen aus einem EU-Flüchtlingsbudget gewährleisten", sagte Beck. Drittens: Eine quotenmäßige Verteilung von Schutzsuchenden auf die Mitgliedsstaaten, die "ohne Inhaftierung" auskommen müsse und die Rechte und Bedürfnisse der Schutzsuchenden mitberücksichtige.

EU-Innenminister kommen am Nachmittag zu Krisensitzung zusammen: Bei einem Treffen in Brüssel wollen die EU-Innenminister ab 14.30 Uhr erneut einen Kompromiss zur Verteilung von weiteren 120.000 Flüchtlingen suchen. Das Thema bleibt umstritten. Ungarn und andere mittel- und osteuropäische Staaten lehnen feste Verteilschlüssel ab; eine solche Quote gilt daher als nicht durchsetzbar. Das Ziel lautet, dass sich möglichst viele Länder an der Aktion beteiligen sollen. Wie die "Welt" unter Berufung auf hohe EU-Diplomaten schreibt, konnten sich die Botschafter am Montagabend nach fast zehnstündigen Verhandlungen nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. In einem Beschlusspapier für das Treffen ist vorgesehen, dass Staaten, die keine Flüchtlinge per Quote aufnehmen wollen, zumindest einen finanziellen Beitrag leisten. Demnach sollen Länder für jeden Flüchtling, dessen Aufnahme sie verweigern, einmalig 6500 Euro zahlen. Diese Ausnahmeregelung soll möglicherweise zeitlich begrenzt werden, etwa auf sechs Monate. (dpa/AFP/epd)

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Den Newsblog vom Montag können Sie hier nachlesen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière und sein französischer Kollege Bernard Cazeneuve (im Hintergrund) werden mit den weitere EU-Ministern am Dienstag um die Verteilung von Flüchtlingen ringen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière und sein französischer Kollege Bernard Cazeneuve (im Hintergrund) werden mit den weitere EU-Ministern am Dienstag um die Verteilung von Flüchtlingen ringen.

© Olivier Hoslet/dpa

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