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Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel.

© Wolfgang Kumm/dpa

Newsblog Flüchtlinge: Sigmar Gabriel: Union erlebt Agenda-2010-Moment

Angela Merkel unterstützt den Innenminister in der Flüchtlingspolitik. Bei "Was nun?" spricht sie sich gegen Obergrenzen für Flüchtlinge aus. Sie will aber europaweite Kontingente aushandeln. Alle Entwicklungen im Newsblog.

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Union erlebt jetzt ihren Agenda-2010-Moment: SPD-Chef Sigmar Gabriel hat die Unionsparteien aufgerufen, ihren Zwist um die Flüchtlingspolitik zu beenden. "Ich hoffe, dass sich die Union wieder zusammenrauft", sagte Gabriel am Freitag in Dortmund. Es gebe innerhalb der Unionsparteien einen Teil, der auf eine Schließung der Grenzen setze, sagte Gabriel. Dies lasse sich aber nicht machen: "Wir können nicht die Bundeswehr mit aufgepflanztem Bajonett aufstellen." Auch mit einer Verhinderung des Familiennachzugs werde sich die Zuwanderung nicht begrenzen lassen: "Das sind Ersatzhandlungen", sagte Gabriel mit Blick auf entsprechende Forderungen.

Man könne die aktuelle Situation in der CDU mit der Lage der Sozialdemokratie in der Debatte um die Reformagenda 2010 vergleichen: "Jetzt passiert das mit der CDU." Es gebe in der Union das Gefühl, dass ihre Kompetenz für "Recht und Ordnung" in Gefahr sei, die Union sei "sich selbst nicht mehr gewiss". "Ihr Selbstverständnis ist in Gefahr und deshalb streiten sie so heftig", ergänzte Gabriel. Die Instrumente, um die Geschwindigkeit des Zuzugs zu reduzieren, lägen in der internationalen Politik - "und nicht im deutschen Asylverfahrensrecht". Dazu zähle etwa eine Verbesserung der Lage in den Flüchtlingslagern rund um Syrien. Auch müsse die Türkei den Schleppern das Handwerk legen. Dann könne es eine geordnete Flüchtlingspolitik geben.

"Die Antworten liegen an der Außengrenze der Türkei": Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will mit einer Lastenteilung zwischen der EU und der Türkei die Flüchtlingskrise unter Kontrolle bringen. "Die richtigen Antworten liegen an der Außengrenze und in der Türkei", sagte Merkel am Freitagabend in der ZDF-Sendung "Was nun?". Teil einer solchen Vereinbarung könnten dann auch Kontingente von Flüchtlingen sein, die legal nach Europa kommen. Die Kanzlerin lehnte eine Schließung der deutschen Grenzen aber ebenso weiter ab wie eine Festlegung auf Grenzen der deutschen Aufnahmefähigkeit. "Obergrenzen kann ich nicht einseitig definieren", betonte Merkel. Alle Lösungen müssten kooperativ gefunden werden. Sie "hoffe", dass die Zahl der Flüchtlinge demnächst zurückgehe. Wirklich reduzieren werde man die Zahlen aber erst können, "wenn wir die Fluchtursachen bekämpfen".

Merkel räumte ein, dass es in ihrer Partei Kritik und Zweifel an ihrem Vorgehen gibt. Sie sei aber entschlossen, für den Weg zu kämpfen, den sie für richtig halte. "Ich bin nicht die erste Bundeskanzlerin, die um etwas kämpfen muss", sagte sie. Für eine Vertrauensfrage gebe es aber keinen Anlass. In der Regierung habe man "nachsteuern" müssen, sei aber am Ende zu einvernehmlichen Lösungen gekommen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzt mit Bettina Schausten und dem ZDF-Chefredakteur Peter Frey im ZDF-Studio in Berlin vor Begin der Sendung "Was nun, Frau Merkel?" zusammen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzt mit Bettina Schausten und dem ZDF-Chefredakteur Peter Frey im ZDF-Studio in Berlin vor Begin der Sendung "Was nun, Frau Merkel?" zusammen.

© ZDF/Jule Roehr/dpa

Zu dem "Lawinen"-Vergleich von Finanzminister Wolfgang Schäuble ging Merkel auf Distanz. Sie denke nicht in solchen Bildern: "Es kommen Menschen zu uns." Schäuble sei "eine Klasse für sich", aber es gebe Punkte, "da sehe ich die Dinge anders". Sie werde zudem weiter dafür eintreten, dass die Flüchtlinge in Deutschland gut behandelt würden. "Ich bin dafür, dass wir ein freundliches Gesicht zeigen. Das ist meine Art der Willkommenskultur", sagte die Kanzlerin. Gleichzeitig müsse klar sein: "Wer zu uns kommt, muss sich auch an unsere Regeln halten."

Abgestürzter Hubschrauber vermutlich Flüchtlingstransport: Ein in der Slowakei abgestürzter ukrainischer Hubschrauber, aus dessen Wrack sechs Leichen geborgen wurden, hatte vermutlich Flüchtlinge an Bord. Das sei für die Polizei die derzeit wahrscheinlichste Version, erklärte ein Sprecher des Innenministeriums in Bratislava am Freitagabend. Wie Innenminister Robert Kalinak zuvor mitgeteilt hatte, sei der Hubschrauber schon am Mittwochabend beim illegalen Überfliegen der EU-Außengrenze beobachtet worden. Um nicht von den slowakischen Grenzschützern entdeckt zu werden, sei der Hubschrauber wohl trotz schlechter Sicht in der Nacht bei Nebel sehr niedrig geflogen und habe dabei zu riskante Manöver absolviert. Das Wrack mit sechs Leichen wurde erst am Freitag gefunden. Es sei nicht auszuschließen, dass es noch mehr Tote gegeben habe.

De Maizière sieht Flüchtlingskrise als "bürgerlichen Auftrag": Innenminister Thomas de Maizière macht sich angesichts der zunehmenden Polarisierung der Debatte um Flüchtlinge Sorgen "um den gesellschaftlichen Zusammenhalt". Das sagte er am Freitagnachmittag beim Kommunalkongress der CDU in Saarbrücken. Man müsse die Aufnahme der Flüchtlinge "als bürgerlichen Auftrag verstehen", betonte er. "An jedem Küchentisch muss das klar sein." Ankommenden müssten Werte und Leitkultur achten - "aber dann müssen wir uns auch entsprechend verhalten". Die christliche Tradition sei längst nicht jedem bewusst, der sie einfordere. "Können wir selber unsere Werte erhalten?", fragte de Maizière. "Können wir in 20 Sätzen sagen, was das ausmacht, wenn wir miteinander streiten?"

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU), spricht am 11.11.2015 während der aktuellen Stunde zur Statusfrage syrischer Flüchtlinge und zum Familiennachzug vor dem Deutschen Bundestag in Berlin.
Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU), spricht am 11.11.2015 während der aktuellen Stunde zur Statusfrage syrischer Flüchtlinge und zum Familiennachzug vor dem Deutschen Bundestag in Berlin.

© dpa

Kriminalität nicht unverhältnismäßig durch Flüchtlinge gestiegen: Flüchtlinge begehen in Deutschland nicht mehr Straftaten als die einheimische Bevölkerung. Dies geht aus einer ersten Lageübersicht von Bundeskriminalamt (BKA) und Bundesländern hervor, wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Freitag in Berlin mitteilte. Nach den bisher verfügbaren Daten würden "Flüchtlinge im Durchschnitt genauso wenig oder oft straffällig werden wie Vergleichsgruppen der hiesigen Bevölkerung", erklärte de Maizière. "Der Großteil von ihnen begeht keine Straftaten, sie suchen vielmehr in Deutschland Schutz und Frieden."

Zwischen Jahresbeginn und Ende September machten demnach Vermögens- und Fälschungsdelikte sowie Diebstahldelikte mit rund 67 Prozent den Hauptanteil aus. Der Anteil der Sexualstraftaten lag unter einem Prozent. Mit 0,1 Prozent noch geringer war der Anteil der Straftaten gegen das Leben. Zuwanderer selbst sind dem Lagebild zufolge vor allem durch Rohheitsdelikte und Diebstähle bedroht.

Die Zahl der Delikte, die in Erstaufnahmeeinrichtungen begangen wurden, stieg demnach stark an. Ein möglicher Grund: die starke Belegung der Einrichtungen. Überrepräsentiert seien Tatverdächtige aus Serbien, Kosovo und Mazedonien. Dagegen seien Tatverdächtige aus Syrien und Irak unterrepräsentiert. Es gebe "keinen Grund für übertriebene Sorgen um den Anstieg der Kriminalität durch Asylbewerber und Flüchtlinge", sagte de Maizière.

Erdogan kritisiert den Westen: Im Vorfeld des G20-Gipfels in der Türkei hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan dem Sender CNN ein Interview gegeben und auch über die Flüchtlinge gesprochen. „Es ist ein menschliches Drama und die westliche Welt hat ihre Türen vor den Flüchtlingen, die nach Europa strömen, verschlossen“, sagte Erdogan demnach.

Maximal 300.000 Flüchtlinge?: Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) hat sich für eine deutlich unter den derzeitigen Zuwandererzahlen liegende Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen. "Deutschland kann im Jahr maximal 200 000 bis 300 000 Neubürger sinnvoll integrieren", sagte Söder dem "Münchner Merkur" vom Freitag.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Thomas de Maiziere unterhalten sich am 09.11.2015 zu Beginn der CDU-Präsidiumssitzung im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Thomas de Maiziere unterhalten sich am 09.11.2015 zu Beginn der CDU-Präsidiumssitzung im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin.

© dpa

"Wenn es darüber hinausgeht, wird auf Dauer die Integration kaum gelingen." Söder nannte als Grund für seine Forderung nach einer Obergrenze, dass es nach seiner Meinung schon jetzt "viele Städte in Deutschland" gebe, in denen Parallelgesellschaften entstünden. Alleine in diesem Jahr werden nach Erwartungen der Bundesregierung 800.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen, andere Schätzungen belaufen sich auf eine Million Menschen.

Merkel stellt sich hinter de Maizières Entscheidung: Kanzlerin Angela Merkel hat sich hinter die umstrittene Entscheidung ihres Innenministers Thomas de Maizière (beide CDU) zum Umgang mit Syrien-Flüchtlingen gestellt. „Ich finde es deshalb richtig, weil wir uns ja einem fairen Verteilmechanismus in Europa nähern wollen. Wir brauchen eine faire Lastenteilung“, sagte Merkel am Freitag nach einem Treffen mit dem australischen Premierminister Malcolm Turnbull in Berlin. De Maizière hatte die Entscheidung vom Sommer, das Dublin-Verfahren für Syrier auszusetzen, am 21. Oktober zurückgenommen, ohne Merkel oder Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier (CDU) zu informieren. Daraufhin war der Union Chaos und Merkel Führungsschwäche vorgeworfen worden.

Der bayerische Finanzminister Markus Söder.
Der bayerische Finanzminister Markus Söder.

© dpa

Zahlen der Bundespolizei: Täglich kommen derzeit zwischen 7000 und 8000 Flüchtlinge neu nach Deutschland. Allein am Donnerstag seien bundesweit 7704 Asylsuchende und Geflohene angekommen, teilte die Bundespolizei in Potsdam am Freitag auf Anfrage mit. Seit vergangenen Samstag gab es demnach 46.960 Neuankömmlinge, von denen etwa drei Viertel in Bayern einreisten. Die tatsächlichen Zahlen dürften noch höher liegen, da nicht alle Flüchtlinge von der Bundespolizei erfasst werden.

Die Rückkehr Schwedens zu Grenzkontrollen macht sich bei der Abfertigung der Ostsee-Fähren in das skandinavische Land nach Angaben der Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt nicht bemerkbar. In Rostock etwa, wo am Morgen zwei Fähren nach Schweden ausliefen, gab es demnach keinen Rückstau von Passagieren. Diese müssten sich schon beim Fahrscheinkauf ausweisen.

Wie viele Flüchtlinge wegen fehlender Papiere abgewiesen würden, werde nicht erfasst. Schweden kontrolliert seit Donnerstagmittag wieder die Grenzen, um den Zustrom von Flüchtlingen zu steuern. Schwerpunkt der Kontrollen sind die Fähren und die Öresund-Brücke zwischen Dänemark und Schweden, das neben Deutschland das Haupt-Zielland für Flüchtlinge aus Syrien ist.

Millionenschweres Hochschulprogramm: Die Bundesregierung will die Hochschulen mit einem millionenschweren Maßnahmenpaket dabei unterstützen, Flüchtlingen den Zugang zum Studium zu ermöglichen. Dafür stehen in den nächsten Jahren rund 100 Millionen Euro bereit, davon 27 Millionen Euro im kommenden Jahr, wie das Bundesbildungsministerium am Freitag in Berlin mitteilte. Die Maßnahmen zielen unter anderem auf die Zulassungsverfahren, Sprachkurse sowie Informationsangebote. "Bildung ist der Schlüssel für die Integration der Flüchtlinge, insbesondere für jene, die dauerhaft eine Perspektive in Deutschland haben", erklärte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU).

Die Maßnahmen sehen laut Ministerium unter anderem vor, die Hochschulzulassungsverfahren zu beschleunigen. Tests zur Studierfähigkeit werden in weitere Sprachen wie Arabisch oder Dari übersetzt. Die anfallenden Testgebühren werden erstattet. Der Bund übernimmt auch die Gebühren für Sprachtests. An den Hochschulen sollen zudem die Studienkollegs zur Vorbereitung auf ein Studium ausgebaut werden. Der Bund wird in den kommenden vier Jahren rund 2400 zusätzliche Plätze jährlich an den Kollegs und vergleichbaren Einrichtungen finanzieren. Zudem richtet sich eine neue Website direkt an Flüchtlinge: Unter www.study-in.de/information-for-refugees/ bekommen sie Informationen über ein Studium in Deutschland.

Viele Flüchtlinge wählen den Weg über Spielfeld.
Viele Flüchtlinge wählen den Weg über Spielfeld.

© dpa

Österreich will Grenzen besser sichern: Österreich verstärkt angesichts des Flüchtlingsandrangs seine Grenzsicherung zu Slowenien. Dazu gehören nach Regierungsangaben vom Freitag zunächst mehr Patrouillen. Außerdem soll in etwa ein bis zwei Monaten ein knapp vier Kilometer langer Zaun direkt am Grenzübergang Spielfeld entstehen. „Es geht um eine geordnete Einreise und nicht um eine Sperre“, sagte Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ). Das Gesamtkonzept sei zusammen mit Slowenien erarbeitet worden. Slowenien werde auf seiner Seite einen eingezäunten Sicherheitskorridor schaffen.

Darüber hinaus würden in der Umgebung des Grenzübergang Spielfeld ab sofort die Vorbereitungen für die Aufstellung eines 25 Kilometer langen Zauns beginnen, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Freitag in Wien. In einer zweiten Phase könne dieser Zaun dann binnen 48 Stunden aufgestellt werden. Ob es dazu komme, hänge von der Wirksamkeit der Maßnahmen auf slowenischer Seite ab, sagte die Ministerin. Slowenien habe auf eigene Initiative zuvor zugesichert, den Zugang nach Spielfeld auf eigenem Staatsgebiet wirksamer zu kontrollieren.  Über Spielfeld kommen täglich rund 6000 bis 8000 Flüchtlinge nach Österreich. Insgesamt sind laut Mikl-Leitner seit September rund 450.000 Schutzsuchende nach Österreich eingereist. Die meisten von ihnen haben ihre Flucht dann mit Ziel Deutschland fortgesetzt.

Warnung aus Sachsen-Anhalt: Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat vor einer Zunahme rassistischer Gewalt und Übergriffen auf Flüchtlingshelfer gewarnt. Zwar müsse in einer Demokratie akzeptiert werden, dass Bürger ihre Sorgen im Internet oder bei Demonstrationen zum Ausdruck bringen, sagte er am Freitag vor dem Landtag in Magdeburg. Die Grenze zur Gewalt dürfe jedoch nie überschritten werden. „Das Gewaltmonopol hat allein der Staat und sonst niemand“, betonte Haseloff. Sachsen-Anhalt dürfe kein Ort werden, an dem Fremdenfeindlichkeit die Oberhand gewinnt.

Mit der Zunahme der Flüchtlingszahlen gebe es auch einen Anstieg fremdenfeindlicher Taten, allerdings nehme zugleich die Hilfsbereitschaft der Bürger für Flüchtlinge zu. Vor allem die Helfer vor Ort würden jedoch spüren, dass die Grenze der Leistungsfähigkeit langsam erreicht sei. Es bestehe ein harter Kern von Rechtsextremisten, der aus der gegenwärtigen Situation versuche, Kapital zu schlagen. Rechte Gewalt dürfe jedoch niemals toleriert werden.

Mehr Geld für Integrationskurse: Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat eine deutliche Erhöhung der Mittel für Integrationskurse und mehr Stellen für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beschlossen. Für die Integrationskurse, an denen künftig auch Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive schnell nach ihrer Ankunft teilnehmen sollen, stehen 2016 rund 559 Millionen Euro zur Verfügung, wie die Haushaltspolitiker der Union am Freitag mitteilten. Das ist mehr als eine Verdoppelung der Mittel aus diesem Jahr, in dem 269 Millionen Euro eingeplant waren.

Das Bundesamt soll 4.000 neue Stellen erhalten. In beiden Bereichen bedeutet das eine deutliche Aufstockung gegenüber dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung, der noch vor wesentlichen Beschlüssen der Koalition zur Flüchtlingspolitik vorgelegt wurde. Für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sah die Koalition zunächst 300 neue Stellen vor. Nach der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, die bis zum Freitagmorgen andauerte, stehen unterm Strich 2.700 Stellen mehr sowie zusätzliche Personalmittel für 1.000 befristete Stellen. Bei den Integrationskursen hat der Haushaltsausschuss gegenüber dem Regierungsentwurf 250 Millionen Euro zusätzlich veranschlagt. Aufgestockt hat er zudem die Mittel für die Migrationsberatung erwachsener Zuwanderer auf 45 Millionen Euro und für Integrationsprojekte auf 34 Millionen Euro. Der Sachhaushalt des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge wird außerdem um 401 Millionen Euro aufgestockt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Thomas de Maiziere.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Thomas de Maiziere.

© dpa

Innenminister de Maizière kommt an: Die Union ist in der Wählergunst trotz der heftiger werdenden Debatte um den Kurs in der Flüchtlingspolitik nicht abgerutscht. Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die CDU/CSU laut dem am Freitag veröffentlichten Politbarometer von Tagesspiegel und ZDF unverändert auf 39 Prozent. Allerdings würde sich die AfD um zwei Punkte auf acht Prozent verbessern. Die SPD würde laut der Umfrage um einen Punkt auf 26 Prozent zulegen. Die Linke käme unverändert auf neun Prozent, die Grünen würden einen Punkt einbüßen und ebenfalls auf neun Prozent kommen. Die FDP würde mit vier Prozent nicht in den Bundestag einziehen.

Die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird von vielen Bundesbürgern dennoch weiterhin kritisch bewertet. Ähnlich wie in den vergangenen Wochen ist mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) der Ansicht, dass sie ihre Arbeit in diesem Punkt eher schlecht macht. Dagegen meinen 43 Prozent, dass sie es eher gut macht. Die Arbeit von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wird dagegen deutlich besser als noch im September bewertet: Während damals nur 34 Prozent meinten, er mache seine Arbeit eher gut, sind es jetzt 45 Prozent.

Auf der Liste der nach Ansicht der Befragten wichtigsten zehn Politiker liegt weiterhin Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorne. Kanzlerin Merkel, die lange Zeit in Führung gelegen hatte, belegt unverändert Platz vier. In der Frage, ob Deutschland die Zahl der Flüchtlinge verkraften kann oder nicht, sind die Deutschen weiter uneins: Nein meinen 50 Prozent der Befragten, Ja 47 Prozent. Für das Politbarometer befragte die Forschungsgruppe Wahlen von Dienstag bis Donnerstag 1262 Wahlberechtigte.

Zuwanderung als Konjunkturprogramm: Der Einzelhandel rechnet auch aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen beim Weihnachtsgeschäft mit dem stärksten Wachstum seit zwei Jahrzehnten. Mehr dazu lesen Sie hier.

Noch ein Wort zu Horst Seehofer und anderen: Mehrere Ordensobere werfen dem CSU-Chef in einem offenen Brief ja "geistige Brandstiftung" vor und fordern, dass er seine Rhetorik mit Blick auf die Flüchtlinge doch bitte überdenken solle. Außerdem wenden sich die Katholiken gegen Transitzonen und Auffanglager und prangern auch die "oft menschenunwürdigen Zustände in den Flüchtlingsunterkünften" an. CDU-Politiker Ruprecht Polenz stellt deshalb auf Facebook die Frage nach dem Einfluss der Kirche auf seine Partei: "Bei Stammzellforschung und Sterbehilfe war meiner Partei das Wort der Kirchen wichtig. Warum zählt es in der Flüchtlingsfrage bei manchen (besonders lautstarken) Christdemokraten ziemlich wenig?"

Flüchtlinge und Finanzen

Migranten an der Grenze zu Deutschland.
Migranten an der Grenze zu Deutschland.

© REUTERS

Keine neuen Schulden: Die Haushaltspolitiker des Bundestags haben in der Nacht zum Freitag den Bundesetat für 2016 festgezurrt. Dieser kommt trotz der Mehrausgaben wegen der Flüchtlingskrise ohne neue Schulden aus, wie die Haushälter von Union, SPD und Grünen nach der sogenannten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses mitteilten. Die Ausgaben sollen demnach bei 316,9 Milliarden Euro liegen. "Die schwarze Null steht trotz Flüchtlingskrise", erklärte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg (CDU).

Zur Finanzierung der Flüchtlingskosten stehe dem Bund im kommenden Jahr eine Rücklage von rund 6,1 Milliarden Euro zur Verfügung, die aus den Überschüssen aus dem laufenden Jahr gebildet werde. "Veränderungen bei den geplanten Zinsausgaben in Höhe von 23,8 Milliarden Euro gab es nicht", erklärte Rehberg. Gegenüber dem Regierungsentwurf haben die Haushälter nach Angaben von Rehberg die Mittel für das Bundesinnenministerium um rund eine Milliarde Euro erhöht. Sie stellten demnach mehr Geld und zusätzliche Stellen für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), die Sicherheitsbehörden und das Technische Hilfswerk (THW) bereit.

Aufgestockt wurden auch die Mittel für Integrationsmaßnahmen um 293 Millionen Euro. Außerdem seien bis 2018 insgesamt 165 Millionen Euro für die Ersatzbeschaffung von drei Einsatzschiffen der Bundespolizei eingeplant, teilte der Unions-Haushaltsexperte mit. Das Auswärtige Amt erhält demnach rund 450 Millionen Euro zusätzlich, vor allem für humanitäre Hilfe und Krisenprävention.

Integrationsvereinbarung mit Flüchtlingen gefordert: Aus der Union ist die Forderung laut geworden, von Flüchtlingen ein klares Bekenntnis zu Grundwerten der deutschen Gesellschaft einzufordern. "Mir schwebt eine Integrationsvereinbarung vor, eine Art Pakt, den alle Flüchtlinge unterschreiben und in dem ihnen verdeutlicht wird, dass Integration ein Geben und Nehmen ist", sagte CDU-Fraktionsvize Nadine Schön dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

Der deutsche Staat verpflichte sich zu Schutz und Förderung, dafür müssten die Neuankömmlinge sich zu Werten wie der Gleichberechtigung von Mann und Frau oder der Trennung von Staat und Kirche bekennen, forderte Schön. Flüchtlinge, vor allem Frauen, sollten sich auch zur Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen verpflichten. "Am Ende kann das in ein eigenes Integrationsgesetz münden", sagte die CDU-Politikerin.

Weniger Flüchtlinge Richtung Schweden: Nach der Einführung von Grenzkontrollen durch Schweden ist die Zahl der in Mecklenburg-Vorpommern wartenden Flüchtlinge um weit mehr als die Hälfte gesunken. „Bei uns haben noch 352 Flüchtlinge in Rostock und 70 in Prora (auf Rügen) übernachtet“, sagte Stadtsprecher Ulrich Kunze am Freitagmorgen. Am Vortag seien es noch etwa 1000 Flüchtlinge gewesen. Rund 300 Menschen seien am Donnerstag trotz der Kontrollen mit Fähren nach Schweden gefahren. „Die Lage könnte sich am Freitag ganz entspannen, weil wir wieder rund 400 Fährtickets bekommen haben“, sagte der Sprecher der Stadt Rostock.

Das Auswärtige Amt hält eine Rückführung abgelehnter Asylbewerber nach Afghanistan für heikel.
Das Auswärtige Amt hält eine Rückführung abgelehnter Asylbewerber nach Afghanistan für heikel.

© dpa/EPA/Georgi Licovski

Rückführung nach Afghanistan heikel: Das Auswärtige Amt hält die geplante Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern aus Deutschland nach Afghanistan laut einem „Spiegel“-Bericht kaum für möglich. Das Nachrichtenmagazin stützt sich dabei auf einen internen Lagebericht der deutschen Botschaft in Kabul. Darin heiße es, die Ausdehnung der radikal-islamischen Taliban-Milizen sei heute größer als zu Beginn des Nato-Einsatzes 2001. Dies habe eine „dramatische Erhöhung der Bedrohungslage“ zur Folge. Das Auswärtige Amt wollte zu dem Bericht keinen Kommentar abgeben.
Dem Bericht zufolge wird die Gefahr für Leib und Leben in jedem zweiten afghanischen Distrikt als „hoch“ oder „extrem“ eingestuft. Noch vor der traditionellen Winterpause sei mit massiven Angriffen der Taliban zu rechnen. Die Situation werde „auf absehbare Zeit weiterhin auch echte Asylgründe hervorbringen“.

Merkel unter Druck: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bleibt in der Flüchtlingskrise in den eigenen Reihen unter Druck. Die Mittelstandsvereinigung der Union setzt sich dafür ein, über EU-Nachbarländer ankommende Flüchtlinge notfalls an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) forderte eine Begrenzung der Zuwanderung. Die von CDU und CSU geführten Kommunen mahnten eine zügige Umsetzung der vom Bund beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung des Flüchtlingszustroms an.

Merkel selbst will am Freitagabend Stellung beziehen. In der ZDF-Sendung „Was nun Frau Merkel?“ soll sie unter anderem beantworten, wie Deutschland die Aufnahme der Asylbewerber bewältigen kann und ob sie an ihrer Willkommenskultur festhält.

In einem vom Vorstand der Mittelstandsvereinigung der Union (MIT) einstimmig angenommenen Antrag, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es, wenn nicht bald die Sicherung der EU-Außengrenzen und eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in der EU erreicht würden, müssten vorübergehend alle Einwanderer vor der Einreise nach Deutschland kontrolliert werden. „Wir müssen uns vorbehalten, Flüchtlinge, die über einen sicheren Drittstaat versuchen einzureisen, gemäß Artikel 16a unseres Grundgesetzes zurückzuweisen.“ Der Antrag soll an diesem Samstag bei der Delegiertenversammlung der MIT in Dresden beschlossen werden. (mit AFP/dpa/epd/rtr)

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