zum Hauptinhalt
Bundesinnenminister Thomas de Maizière, CDU

© REUTERS

Newsblog zu Flüchtlingen: De Maizière fordert Aufnahmelager auch in Ungarn

Auch Ungarn sollte ein Registrierungszentrum für Asylbewerber aufbauen, fordert Innenminister Thomas de Maizière. In Tschechien sorgt die Markierung von Flüchtlingen mit Nummern für Aufregung. Alle Entwicklungen im Newsblog.

Berlin, Paris und Rom fordern gerechte Verteilung von Flüchtlingen: Deutschland, Frankreich und Italien haben zu einer Vereinheitlichung der Asylregeln in Europa und zu einer Verteilung der Asylbewerber auf alle Mitgliedstaaten aufgerufen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und seine Kollegen aus Rom, Paolo Gentiloni, und Paris, Laurent Fabius, schrieben vor einem Treffen mit ihren EU-Kollegen einen Brief an EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini. Darin forderten die drei eine "faire Verteilung der Flüchtlinge in der EU", sagte Gentiloni.
UN-Sicherheitsrat berät über Flüchtlingskrise: Die Flüchtlingskrise in Europa, Afrika und dem Nahen Osten wird auch Thema im UN-Sicherheitsrat. Das mächtigste UN-Gremium werde das Problem in diesem Monat auf die Tagesordnung setzen, sagte Moskaus UN-Botschafter Witali Tschurkin in New York. Russland führt den Rat in diesem Monat, der durch das Treffen der Staats- und Regierungschefs zur Vollversammlung Ende September geprägt ist. Dem Sicherheitsrat liegt ein Resolutionsentwurf vor, der eine Ausweitung der Kontrollen im Mittelmeer vorsieht. Die internationalen Schiffsverbände könnten dann nicht nur in internationalen Gewässern, sondern auch direkt vor der Küste Libyens nach Schleppern suchen, die Flüchtlinge in oft nicht seetüchtigen Booten auf die lebensgefährliche Fahrt schicken.

Knapp 3000 Bootsflüchtlinge vor libyscher Küste gerettet: Die italienische Küstenwache und die Ärzte ohne Grenzen (MSF) haben am Mittwoch knapp 3000 Bootsflüchtlinge vor der Küste Libyens aus dem Mittelmeer gerettet. Ihre Schiffe seien 1658 Menschen zur Hilfe gekommen, darunter knapp 200 Kindern, teilte MSF über den Kurzmitteilungsdienst Twitter mit. "Das dürfte eigentlich nicht unsere Arbeit sein", fügte die Hilfsorganisation hinzu. Viele der Migranten kamen demnach aus Eritrea. Die italienische Küstenwache barg gemeinsam mit der Marine weitere 1219 Menschen. Unter ihnen waren laut Küstenwache 838 Flüchtlinge, die zusammengepfercht in drei kaum seetauglichen Kähnen die Überfahrt nach Italien antreten wollten.

De Maizière fordert Flüchtlings-Aufnahmelager auch in Ungarn: Bundesinnenminister Thomas de Maiziere hat vorgeschlagen, Flüchtlings-Registrierungszentren nicht nur in Italien und Griechenland, sondern auch in Ungarn aufzubauen. Dies könne mit Beteiligung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR geschehen, das dazu auch bereit sei, sagte der CDU-Politiker am Mittwochabend in der ZDF-Sendung "Was nun, Herr de Maiziere?". Hintergrund ist, dass derzeit viele tausend Flüchtlinge in Ungarn ankommen, das ein EU-Land mit einer Schengen-Außengrenze ist. Von dort reisen die meisten über Österreich nach Deutschland weiter. In diesen sogenannten Hotspots sollen die Flüchtlinge künftig registriert und über die Asylanträge entschieden werden. Abgelehnte Bewerber sollen dann auch aus diesen Zentren abgeschoben werden. Ungarn brauche als besonders betroffenes Land Hilfe der EU-Länder.

Union beschließt 12-Punkte-Plan zur Flüchtlingspolitik : Die Union geht mit einem 12-Punkte-Plan zur Flüchtlingspolitik in das Gespräch mit der SPD im Koalitionsausschuss am Sonntagabend. Der Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beschloss am Mittwochabend ein Papier zur Hilfe für Flüchtlinge und gleichzeitigen Bekämpfung von Asylmissbrauch während einer Klausurtagung mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Darin heißt es, auf Dauer werde Deutschland eine Größenordnung von 800.000 Flüchtlingen wie in diesem Jahr erwartet nicht schultern können. Gefordert wird eine Ausweitung des Kreises der sicheren Herkunftsstaaten um Albanien, Montenegro und das Kosovo sowie der Verzicht auf Bargeldzahlungen an Asylbewerber in der Phase der Erstaufnahme. Stattdessen soll es Sachleistungen geben. Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive sollen schnell arbeiten und Geld verdienen dürfen - die anderen schnell zurückgeschickt werden.

Seehofer fordert härtere Strafen für Schleuser: Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat schärfere Strafen für Schleuser gefordert. Beim Koalitionsgipfel am Sonntag werde er sich dafür einsetzen, dass die Strafen für Schleuser im Strafgesetzbuch erhöht werden, sagte Seehofer nach einer Sitzung des bayerischen Kabinetts. "Wir legen großen Wert auf die Bekämpfung der Schleuserkriminalität", sagte Seehofer. Derzeit säßen in seinem Bundesland weit über 700 Schleuser in Untersuchungshaft, "die Zahl steigt täglich". Diese Art der Kriminalität auszutrocknen, gehe "nur durch rigorose Verfolgung und Bestrafung".

Tschechien markiert Flüchtlinge mit Nummern und löst dadurch Empörung aus. Auf diesem Bild zu sehen: Ein Flüchtling in Budapest hält das Schild "Help Europe" hoch.
Tschechien markiert Flüchtlinge mit Nummern und löst dadurch Empörung aus. Auf diesem Bild zu sehen: Ein Flüchtling in Budapest hält das Schild "Help Europe" hoch.

© AFP

Flüchtling in Berlin-Kreuzberg verprügelt: Ein 18-jähriger Flüchtling aus Tunesien ist am Mittwochmorgen im U-Bahnhof Schlesisches Tor in Berlin-Kreuzberg von zwei Männern verprügelt worden - mutmaßlich aus fremdenfeindlichen Motiven. Jetzt ermittelt der Staatsschutz. Lesen Sie hier die ganze Meldung.

Tschechien markiert Flüchtlinge mit Nummern: Die Markierung von Flüchtlingen mit Nummern auf den Händen hat in Tschechien empörte Reaktionen hervorgerufen. Kein Gesetz erlaube es, die Migranten auf diese Weise zu behandeln, sagte die Anwältin Zuzana Candigliota von der tschechischen Liga für Menschenrechte am Mittwoch. Während die Kritiker sich an die Häftlingsnummern für KZ-Gefangene erinnert fühlen, verteidigten die Sicherheitsbehörden ihr Vorgehen. Die Prozedur solle verhindern, dass einzelne Familienmitglieder auf der Flucht verloren gingen. Am Dienstag hatten Polizisten 214 meist aus Syrien stammende Flüchtlinge, die in Zügen aus Österreich und Ungarn die tschechische Grenze erreichten, Nummern auf ihre Hände geschrieben. Das Innenministerium in Prag erklärte, so solle sichergestellt werden, "dass keine Kinder verloren gehen".

Auch Polizeisprecherin Katerina Rendlova betonte, dass die Markierungen der Identifizierung von Familien dienten. Zudem werde die Zugnummer notiert, "damit wir wissen, in welches Land wir sie gegebenenfalls zurückschicken müssen". Im Gegensatz zu anderen EU-Staaten beharrt die Regierung in Prag auf den Regeln des Dublin-Verfahrens, wonach die Flüchtlinge in die jeweiligen Ankunftsländer in der EU zurückgeschickt werden müssen. Zuvor seien den Flüchtlingen in Tschechien Zettel mit Nummern ausgehändigt worden, diese seien aber oftmals weggeworfen worden, sagte Polizeisprecherin Rendlova.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

"Sie haben die Markierungen akzeptiert, sie haben kein Problem damit, weil sie wissen, dass es in ihrem Interesse ist." Menschenrechtsanwältin Candigliota zweifelte diese Angaben jedoch an: "Ich denke, sie haben es akzeptiert, weil sie glauben, die Polizei habe das Recht dazu." Auch der Prager Jurist Marek Dufek kritisierte das Vorgehen der Behörden. "Ich weiß, dass die Lage schwierig ist, weil die Flüchtlinge keine Ausweise haben, aber aus rechtlicher Sicht ist das nicht in Ordnung."

Rechtsradikal motivierte Angriffe auf Flüchtlingsheime nehmen zu: Die Zahl rechter Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte ist erneut gestiegen. Die Polizei zählte von Jahresbeginn bis Ende August 337 Straftaten gegen Asylunterkünfte, die als rechtsmotiviert eingestuft wurden oder bei denen eine rechte Motivation noch nicht sicher ausgeschlossen werden könne. Das teilte das Bundesinnenministerium am Mittwoch in Berlin mit. Überwiegend handele es sich dabei um Sachbeschädigungen, Propagandadelikte und Volksverhetzungen. Die Zahlen sind zuletzt sprunghaft gestiegen. Im vergangenen Jahr registrierten die Behörden insgesamt 198 solcher Delikte. Diese Zahl war im laufenden Jahr bereits nach sechs Monaten erreicht. Nun hat sich der Trend im Juli und August noch einmal verstärkt. In den vergangenen Wochen sorgten zahlreiche Brandstiftungen und Ausschreitungen vor Flüchtlingsunterkünften bundesweit für Schlagzeilen.

Irische Rettungsmission auf dem Mittelmeer verlängert: Irland verlängert seine Rettungsmission für Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer bis Ende November. Ende September werde das derzeitige Schiff, die LE Niamh, durch die LE Samuel Beckett ersetzt, teilte Verteidigungsminister Simon Coveney am Mittwoch in Dublin mit. Details hingen davon ab, welche Unterstützung die italienischen Behörden benötigten. Die Rettungseinsätze seien nur kurzfristige Hilfe, fügte Coveney hinzu. Um die Flüchtlingskrise zu lösen, brauche es aber langfristige Ansätze.

Der Berliner Senat gibt den Flughafen Tempelhof als Flüchtlingsunterkunft frei:

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Berlin erwartet 1000 Flüchtlinge aus Budapest: Der Senat erwartet in den nächsten 24 Stunden zusätzlich 1000 Flüchtlinge in Zügen aus Budapest. Am Mittwochabend stellte man einen Ad-Hoc-Plan vor, wie angesichts der Lage in Ungarn mit den zusätzlichen Flüchtlinge in Berlin umgegangen werden soll.

Wiedereinführung der Grenzkontrollen "Wunsch de bayerischen Regierung": Der Unions-Innenpolitiker Stephan Mayer (CSU) hat die Wiedereinführung von Kontrollen an der Grenze zwischen Italien und Österreich als richtige Reaktion auf die derzeit hohen Flüchtlingszahlen bezeichnet. "Ich begrüße es außerordentlich, dass diese Grenzkontrollen zwischen Italien und Österreich jetzt eingeführt werden", sagte Mayer am Mittwoch in Berlin. "Das war auch der ausdrückliche Wunsch der bayerischen Staatsregierung angesichts der dramatischen Zunahme der Asylbewerber und Flüchtlinge in Südbayern." Er gehe aufgrund der strengen europäischen Auflagen für die Wiedereinführung von Grenzkontrollen davon aus, dass die Maßnahme am Brenner für einen "überschaubaren Zeitraum" gelte, sagte Mayer. Die Kontrollen am Brennerpass könnten genau wie beim G7-Gipfel als "vorübergehende Maßnahme" und in Übereinstimmung mit dem Schengen-Abkommen eingeführt werden, um Bayern bei der Bewältigung der aktuellen Flüchtlingssituation zu unterstützen, erklärten die Behörden. Mayer sieht deswegen nach eigenen Worten die Freizügigkeit im Schengen-Raum "nicht am Ende". Aber wenn das EU-Asylsystem Dublin III dauerhaft nicht angewandt werde, sei Schengen in Gefahr. Dem sogenannten Dublin-System zufolge muss ein Flüchtling in dem EU-Land aufgenommen und registriert werden sowie einen Asylantrag stellen, in dem der Ankömmling erstmals die Europäische Union betritt. "Wenn langfristig Dublin III nicht funktioniert, (...) dann wird sich über kurz oder lang die Frage stellen, ob Schengen noch Sinn macht", warnte Mayer.

Kriegsschiffe für Flüchtlingsrettung. Die italienische Marine hat im Mittelmeer 90 Bootsflüchtlinge gerettet. Die Migranten, unter ihnen auch Frauen und Kinder, seien auf einem Schlauchboot im Kanal von Sizilien entdeckt und an Bord eines Kriegsschiffes gebracht worden, teilte die Marine am Mittwoch mit. Die Herkunft der Menschen war zunächst nicht bekannt.
Kriegsschiffe gegen Schlepper. Die EU will den Kampf gegen Schleuser im Mittelmeer ausweiten und plant dazu ab Oktober den Einsatz von sieben Kriegsschiffen und einem Flugzeugträger sowie U-Booten, Drohnen und Flugzeugen. Diese sollten in der nächsten Phase des europäischen Anti-Schleuser-Einsatzes zunächst außerhalb der libyschen Küstengewässer tätig werden, bestätigten EU-Diplomaten am Mittwoch einen Bericht der "Welt". Mitte September solle es dazu eine Truppenstellerkonferenz der Mitgliedstaaten geben.
Thomas de Maizière will Gesetzesänderung noch im Oktober: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will die geplanten Gesetzesänderungen zur Flüchtlingspolitik innerhalb weniger Wochen fertig haben. Am Sonntag soll das Gesamtpaket der Reformen im Koalitionsausschuss und am 24. September beim Flüchtlingsgipfel mit den Ländern verabschiedet werden, das ist zumindest das Ziel. Das gesamte Gesetzgebungsverfahren will de Maizière noch im Oktober abschließen, sagte er am Mittwoch nach einer Sondersitzung des Bundestags-Innenausschusses in Berlin. „Der Zeitplan ist ehrgeizig“, sagte der Bundesinnenminuster, betonte aber: „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Die Sache verlangt schnelle Entscheidungen.“ De Maizière sagte, erwogen werde dabei auch eine Grundgesetzänderung an mehreren Stellen. Unter anderem werde diskutiert, die Einstufung „sicherer Herkunftsstaaten“ künftig direkt an eine besonders niedrige Schutzquote zu knüpfen. Auch bei der Frage der Finanzströme zwischen Bund, Ländern und Kommunen sei eine Grundgesetzänderung nicht ausgeschlossen

Weniger Balkan-Flüchtlinge. Immer wieder wird gegen sie polemisiert, Chancen auf Asyl haben die wenigsten von ihnen: Balkan-Flüchtlinge sind ein großer Thema der aktuellen Migrationswelle. Aktuellen Zahlen nach, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegen, kommen derzeit nur noch halb so viele Flüchtlinge aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland wie zuvor. Die gesamte Meldung lesen Sie hier.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Italien kontrolliert wieder seine Grenzen. Italien hat sich auf Bitten Deutschlands bereit erklärt, vorübergehend die Kontrollen am Brenner an der Grenze zu Österreich wieder einzuführen. Die Behörden der Grenzprovinz Bozen erklärten am Mittwoch, die italienische Regierung habe umgehend auf eine entsprechende Anfrage aus Deutschland reagiert. Die Kontrollen könnten genau wie beim G7-Gipfel Anfang Juni in Bayern als "vorübergehende Maßnahme" eingeführt werden, um Bayern bei der Bewältigung der aktuellen Flüchtlingssituation zu unterstützen.

Schlepper finden sich am Bahnhof in Budapest ein: Von der Entscheidung des Budapesters Stadtparlaments, ein Zeltlager einzurichten, ist auf dem Vorplatz noch nicht viel angekommen. Unser Reporter Mohamed Amjahid berichtet von vor Ort: Aktivisten der rechten Jobbik-Partei haben Stellung auf dem Vorplatz bezogen und ein kleines Lager aufgeschlagen. Viele sind es nicht, aber sie machen mit Plakaten auf sich aufmerksam. Dabei haben sie eigentlich dasselbe Ziel: sie wollen genau wie die Flüchtlinge, dass diese weiterreisen. Vor dem Bahnhofsplatz wird die Gruppe der Demonstranten kleiner. Es sind vor allem Afghanen, die auf sich aufmerksam machen. Die Syrer sind eher skeptisch, ob die Proteste etwas bringen. In Gesprächen ist zu erfahren, dass sie Sorge haben, dass die Stimmung kippt. Immer wieder wirken sie aufeinander ein, friedlich zu demonstrieren.

Am Bahnhof Keleti in Budapest kommt es zu Protesten. Die Flüchtlinge harren seit Tagen aus und werden von den ungarischen Behörden an der Weiterfahrt gehindert.
Am Bahnhof Keleti in Budapest kommt es zu Protesten. Die Flüchtlinge harren seit Tagen aus und werden von den ungarischen Behörden an der Weiterfahrt gehindert.

© REUTERS

Doch nicht nur die rechten Jobbik-Aktivisten sind anwesend, auch Zeugen Jehovas sind da und versuchen, die Flüchtlinge zu bekehren. Auch Schlepper haben sich eingefunden. Einer bietet den Flüchtlingen einen Platz in einem LKW an für eine Fahrt noch heute nach Wien. Ein Platz kostet 350 Euro. Je mehr mitfahren, desto günstiger werde es. Viele Syrer lehnen ab, aber die Schlepper ziehen weiter und versuchen es bei anderen.

Die Flüchtlinge wandern vor dem Bahnhof mit dem Schatten oder ziehen in das Untergeschoss des Bahnhofs, um der Sonne auszuweichen. Außerdem beschäftigt sie die Frage: Wo bekommen wir Essen her und wo bleiben wir über Nacht. Jene Flüchtlinge, die etwas mehr Geld haben, versuchen in den umliegenden Restaurants etwas zu bekommen, andere kaufen Obst.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Zeltlager am Budapester Ostbahnhof geplant: Neben dem Budapester Ostbahnhof soll binnen zwei Wochen ein Zeltlager errichtet werden, das vorübergehend 800 bis 1000 Flüchtlinge aufnehmen kann. Das beschloss das Budapester Stadtparlament am Mittwoch und bewilligte dafür 373 Millionen Forint (umgerechnet etwa eine Million Euro). „Dies ist zwar nicht unsere Aufgabe, aber wir tun es aus Gewissensgründen, wir müssen die Situation zu unserem eigenen Schutz bewältigen“, sagte Oberbürgermeister Istvan Tarlos, ein Parteifreund des rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orban.

Ein Fünftel der Syrer auf der Flucht: Der seit viereinhalb Jahren andauernde Bürgerkrieg hat in Syrien bereits die Hälfte aller Menschen aus ihren Häusern vertrieben. Ein Fünftel der Bevölkerung ist nach Angaben der Uno inzwischen ins Ausland geflohen. Weil diese in den benachbarten Erstaufnahmeländern kaum noch angemessen versorgt werden können und weil sie die Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Heimat angesichts des langen Bürgerkriegs aufgeben, flüchten nun viele nach Europa weiter. Wie aus den jüngsten von der Uno veröffentlichten Zahlen hervorgeht, gibt es innerhalb Syriens 7,6 Millionen Binnenvertriebene. Die Zahl der ins Ausland Geflüchteten überschritt gerade die Marke von vier Millionen; bis zum Jahresende rechnet die Uno mit 4,27 Millionen Syrern, die im Ausland ihr Überleben sichern wollen. Vor dem Beginn der Kämpfe im März 2011 zählte Syrien 23 Millionen Einwohner; mehr als 240.000 Menschen wurden seitdem dort getötet.
Im Inland fällt es den Hilfsorganisationen zunehmend schwer, die Bedürftigen zu erreichen und zu versorgen. Das gilt insbesondere für die direkten Kampfzonen, in denen nach Angaben der vor Ort tätigen UN-Vertreter gegenwärtig 4,6 Millionen Zivilisten leben. Von diesen litten derzeit 422.000 unter einem regelrechten Belagerungszustand.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die ersten Anlaufstationen sind die direkten Nachbarländer. 1,8 Millionen Syrer sind inzwischen in der Türkei gestrandet, 1,1 Millionen im Libanon. Für Jordanien gibt das UN-Flüchtlingskommissariat die Zahl von 600.000 syrischen Flüchtlingen an; die Regierung in Amman schätzt aber, dass es insgesamt 1,4 Millionen Menschen sind, was 20 Prozent der eigenen Bevölkerung entsprechen würde. Im Irak, selbst vielerorts eine Kriegszone, leben derzeit 225.000 Flüchtlinge aus Syrien; nach Ägypten sind weitere 137.000 geflüchtet.

Strommangel in Budapest: Unser Reporter Mohamed Amjahid berichtet, dass die Flüchtlinge vor dem Budapester Bahnhof Keleti vor allem Strom für ihre Handys brauchen, um an Informationen zu kommen und auch um in die Heimat zu kommunizieren. Kenan, ein türkischstämmiger Frisör, ist da sehr hilfreich. Er rasiert die Männer und hat mehrere Verlängerungskabel auf die Straße gelegt, wo die Flüchtlinge Strom bekommen können.

Auffällig ist laut Amjahid auch, dass viele Helfer selbst einen Migrationshintergrund haben. Vor dem Bahnhof selbst hält sich eine Gruppe von rund 100 bis 200 Flüchtlingen auf, die für eine Weiterreise demonstrieren. Sie rufen und skandieren, dass sie weiter wollen und nach Deutschland wollen.

Zögern oder handeln? Der deutschen Regierung wurde lange ihr Zögern vorgeworfen. Nun geht Innenminister de Maizíere in die Offensive und will das Grundgesetz ändern, um Flüchtlingen helfen zu können. Das sagte er der "Zeit."

Thüringen hilft Bayern. Thüringen holt Flüchtlinge vom Münchner Hauptbahnhof in den Freistaat. Angesichts der dortigen dramatischen Zustände habe Migrationsminister Dieter Lauinger (Grüne) am Mittwoch einen Bus in die bayerische Landeshauptstadt beordert, teilte ein Ministeriumssprecher in Erfurt mit. Damit sollen Flüchtlinge nach Thüringen gebracht werden, um die Lage in Bayern „zumindest etwas zu entspannen“. Seit Wochenbeginn waren in München mehr als 3.000 angekommen, die in Zügen über Ungarn und Österreich eingereist waren.

Was macht die EU? In der Flüchtlingskrise bleibt Brüssel erstaunlich passiv. Es fehlt eine gemeinsame Linie der Mitgliedsstaaten. Lesen Sie hier die Tagesspiegel-Analayse.

Riegelt die Polizei in Budapest nun ab?

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Österreichische Polizisten retten 24 Flüchtlinge aus zugeschweißtem Lastwagen. Erst vor einer Woche waren 71 Menschen in Österreich erstickt, weil Schlepper sie in einem Laster zurückgelassen hatten. Nun verhinderte die Polizei einen vergleichbaren Fall: 24 Afghanen wurden aus einem zugeschweißten Transporter befreit. Sie hätten keinerlei Möglichkeiten gehabt, sich selbst zu befreien.

Tote im Mittelmeer. In der Ägäis sind mindestens elf Flüchtlinge bei der Überfahrt von der Türkei auf die griechische Insel Kos ertrunken. Wie die Onlineausgabe der türkischen Zeitung "Hürriyet" am Mittwoch meldete, wurden nach dem Untergang von zwei Flüchtlingsbooten in der Nähe des Badeortes Bodrum noch drei Menschen vermisst. Die türkische Küstenwache suche noch nach ihnen. Türkische Medien veröffentlichten Fotos von der Leiche eines kleinen Kindes, die an einem Strand in der Türkei aufgefunden wurde.

Viele Asylbewerber in Brandenburg verletzt. Zahlreiche Bewohner einer Asylbewerberunterkunft im brandenburgischen Halbe (Kreis Dahme-Spreewald) sind am Dienstagabend bei einem vermutlich fremdenfeindlichen Angriff mit Pfefferspray verletzt worden. Wie die Polizei am Dienstag in Cottbus mitteilte, wurde ein 28-Jähriger Mann aus Dresden, der derzeit in Halbe arbeitet, als Tatverdächtiger festgenommen. Insgesamt mussten 35 Personen medizinisch versorgt werden. 14 Menschen, darunter fünf Kinder, mussten in umliegende Krankenhäuser gebracht werden. Insgesamt waren 102 Rettungskräfte im Einsatz, darunter fünf Notärzte, hieß es weiter.

Neue Gewalt durch Rechtsterroristen droht. Die derzeit aufgeheizte Stimmung in Deutschland wegen der Flüchtlingskrise birgt nach Angaben von Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen die Gefahr eines neuen Rechtsterrorismus. "Wir können nicht ausschließen, dass sich im derzeitigen Klima Gruppen bilden, die dazu bereit sind, rechtsextremistische Anschläge zu verüben", sagte Maaßen der Zeitschrift "stern" vom Donnerstag. Die steigende Zahl von Angriffen auf Asylbewerberheime zeige sehr deutlich, "dass die Hemmschwelle, Gewalt anzuwenden, weiter sinkt", so der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz.

Wie ist die Situation in Budapest? Unser Kollege Mohamed Amjahid ist in Budapest vor Ort. Zurzeit befindet er sich in einem Untergeschoss im U-Bahnhof Keleti. Und er berichtet: Hier sind Familien mit Kindern, die seit fünf bis sieben Tagen ausharren. Immer wieder versuchen einige Familien andere zu motivieren und das Untergeschoss zu verlassen, um auf dem Bahnhofs-Vorplatz zu demonstrieren. Auf arabisch rufen sie dort "Deutschland, Deutschland". Sie machen deutlich, nur weiterfahren zu wollen. Ob es eine Weiterfahrt geben wird, ist unklar. Die Flüchtlinge erhalten kaum Informationen, nur Gerüchte verbreiten sich. Wlan gibt es kaum, auch weil McDonalds und einige Cafés es ausgeschaltet haben. Andere Passanten versuchen dagegen ihre Handys als Wlan-Station anzubieten.

Menschen mit gültigen Pässen werden durch die Kontrollen zu den Zügen gelassen. Alle anderen nicht. Trotzdem ist die Stimmung unter den Flüchtlingen recht entspannt. Die Kinder spielen, andere versuchen sich auszuruhen. Die Reaktionen der Ungarn am Bahnhof ist unterschiedlich. Ein Frisör im Bahnhof erklärt, Nichtweiße keine Haare schneiden zu wollen, ein anderer macht es günstiger. Menschen kommen vorbei und bringen Lebensmittel, im Supermarkt gibt es gratis Schokolade für Kinder."

Fluchtwege: Auf dem Weg von Budapest über Wien nach München, lesen Sie hier eine Reportage über die Fluchtroute durch Europa.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Erreicht der Rassismus in Deutschland eine neue Dimension? Ja, mein Frank Jansen. Der Tagesspiegel-Autor und Experte für Rechtsextremismus fordert eine weitsichtige, länderübergreifende Strategie.

Debatte um neue Regeln. Bundeskanzlerin Merkel bremst immer noch beim Thema Einwanderungsgesetz. Doch die SPD macht nun Druck. Fraktionschef Oppermann fordert eine Neuregelung noch 2015.
(mit dpa,AFP)

Zur Startseite