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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßt beim CDU-Bundesparteitag in Karlsruhe den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU).

© dpa/Michael Kappeler

Newsblog zum CDU-Parteitag: Horst Seehofer: "Ohne Begrenzung gelingt es nicht"

Am zweiten Tag des CDU-Parteitags sprach CSU-Chef Horst Seehofer als Gast. Beim CSU-Parteitag hatte er Angela Merkel bloßgestellt. Heute kassierte er eine verhaltene Begrüßung, dann viel Beifall. Die Ereignisse im Newsblog.

Von Ronja Ringelstein

Beim gestrigen Auftakt des CDU-Parteitages in Karlsruhe war von einer zuvor geäußerten Kritik an der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin aus den eigenen Reihen nichts mehr zu spüren: 9-minütiger Beifall und Standing Ovations der Delegierten bescheinigten Angela Merkel die breite Zustimmung. Den Newsblog zum gestrigen Parteitag finden Sie hier. Eine Analyse von Merkels gefeierter Rede finden Sie hier. Heute war CSU-Chef Horst Seehofer zu Gast. Nachdem die Bundeskanzlerin beim CSU-Parteitag unfreundlich empfangen worden war, hat Angela Merkel heute auf eine Retourkutsche verzichtet. Um 13:05 Uhr hat Angela Merkel den Parteitag geschlossen - lesen Sie hier nach, wie der zweite Tag verlief:

Schlussworte der Parteivorsitzenden: "Dieser Parteitag hat uns gut getan", sagt Angela Merkel in ihrer Abschiedsrede zu den Delegierten. Man habe beim Thema "Umgang mit den Flüchtlingen" versucht, Antworten zu finden und sei einen Schritt weitergekommen. Die Themen "Nachhaltigkeit" und "Leben in der Zukunft" seien wichtig; hierbei schaut sie schon auf das Wahlprogramm für die nächste Bundestagswahl 2017. Sie dankt allen Beteiligten, und auch für die "gut gebackene" Schwarzwälder Kirschtorte am Vorabend. Nach dem Singen der Nationalhymne, eine Tradition bei der CDU, die in Teilen die Aufnahme der Hymne in das Grundgesetz fordert, ist der Parteitag geschlossen.

SPD-Parteitag spielt CDU in die Hände: Nach der Rede von Horst Seehofer, ist nun Volker Kauder, Vorsitzender der Bundestagfraktion, am Rednerpult. Und auch er geht, wie Seehofer, auf den SPD-Parteitag der vergangenen Woche ein und nutzt ihn für ein Lob für die CDU: "Während die Sozialdemokraten auf ihrem Parteitag herumstreiten, haben wir gezeigt, dass es uns nicht um uns, sondern um die Menschen in diesem Land geht." Zum Thema Flüchtlingskrise fordert er die anderen Länder Europas zum Handeln auf, "nicht Eigeninteresse, sondern Solidarität die Zukunft in Europa" bestimmen würden. Volker Kauder wirbt anschließend für das Freihandelsabkommen TTIP. Er weist daraufhin, dass man die Herausforderungen der kommenden Zeit nur bewältigen könne, wenn man wirtschaftlich stark aufgestellt sei. "Wir brauchen TTIP im Interesse unserer Wirtschaft", so Kauder.

Seehofers Rede: Verhaltene Begrüßung, jubelnder Abschiedsapplaus:

Eine ausführliche Zusammenfassung der Rede Horst Seehofers lesen Sie hier.

Höchstes Lob für die Kanzlerin: Seehofer lobt die Kanzlerin in den höchsten Tönen. Sie sei eine "exzellente" Kanzlerin. Man könne durchaus mit ihr diskutieren. Aber sie sei in der ganzen Welt geschätzt und "ausdrücklich auch im Freistaat Bayern", so Seehofer. Nach ein paar Dankesworten sagt er "Wir haben wichtige Wochen vor uns" und schaut dabei auf kommende Wahlen. Die Rede ist beendet. Knapp 50 Minuten hat er gesprochen, dabei hätten es eigentlich 30 Minuten sein sollen.

Seehofer gegen Rechts: Nachdem Horst Seehofer erst viel gelobt hatte, holt er nun zu einem persönlichen Rückblick aus. Seit zwanzig Jahren bekleide er Regierungsämter und: "Mein ganzes politisches Leben war ein Kampf gegen politischen Radikalismus von Links und Rechts." Er fühle sich seinen Vorgängern verpflichtet, dass rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei entstehe. "Die rechten Dumpfbacken bekämpft man nicht mit ebenso dumpfen Parolen. Der beste Schutz gegen Rechtsradikalismus ist die Lösung von Problemen, die die Menschen beschäftigen", so Seehofer. Ansonsten ginge es Deutschland gut und "Bayern noch ein Stück besser" - wieder ein Lacher für das Publikum. Es sei eine historische Angelegenheit, aber als Politiker müsse man immer ein "Seismograph der Wirklichkeit" sein. Man müsse sich zwar um diese "Völkerwanderung" kümmern, aber die Themen in der Heimat nicht vernachlässigen.

Begrenzung des Flüchtlingszustroms: Horst Seehofer redet sein Publikum warm. Nach dem anfänglich verhaltenen, kurzen Applaus, hat er inzwischen schon für ein paar Lacher gesorgt und sich bei den Delegierten auch durch ein Lob an den Bundesfinanzminister beliebt gemacht. Und alle sind wohl auf seiner Seite, als er eine Spitze in Richtung SPD loslässt und lobt, dass nach dem misslungenen Parteitag der SPD, "diese Geschlossenheit der CDU die richtige Antwort auf den SPD-Parteitag" war. Er lobt auch den Kompromiss, den die CDU am Wochenende noch gefunden hatte. Die CDU hat zwar nicht den Begriff der "Obergrenzen" in den Leitantrag, aber dafür eine "Begrenzung" beschlossen. "Es ist meine Überzeugung, dass es ohne Begrenzung des Flüchtlingszuzugs nicht gelingen wird, das Problem klug zu lösen", sagt Seehofer. Und er zitiert Donald Tusk: "Die Flüchtlingswelle ist zu groß, als sie nicht zu stoppen." Seehofer sei froh, dass diese Begrenzung im CDU-Leitantrag aufgenommen wurde. Er sieht voraus, dass das Jahr 2016 nicht einfacher wird, als das Jahr 2015. Und sagt: "Angela, wir unterstützen euch."

Seehofer lobt sein Bayern: Es gebe in großen Städten Bayerns 35 Prozent an Migranten und Seehofer nennt etwa München, Nürnberg, Würzburg. Man fange nicht erst heute mit der Integration an. "Bayern ist ein Land der gelingenden Integration." Er betont, was schon viele auf diesem Parteitag gesagt hatten, dass, wer in Deutschland leben wolle, auch „mit uns leben wollen muss und nicht gegen uns“. Aber Integration ginge nicht im "Schnellverfahren".

Für ihn gibt es nur ein Thema: Flüchtlingskrise. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sagt in seinem Grußwort, dass die Wähler erwarten würden, dass diese Problematik gelöst würde und zwar gemeinsam mit CDU/CSU. "Es gibt keine schwarz-weiße Antwort. Die Flüchtlingskrise hat viele Gesichter." Seehofer richtet sich an die Kanzlerin und ihre gestrige Rede, wenn er sagt: "Bayern ist ein weltoffener Staat, von Abschottung halten wir nichts." Er glaube, ohne Bayern überhöhen zu wollen, "Bayern hat eine erstklassige Visitenkarte der Mitmenschlichkeit abgeliefert." Hierfür gibt es heftigen Applaus der Delegierten.

Verhaltener Applaus: Horst Seehofer betritt die Bühne auf dem CDU-Parteitag. Doch der Applaus ist kurz und leise. Einige nehmen es wohl übel, wie er die Kanzlerin bei dem CSU-Parteitag behandelt hatte. Er scherzt: "Für meine Verhältnisse ein sehr freundlicher Empfang" - nun lachen und klatschen doch alle. Er gratuliert zum Ablauf des Parteitages.

"Signale der Nachhaltigkeit": Bevor Horst Seehofer an das Rednerpult des CDU-Parteitages tritt, stellt zunächst noch Julia Klöckner, stellvertretende Parteivorsitzende, den Antrag des Bundesvorstandes „Nachhaltig Leben – Lebensqualität bewahren“. Nachhaltigkeit hieße, "heute schon an morgen zu denken, auch wenn man selbst nichts von der Ernte hat", so Klöckner. "Denn unser Planet ist an der Belastungsgrenze." Der Verbraucher sei aber auch in der Pflicht, denn man könne keine guten Arbeitsbedingungen für Textilarbeiter in Bangladesch fordern und gleichzeitig T-Shirts für 3 Euro kaufen wollen. Auch Fluchtursachen lägen in Defiziten der Nachhaltigkeit. "Wir müssen uns klarmachen, dass unser Lebensstil dazu beiträgt, dass Menschen an anderen Orten der Welt keine Arbeit finden und vor Naturkatastrophen fliehen müssen. "Wir müssen weg von Kohle, Öl und Gas und den Klimaschutz vorantreiben."

Von der Leyen macht spitze Ohren: Die Bundesverteidigungsministerin ist gespannt auf den Besuch von Horst Seehofer und sagte, man freue sich auf Gäste, aber "Wir werden ganz genau hinhören, was uns Horst Seehofer sagt und wie er es sagt", im Interview mit "Phoenix" beim Bundesparteitag. Zum Thema des Kampfes gegen den sogenannten "Islamischen Staat" (IS) bestärkte sie, dass man niemals mit Baschar al-Assad und niemals mit Truppen unter seinem Kommando zusammenarbeiten werde. Aber klar sei das wichtigste Ziel: "Wir müssen uns darauf konzentrieren, den IS zu bekämpfen."

Ein "harter Hund" bellt gegen Merkel: „Nicht jeder Flüchtling ist ein lupenreiner Demokrat“, sagte der langjährige bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) im Interview der "Süddeutschen Zeitung". "Hunderttausende ins Land" zu lassen, "ohne einen Überblick zu haben - das halte ich für gefährlich", so Beckstein. Der CSU-Politiker sagte weiter, er habe im Amt immer als "harter Hund" gegolten, habe aber im Hintergrund versucht, Härten zu vermeiden. Merkel mache das Gegenteil: Sie rede mildtätig und zeige unter der Hand doch Härte. Das könne nicht funktionieren. Als Beispiel nannte er den Familiennachzug. Inzwischen seien die Bearbeitungszeiten bei den Botschaften „so in die Länge gezogen“, dass die Angehörigen am Ende doch nicht kommen könnten.

Nach Merkels Rede beim Parteitag hatten in einer mehrstündigen Aussprache auch einzelne Delegierte Kritik an der Regierungspolitik geäußert. Der am Ende von rund 99 Prozent der Delegierten befürwortete Leitantrag gehe zwar in die richtige Richtung, aber nicht weit genug. Alle führenden Vertreter der CDU machten sich indes für den Leitantrag stark. Die CDU bekennt sich darin vor dem Hintergrund der europäischen Werteordnung und des christlichen Menschenbildes zu ihrer humanitären Verantwortung. Zugleich will die Union Migration „ordnen, steuern und reduzieren“. Die von CSU-Chef Horst Seehofer geforderte „Obergrenze“ für einen Zuzug kommt in dem Papier nicht vor.

Ein Seitenhieb gegen Seehofer: Generalsekretär der CDU Peter Tauber sagte kurz vor Beginn des zweiten Tages des Bundesparteitages im Interview mit dem Sender "Phoenix", dass man jeden Gast freundlich begrüßen würde und lässt damit eine kleine Spitze gegen Horst Seehofer los, der die Bundeskanzlerin beim CSU-Parteitag unfreundlich empfangen hatte. Aber er setze weiter auf die CSU und sagt versöhnlich: "Der Bayrische Löwe brüllt eben manchmal etwas lauter", so Tauber. Heute sei eine gute Gelegenheit, wieder die gemeinsame Linie mit der Schwesterpartei zu fahren.

Merkel sei ein Kunststück gelungen: Die Wiener Zeitung „Der Standard“ kommentiert am Dienstag die Zustimmung der CDU zur Flüchtlingspolitik ihrer Vorsitzenden Angela Merkel: „Merkel ist auf dem Parteitag ein kleines Kunststück gelungen. Sie schaffte es, die Kritiker auf ihre Linie zu bringen. Obergrenzen wird es nicht geben, da bleibt sie hart. Aber es ist nun von einer „Reduzierung“ die Rede. Und sie hielt eine fulminante Rede - wahrscheinlich die wichtigste und wohl die beste in ihrer Amtszeit als CDU-Chefin. Merkel zeigte sich nicht nur leidenschaftlich und kämpferisch, sie brachte auch geschickte Vergleiche ein. Der Aufbau Deutschlands nach dem Krieg und das Warten auf die Wiedervereinigung hätten Jahrzehnte gedauert. Also könnte man doch nicht erwarten, die Flüchtlingskrise in vier Monaten zu lösen. Plötzlich, vor diesem historischen Horizont, sahen die Kritiker recht klein aus. Auf einmal war der Beifall für Merkel wieder fulminant. Sie geht gestärkt aus dem Parteitag - aber sie weiß auch: Man hat ihr nur eine Atempause verschafft.“

(mit dpa, KNA)

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