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Donald Tusk mit Alexis Tsipras bei einem Treffen am Rande des EU-Gipfels.

© dpa/Geert Vanden Wijngaert

Newsblog zum EU-Gipfel: Tusk legt überarbeiteten Vorschlag für Türkei-Vereinbarung vor

Europa ringt um eine gemeinsame Flüchtlingspolitik. Die Ausgangslage ist aber schwierig. Am Freitag wird Ahmet Davutoglu beim Gipfel erwartet.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel steht beim EU-Gipfel in Brüssel viel auf dem Spiel. Es geht um den Kern ihrer Flüchtlingspolitik - eine verbindliche europäische Lösung zusammen mit der Türkei. Zunächst treffen sich die 28 EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag unter sich. Am Freitag folgen Verhandlungen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu. Mit Hilfe der Türkei sollen die Flüchtlingsbewegung eingedämmt und Flüchtlinge von Griechenland in die Türkei zurückgebracht werden. Die Entwicklungen im Newsblog.

Einige Änderungen, Kern der Vereinbarung bleibt unangetastet: Die EU-Staaten haben in Brüssel fieberhaft um einen gemeinsamen Kurs für den geplanten Flüchtlingspakt gerungen. EU-Gipfelchef Donald Tusk legte Bundeskanzlerin Angela Merkel und den anderen Staats- und Regierungschefs am späten Donnerstagabend einen überarbeiteten Vorschlag für eine neue Vereinbarung mit der Regierung in Ankara vor. Sie könnte an diesem Freitag mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu endgültig geschlossen werden.

Eine von Tusk vorgeschlagene Änderung sieht vor, dass alle in Griechenland ankommenden Migranten individuell behandelt werden sollen. Das heißt, es muss eine Einzelfallprüfung geben. Diplomaten berichteten, dass der Kern der Vereinbarung unangetastet geblieben sei. Dieser sieht vor, dass illegal nach Griechenland eingereiste Flüchtlinge künftig zurück in die Türkei geschickt werden können.

Der EU-Beitrittskandidat soll dafür unter anderem weitere drei Milliarden Euro sowie politische Zugeständnisse erhalten. Zudem ist geplant, dass die EU für jeden zurückgeschickten Syrer einen syrischen Flüchtling legal aus der Türkei einreisen lässt.

Dafür sollen zunächst 72.000 Plätze zur Verfügung gestellt werden, die auf bereits bestehenden Zusagen der Mitgliedstaaten für Umsiedlung und Verteilung von Flüchtlingen beruhen. Darüber wird in der EU schon länger gesprochen; laut Diplomaten ist offen, ob diese Zahl überhaupt erreicht wird.

Ahmet Davutoglu wird am Freitag beim EU-Gipfel erwartet.
Ahmet Davutoglu wird am Freitag beim EU-Gipfel erwartet.

© REUTERS/Hakan Goktepe

Davutoglu erhöht Druck auf EU: Der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu hat den Druck auf die EU erhöht, seinen Vorschlag zur Eindämmung der Flüchtlingskrise anzunehmen. "Die Türkei wird niemals ein Flüchtlingsgefängnis unter offenem Himmel", sagte er am Donnerstagabend vor seinem Abflug in Ankara zum Gipfel in Brüssel. Die türkische Vorschlag sei "klar und ehrlich" und liege "noch auf dem Tisch".

Keine Kompromisse bei demokratischen Werten: Europa darf in den Verhandlungen mit der Türkei nach Ansicht von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz keine Kompromisse bei demokratischen Werten eingehen. „Wegen der Flüchtlingskrise bekommt die Türkei keinen Rabatt bei Medienfreiheit oder Minderheitenschutz, Gewaltenteilung oder Rechtsstaatlichkeit“, sagte Schulz am Donnerstag beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Vor den Verhandlungen zur Flüchtlingskrise mit Ankara an diesem Freitag brachte Schulz die „großen Sorgen des Europäischen Parlaments über die Medienfreiheit in der Türkei zum Ausdruck“.

Schulz kritisierte mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen in der Türkei: „Kriminelle Aktivitäten zu untersuchen und zu verurteilen ist legitim. Kritische Pressestimmen in Sprachrohre der Regierung zu verwandeln ist hingegen nicht legitim.“ Vor rund zwei Wochen war die größte oppositionelle Zeitung der Türkei, „Zaman“, unter staatliche Kontrolle gestellt und auf Regierungskurs gezwungen worden.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte außerdem am Mittwoch gesagt, demokratische Werte müssten dem Kampf gegen den Terrorismus untergeordnet werden. Zu Forderungen nach mehr „Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit“ in der Türkei sagte er: „Für uns haben diese Begriffe absolut keinen Wert mehr.“ +++

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat viele EU-Staaten in der Flüchtlingskrise kritisiert.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat viele EU-Staaten in der Flüchtlingskrise kritisiert.

© dpa//STEPHANIE LECOCQ

Schulz kritisiert harte Haltung vieler EU-Staaten: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat die unnachgiebige Haltung vieler EU-Staaten in der Flüchtlingsfrage kritisiert. Rund 20 Staaten verweigerten derzeit die Aufnahme von Flüchtlingen, sagte Schulz am Donnerstag beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. „Und in Idomeni sitzen die Menschen im Dreck“, sagte er mit Blick auf die verzweifelte Lage Tausender Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze.

Er hoffe, dass es mit der Türkei zu einer Abmachung komme, sagte Schulz. „Denn die Türkei ist wenigstens ein Land, das sich in diesen Fragen bewegt und mit uns diskutiert. Es gibt hier Länder, die bewegen sich überhaupt nicht.“ +++

Kroatien fordert eine Obergrenze von Deutschland: Kroatien warnt davor, europäische Standards fallen zu lassen, um eine Annäherung der Türkei zur EU zu ermöglichen. "Das wäre sehr schlecht für die Glaubwürdigkeit und den Zusammenhalt der Europäischen Union", sagt Außenminister Miro Kovac dem "Handelsblatt". Zugleich fordert er dem Bericht nach von Deutschland eine Obergrenze bei der Aufnahme von Migranten. Zu den Chancen der von Bundeskanzlerin Angela Merkel angestrebten Quote zur Verteilung von Flüchtlingen in der EU sagt er demnach, es sehe derzeit nicht besonders gut aus.

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Hollande sieht kein Zerwürfnis mit Merkel: Frankreichs Präsident Francois Hollande hat vor dem EU-Türkei-Gipfel Spekulationen über ein Zerwürfnis mit Deutschland widersprochen. "Es gab keine Versöhnung, weil es gar keine Verstimmung gab", sagte Hollande am Donnerstag vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Demonstrativ hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Hollande zuvor gemeinsam zunächst mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras und später mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko getroffen.
Danach machten sowohl Hollande als auch Merkel deutlich, dass der EU-Gipfel neben dem Abkommen mit der Türkei auch Hilfe für Griechenland in der Flüchtlingskrise beschließen müsse. Hollande kündigte an, dass er nur dann einem Abkommen mit der Türkei zustimmen werde. Die von der Türkei geforderte Visaliberalisierung könne zudem nur kommen, wenn das Land alle von der EU geforderten Bedingungen zuvor erfülle. Das hatte auch Merkel betont.
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Angela Merkel vor dem Start des EU-Gipfels.
Angela Merkel vor dem Start des EU-Gipfels.

© AFP

Belgien warnt vor Erpressung: Mehrere EU-Staats- und Regierungschefs haben auf einem entscheidenden Gipfeltreffen in Brüssel starke Bedenken gegen den geplanten Flüchtlingspakt mit der Türkei geäußert. Der belgische Premier Charles Michel sagte: „Die Türkei verlangt wirklich eine Menge, und ich weigere mich, Verhandlungen zu akzeptieren, die manchmal einer Form von Erpressung ähneln.“ Auch aus Litauen kommt Kritik „Ich verstehe und unterstütze einen Teil der Kritik, denn ich denke, dass das vorgeschlagene Paket sehr kompliziert ist, die Umsetzung wird sehr schwierig sein, und es ist am Rand internationalen Rechts“, sagte Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite am Donnerstag in Brüssel. Auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte mahnte an, eine Abmachung müsse rechtlich wasserdicht sein.

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EU will Türkei offenbar 72.000 Flüchtlinge abnehmen: "Spiegel Online" berichtet aus einem ersten Entwurf für eine Vereinbarung zwischen der Türkei und der EU. Darin ist die Rede von einer Übernahme von 72.000 Flüchtlingen aus der Türkei durch die EU - allerdings auf freiwilliger Basis. Damit hätte sich Angela Merkel, die sich für feste Kontingente einsetzt nicht durchsetzen können.

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Briten nehmen nicht mehr Syrer auf: Großbritannien wird nach Angaben des britischen Premierministers David Cameron nicht mehr syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge aufnehmen als bisher zugesagt. Er unterstütze das geplante EU-Türkei-Abkommen. Aber wegen der britischen Ausnahmeregelungen werde auch die angestrebte Visafreiheit für die Türkei für das Nicht-Schengenland Großbritannien nicht gelten.
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Griechenland fordert schnelle Hilfe: Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat den EU-Gipfel aufgefordert, schnell Hilfe für die Flüchtlinge in seinem Land bereitzustellen. Er erwarte "eine Entscheidung" der Staats- und Regierungschefs, "um Griechenland in diesen schwierigen Umständen zu helfen", sagte Tsipras am Donnerstag in Brüssel. Er verwies dabei vor allem auf den nördlichen Grenzübergang Idomeni, wo tausende Flüchtlinge wegen der Sperrung der Balkanroute festsitzen.

"Wir müssen eine Entscheidung treffen, um die sehr schlechte Situation dort zu entschärfen", sagte Tsipras. Er verwies darauf, dass diese durch "einseitige Handlungen" von Staaten entlang der Balkanroute entstanden sei. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte Bereitschaft zur Unterstützung. Die humanitäre Situation in Griechenland müsse verbessert werden, sagte sie. "Wir sehen alle die Bilder von Idomeni." +++

Zypern droht mit einer Blockade: Zyperns Präsident Nikos Anastasiades hat erneut mit der Blockade des EU-Türkei-Abkkommens gedroht. Auf die Frage nach einem möglichen Veto antwortet er in einem Interview mit "Euronews": "Natürlich. Solange die Türkei ihre Verpflichtungen nicht umsetzt, haben wir keine andere Wahl." Die Türkei müsse ihre Häfen und Airports für Zypern öffnen und ihre Beziehungen zum EU-Land Zypern normalisieren.

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Angela Merkel vorsichtig optimistisch: Bundeskanzlerin Angela Merkel ist vorsichtig optimistisch, dass es gelingen kann, mit der Türkei ein Flüchtlingsabkommen abzuschließen. „Ich glaube, dass es in der Möglichkeit liegt - ich bin bewusst vorsichtig (...) -, dass wir eine solche gemeine Position finden“, sagte Merkel in Brüssel. Sie wolle sich der Bewertung von EU-Gipfelchef Donald Tusk anschließen, dass sie „vorsichtig optimistisch, mit der Betonung auf vorsichtig“ sei. Merkel sagte, es müsse einen Interessenausgleich zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der Türkei sowie Hilfe für Griechenland geben. Es seien noch komplizierte Verhandlungen, aber die Grundrichtung sei klar. Sie betonte ferner: „Es ist natürlich wichtig, dass jeder Flüchtling auch individuell betrachtet wird und seine Rechte wahrnehmen kann.“

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Österreichs Kanzler Werner Faymann.
Österreichs Kanzler Werner Faymann.

© dpa

Balkanroute bleibt laut Faymann geschlossen: Die Balkanroute bleibt nach Angaben von Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann auf jeden Fall geschlossen. "Wenn Deutschland sagt, wir wollen 100.000 Flüchtlinge nehmen, dann ist das in Ordnung", sagt Faymann. Österreich nehme 37.500. Aber dies gehe nur auf legalen Wege.

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Litauen skeptisch: Eine Vereinbarung zwischen der Türkei und der EU wird nach Ansicht von Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite schwer umzusetzen sein: "Sie ist am Rande des internationalen Rechts."

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Niederlande sehen keine Alternative zu EU-Türkei-Plan: Nach Ansicht des niederländischen Regierungschefs Mark Rutte gibt es keine Alternative zu dem geplanten Abkommen zwischen EU und Türkei. "Wir müssen eine Vereinbarung erreichen", sagt Rutte, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft ausübt. Es gebe aber noch rechtliche Hürden. Zudem sei die geplante Visa-Befreiung für Türken an Bedingungen geknüpft.

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Internationale Flüchtlingskomittee schaltet sich ein: Das Internationale Flüchtlingskomittee (IRC) hat die EU aufgefordert, künftig 108.000 Flüchtlinge pro Jahr aufzunehmen und zu verteilen. Die Aufnahme von mindestens 540.000 Flüchtlingen in den kommenden fünf Jahren wäre "fair und machbar", teilt die in London ansässige Organisation mit. Das angepeilte EU-Türkei-Abkommen werde nicht funktionieren, sagt IRC-Präsident David Milliband.

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Rechtliche Klarheit verlangt: Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel pocht auf rechtliche Klarheit vor einer Zurücksendung von Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei. Er habe einige Zusicherungen erhalten, aber immer noch Fragen, sagt Bettel vor Beginn des Gipfels. Es könne nicht sein, dass die EU eine Politik beginne, die sich dann als illegal herausstelle. (dpa/Reuters/Tsp)

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