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Politik: Nicht ganz grün

Gegen den Gipfel will ein breites Bündnis demonstrieren. Doch den Parteien fällt der Schulterschluss mit der Bewegung schwer

Von
  • Matthias Meisner
  • Hans Monath

Berlin - Es stand immerhin der Vorwurf des Terrorismus im Raum, als hunderte von Polizisten Mitte der Woche Wohnungen und Szenetreffs von G-8Gegnern durchsuchten. Dennoch dauerte es Stunden, bis sich die Globalisierungskritiker von Attac zu Wort meldeten, und weitere zwei Tage, bis sie sich zu einem Jetzt erst recht durchrangen. Breit will das Bündnis sein, das die Proteste gegen den Gipfel in Heiligendamm organisiert das macht die Abstimmung untereinander schwierig. Viele Sitzungen brauchten die Organisatoren, um zu klären, wer mit wem unter welcher Flagge demonstriert und wie viel ziviler Ungehorsam es rund um Heiligendamm denn sein darf. Der Formelkompromiss: Die Proteste sollen einen friedlichen Charakter haben, und wenn da nicht alle mitziehen, kann man es auch nicht ändern.

Dass außerparlamentarischer Widerstand eine schwierige Sache ist, bekamen auch die Politiker der Parteien zu spüren, die vom Bundestag aus mit den Protesten sympathisierten. Weder die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth noch Linksfraktionschef Oskar Lafontaine wollten die Veranstalter auf dem Podium der Abschlusskundgebung sehen aus Angst, die beiden Politpromis könnten anderen Aktivisten die Show stehlen.

Die Grünen hatten die Globalisierungsgegner zudem nachhaltig verprellt: Die Parteispitze weigerte sich, den Aufruf zur Gegendemonstration zu unterschreiben. Sie störte vor allem die These, die G 8 seien schuld daran, dass die Erde eine Welt der Kriege, des Hungers, der sozialen Spaltung und der Umweltzerstörung sei. Die Grünen riefen ihre Basis zwar selbst zur Teilnahme an den Protesten auf. Attac-Aktivisten höhnten dennoch, die Partei stünde noch immer mit einem Bein in der Regierung.

Dass die Differenz zwischen der Protestbewegung und einer Partei mit Regierungsambitionen groß bleibt, zeigte sich auch diese Woche beim Streitgespräch zwischen Roth und Attac-Mitgründer Sven Giegold in der Freien Universität. Zwar geißelte Roth die G 8 als nicht demokratisch legitimiert, nicht repräsentativ, nicht transparent. Doch musste sie sich anhören, ihre Partei rede doppelzüngig, weil viele Grüne Neoliberale seien. Früher waren die Grünen bei viel schärferen Aufrufen mit auf der Straße, monierte Giegold: Heute kritisieren sie in den Medien die sozialen Bewegungen. Zumindest mit ihrem Urteil über die Razzien gelang Roth wieder der Schulterschluss mit den G-8-Kritikern. Sie seien ein Versuch der Abschreckung und der Kriminalisierung des friedlichen Protests, verkündete sie. Als Zeichen tatkräftiger Solidarität machte sie sich mit dem Attac-Sprecher und der Mehrzahl der Zuhörer auf, um in Kreuzberg zu demonstrieren.

Ein wenig anders als bei den Grünen sieht es mit dem Linksbündnis von Lafontaine und Gregor Gysi aus. Schon vor Monaten entschieden die Parteistrategen, sich die G-8-Proteste zunutze zu machen, um kurz vor der Gründung der neuen Linkspartei selbst in die Offensive zu kommen. Es geht darum, eine Nähe zu Globalisierungskritikern, studentischem und linksalternativem Milieu vorzugaukeln, das es bisher nicht gibt. Das Karl-Liebknecht-Haus steuert eine eigene Kampagne für die Mobilisierung zum 2. Juni nach Rostock, setzte 50 000 Euro ein und ließ 45 000 Flyer und 15 000 Plakate drucken. Kurz vor dem Gipfel in Heiligendamm plant die Bundestagsfraktion eine dreitägige Anhörung zum Thema in Bad Doberan. Attac-Aktivist Pedram Shahyar wird mit Zeitvertrag bei der Fraktion beschäftigt, um Gipfelgegner und Linkspolitiker zu vernetzen intern heißt es, dass das beide Seiten nicht glücklich macht. Heraus kommt immerhin provokantes Propagandamaterial, in dem unter der Überschrift Niemand hat die Absicht der zwölf Kilometer lange Sicherheitszaun um Heiligendamm mit der Mauer verglichen wird. Der neue Studierendenverband der Linken spitzte noch mehr zu. Die Terroristen treffen sich hinter dem Zaun, erklärte der Verband in Anspielung auf den von George W. Bush und Tony Blair geführten Irakkrieg.

Bleiben die Gewerkschaften: 2004 hatten Attac und andere an ihrer Seite gegen die Agenda 2010 demonstriert. Die Gegenleistung von Michael Sommer aber ist weitgehend ausgeblieben: Die Spitze des DGB hat sich dem Aufruf zu den Protesten nicht angeschlossen. Diese Woche distanzierte sich Sommer erst einmal von militanten G-8-Gegnern: Wir wollen, dass es friedlich bleibt. Unbestimmt fügte er nur hinzu: Die Gewerkschaftsführung macht bei Aktionen mit.

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