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Politik: Nicht jeder kann Vater sein

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof stellt die soziale Bindung zum Kind über Abstammung.

Berlin - Vater sein ist nicht schwer, rechtlicher Vater werden dagegen sehr. Jedenfalls wenn das Kind in familiärer Gemeinschaft mit der Mutter und einem Partner lebt, der als Vater anerkannt ist und ein Sorgerecht hat. So hat es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Donnerstag in zwei noch nicht rechtskräftigen Kammerurteilen entschieden und damit die Beschwerden zweier deutscher Männer abgewiesen.

Einer der Kläger stammt aus Berlin und zeugte Ende 2004 mit einer Geliebten ein Kind. Bereits zur Zeit der Empfängnis lebte die Frau mit einem anderen Partner zusammen. Nach der Geburt des Mädchens im August 2005 erkannte dieser die Vaterschaft an und teilte sich mit der Mutter das Sorgerecht. Im Oktober 2005 focht der Kläger die Vaterschaft an und versicherte eidesstattlich, er habe intime Kontakte zu der Frau gehabt. Deren Partner machte dagegen deutlich, er wolle sich um das Kind kümmern, auch wenn er nicht der leibliche Vater sei.

Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg bestätigte dem Kläger im April 2007 seine Vaterschaft nach einem Bluttest und öffnete den Weg für die Anfechtung. Das Kammergericht kam dagegen vier Monate später zu einer anderen Auffassung, da zwischen dem sorgeberechtigten Vater und dem Kind eine sozial-familiäre Bindung bestehe.

Im zweiten Fall eines Mannes aus Willich in Nordrhein-Westfalen war die biologische Vaterschaft unklar. Der Mann ging aber davon aus, Vater einer im März 2005 geborenen Tochter seiner früheren Ehefrau zu sein. Die lebte allerdings mit einem neuen Partner zusammen, der die Vaterschaft im Mai 2006 anerkannte. Die Gerichte hielten diese Bindung für schützenswerter und verweigerten sowohl die Anfechtung als auch einen Gentest. In beiden Fällen wies auch das Bundesverfassungsgericht die Männer ab.

Das Straßburger Gericht verwies jetzt auf sein Urteil gegen Deutschland von 2010. Damals hatten die Richter einen Kläger gestärkt, der als mutmaßlicher leiblicher Vater ein Umgangsrecht wollte und nicht bekommen hatte. Die Justiz der Mitgliedstaaten sei verpflichtet zu prüfen, ob der Umgang im Kindeswohlinteresse liege. Aus dem Urteil damals folge aber nicht, „biologischen Vätern die Möglichkeit einzuräumen, den Status des rechtlichen Vaters anzufechten“.

Wie üblich, untersuchte der Gerichtshof die Rechtslage in den Unterzeichnerstaaten der Menschenrechtskonvention. Überwiegend dürften Vaterschaften auch angefochten werden, wenn das Kind in stabiler Beziehung in einer anderen Familie lebte, hieß es. Neun Länder lehnten diese Option allerdings ab. Die Richter folgerten daraus, es gebe in der Frage „keinen gefestigten Konsens“. Entsprechend groß sei der Spielraum der Staaten. Die deutschen Gerichte hätten beide Fälle zudem „sorgfältig geprüft“.

Unter dem Druck von EGMR-Urteilen will die Koalition das Sorgerecht nichtverheirateter Eltern neu regeln. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte dazu kürzlich einen Gesetzentwurf angekündigt. Vorgesehen ist ein neues beschleunigtes Verfahren, bei dem die Rechte mutmaßlicher Väter insgesamt gestärkt werden.

In einem weiteren Urteil sprach die Große Kammer des Gerichtshofs einem russischen Soldaten Schadensersatz zu, dem das Militär eine Elternzeit verweigert hatte. Der damals frisch geschiedene Vater von drei Kindern wollte drei Jahre pausieren, wie es den weiblichen Kolleginnen zugestanden wurde. Die Richter sahen darin eine verbotene Diskriminierung; sie wäre nur zulässig, wenn Soldaten aufgrund ihrer Qualifikation oder ihres Einsatzes unentbehrlich seien.

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