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Politik: Nicht nur Ja und Amen

Die CDU-Basis ist unzufrieden mit dem Kriegskurs ihrer Parteichefin – und erwartet doch kein Einknicken

Von Robert Birnbaum

Es rumort in der Union, und das heftig. „Natürlich stehen wir im Moment blöd da“, sagt ein Abgeordneter. Eine Woche lang hatte der Bundestag jetzt Sitzungspause, und eine Woche lang hat praktisch jeder Abgeordnete von CDU und CSU daheim im Wahlkreis bestenfalls in skeptische Gesichter geschaut. „Ich verstehe Angela Merkel nicht“, sagt Karl Lamers, bis vor kurzem ebenfalls Abgeordneter. Wenn aber schon der langjährige außenpolitische Sprecher der Fraktion den Irak-Kurs der Parteichefin nicht versteht, kann man das vom einfachen Parteimitglied wohl erst recht nicht erwarten. „Die Leute wollen keinen Krieg“, sagt ein anderer Parlamentarier. „Und sie wollen keine amerikanischen Alleingänge.“

Insofern sind es zwar im Moment nur die üblichen Verdächtigen, die sich gegen den Kurs Merkels und der Parteiführung zu Wort melden. Von Peter Müller über Rita Süssmuth und den sachsen-anhaltinischen Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer bis zu Peter Gauweiler reicht die Front der Kritiker. Aber anders als in anderen Fällen geben sie diesmal nicht nur ihrem privaten, sondern einem an der Basis tatsächlich weit verbreiteten Unbehagen Ausdruck.

Besonders Merkels pro-amerikanische Haltung steht im Zentrum der Kritik. „Das ist nicht unser Krieg“, schreibt Gauweiler in seiner wöchentlichen „Bild“– Kolumne; das Verhältnis der Union zu den USA dürfe „keine unkritische Ja-und-Amen-Beziehung“ sein. Auch Lamers versteht an Merkel nicht, „dass sie sich so vorbehaltlos an die Amerikaner hängt. So werden wir ein passives Anhängsel, nicht Subjekt politischen Handelns“, sagte er der „Rheinischen Post“. Ins gleiche Horn stößt Hermann Gröhe, Menschenrechtsbeauftragter der Union: „mehr Distanz zum amerikanischen Entscheidungsprozess“ hätte er sich gewünscht. Und auch solche, die sich nicht öffentlich zu Wort melden, räumen ein, dass die Positionierung nahe der derzeitigen US-Führung ihnen gegen den Strich geht, selbst wenn sie Merkels Haltung mit dem Verstand nachvollziehen können: „Ich wäre keiner, der in einen Rummy-Fanclub gehen würde“, sagt einer unter Anspielung auf den US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.

Offene Rückendeckung bekommt Merkel merklich zögerlich. Hessens Regierungschef Roland Koch immerhin erinnerte am Montag im Deutschlandfunk daran, dass Merkel die von der gesamten CDU-Spitze beschlossene Meinung vertrete. „Wenn eine Position richtig ist, dann muss man sie auch vertreten, wenn sie einer aktuellen Mehrheitsstimmung widerspricht“, sagte Koch und riet allen, diese Meinung öffentlich mit zu vertreten „oder zu schweigen“. Letzteres geschieht ausgiebig – wer sich vor Augen hält, welches CDU-Führungsmitglied in jüngster Zeit zum Thema nichts oder nur Nichtssagendes gesagt hat, kommt auf eine stattliche Liste hartnäckiger Schweiger.

Ob sich das Unbehagen schon in dieser Woche in der Fraktion Bahn bricht, wagen auch erfahrene Abgeordnete nicht vorauszusagen. Tatsächlich ist es interessant zu beobachten, dass Merkel diesmal gerade bei solchen Parlamentariern Verständnis findet, die sonst eher nicht zu ihren Verehrern zählen. „Viele wollen sie einfach auflaufen lassen“, sagt einer über die Merkel-Kritiker. Dass das interne Grummeln noch sehr viel lauter wird, je länger der Krieg sich hinzieht und je schlimmer die Bilder werden, damit rechnen allerdings viele. Einen Kurswechsel der Partei- und Fraktionschefin aber, wie ihn etwa Gauweiler fordert, erwartet niemand. „Wenn sie jetzt einknickt, glaube ich, dass es ihr eher schaden würde“, sagte ein Abgeordneter. Merkel sieht das genauso. Auf Dauer, so ihr Credo, werde sich Deutschland nur an der Seite Amerikas behaupten können. Und sie will jetzt verstärkt über die Zeit nach dem Krieg reden.

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