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Politik: Nicht nur Küsse sind gefährlich

In Hongkong breitet sich die Lungenkrankheit Sars sehr schnell aus – Ansteckung könnte auch durch die Luft möglich sein

Von Moritz Kleine-Brockhoff,

Jakarta

105 neue Sars-Patienten am Wochenende. 80 neue Fälle am Montag. Zwei weitere Tote. Geschlossene Schulen. Hunderte Menschen unter Quarantäne. Ein abgeriegelter Apartmentblock. Bei allem Bemühen um konstruktive Sachlichkeit und des Verhinderns von Panik – in Hongkong herrscht Angst vor der Lungenkrankheit Sars. Die Straßen sind leerer als sonst, wer rausgeht, trägt Mundschutz. Die Maßnahmen der Behörden werden immer schärfer, aber die Zahlen steigen weiter: 15 Tote und 610 Kranke, 64 davon auf den Intensivstationen – das ist der Stand in Hongkong von Montagabend. Gute Meldungen gehen unter. 79 Patienten in Hongkong haben sich erholt, und weltweit liegt die Sars-Sterblichkeitsrate weiter unter vier Prozent.

Aber wen beruhigt das, wenn sich Szenen abspielen, die in Desasterfilme passen? Im Morgengrauen riegelten am Montag Polizisten und Beamte der Gesundheitsbehörde in Schutzkleidung einen ganzen Apartmentblock ab. Ab 6 Uhr gilt im Block E des „Amoy Gardens Estate“: Niemand darf mehr rein, niemand mehr raus. 213 Einwohner der Anlage sind an Sars erkrankt, allein aus dem Block E stammen 106 Fälle. Die Menschen, die dort noch wohnen, werden jetzt von Ärzten vor Ort untersucht, die Regierung bringt drei Mahlzeiten pro Tag. „Ich habe Angst“, sagt eine Bewohnerin, „ich glaube, früher oder später krieg ich es.“ Mit einem 64-jährigen Arzt war die neue Lungenkrankheit Mitte Februar vom chinesischen Festland in die ehemalige britische Kolonie gekommen. Im neunten Stock des Hotel Metropole im Distrikt Kowloon wohnte der Mann, sechs andere Hotelgäste steckte er auf der Etage an. Sie brachten Sars nach Singapur und Kanada. In beiden Ländern sind jetzt jeweils vier Menschen tot und insgesamt knapp 200 krank. In Singapur sind alle Schulen geschlossen und 1000 Menschen unter Quarantäne.

Doch nirgendwo geht der Erreger schneller um als im dicht besiedelten Hongkong. Dort hat der Gesundheitsminister jetzt ausgesprochen, was einige Mediziner vermuten: Das Virus könnte sich vielleicht einige Stunden lang in der Luft halten. Das würde bedeuten, dass man sich nicht nur bei Kontakt mit Erkrankten, sondern überall anstecken könnte. Sars lässt in Hongkong und in anderen asiatischen Staaten Aktienkurse fallen. Fluglinien und die Papiere von Firmen, die mit Tourismus Geld verdienen, sind besonders betroffen. „Terrorismus, Weltwirtschaftsschwäche und der wohl lange dauernde Irak-Krieg waren schon schlimm genug“, meint ein Analyst, „jetzt haben wir auch noch diese komische Lungenkrankheit. Was kommt als Nächstes?“

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