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Politik: Nicht ohne Denkzettel

Trotz anderer Absprachen rief der EU-Sozialisten-Chef doch noch zur Ablehnung Barrosos auf

Im Moment seines Sieges blieb der künftige Präsident der Europäischen Kommission zurückhaltend. „Es ehrt mich sehr, jetzt als Kommissionspräsident im Dienste der EU stehen zu können“, sagte Jose Manuel Durao Barroso (48) am Donnerstag im Europaparlament in Straßburg. Zuvor hatten die Abgeordneten mit überwältigender Mehrheit der Ernennung des ehemaligen portugiesischen Premierministers zugestimmt. Für ihn votierten 413 Europaabgeordnete, gegen ihn waren 251 der Parlamentarier. Wie von den EU-Regierungschefs geplant, kann Barroso somit am 1. November das höchste Brüsseler Amt antreten.

Die 25 Regierungen hatten Anfang des Monats erst nach langen politischen Auseinandersetzungen den portugiesischen Premier nominiert. Da Europas Volksvertreter keine Auswahl unter verschiedenen Kandidaten hatten, konnte das EU-Parlament in Straßburg der Ernennung Barrosos nur zustimmen oder sie ablehnen. Dieser hat in der vergangenen Woche in mehrstündigen Hearings allen Fraktionen Rede und Antwort gestanden. Am Donnerstag stimmten die konservativ-christdemokratische Europäische Volkspartei (EVP), die Liberalen und ein erheblicher Teil der Sozialisten für ihn. Dabei hatte sich der Fraktionschef der Sozialisten (SPE), der SPD-Abgeordnete Martin Schulz, unmittelbar vor der Abstimmung klar gegen den konservativen Portugiesen ausgesprochen. Doch offenbar unterwarfen sich seine Genossen nur zum Teil der Fraktionsdisziplin. Gegen den designierten Kommissionspräsidenten stimmten auch die Grünen, die exkommunistischen Linksgruppierungen und die Antieuropäer.

„Wir haben persönlich gar nichts gegen Sie. Die Integrität ihrer Persönlichkeit steht außer Zweifel,“ sagte Schulz vor der Abstimmung. Die Ablehnung des SPE-Fraktionschefs – obwohl auch sein Parteichef, der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, der Nominierung des konservativen Portugiesen zugestimmt hatte – liegt in der Außenpolitik begründet. Barroso stieß auch bei anderen Linken auf Ablehnung, weil er kurz vor dem Irakkrieg als portugiesischer Premierminister den amerikanischen Präsidenten George Bush und die Premierminister von Großbritannien und Spanien, Tony Blair und Jose Maria Aznar, auf die Azoren zu einem Gipfeltreffen der Kriegskoalition eingeladen hatte.

Das Verhalten der SPE kritisierten vor allem die Liberalen. „Sie haben sich einen unzuverlässigen Partner ausgesucht“, sagte deren Fraktionschef Graham Watson, gerichtet an die Adresse des Fraktionsschefs der Konservativen im EU-Parlament, Hans-Gert Pöttering. Die Christdemokraten hatten erst am Dienstag den spanischen Sozialisten Josep Borrell zum Präsidenten des Europaparlaments gewählt – in der Annahme, dass die Sozialisten im Gegenzug ihren Widerstand gegen den Konservativen Barroso aufgeben würden. Die schwarz-rote Absprache der beiden deutschen Fraktionschefs kritisierte der Brite indirekt als „teutonischen Zeitgeist“. Der künftige Präsident der europäischen Kommission unterstrich in seiner Rede vor dem Straßburger Plenum erneut seine Unabhängigkeit gegenüber den nationalen Regierungen. Er werde ohne Abstriche das vertragliche Recht des Kommissionspräsidenten in Anspruch nehmen, im Gremium der EU-Kommissare die Fachkompetenzen selbst zu verteilen.

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