zum Hauptinhalt

Politik: Nicht ohne uns

Die Regierungen Tschechiens, Ungarns und der Slowakei sind für ein Kerneuropa – nur der Präsident in Prag hat Zweifel

Mit mehr als 77 Prozent haben die Tschechen bei der Volksabstimmung im vergangenen Juni den Beitritt zur EU befürwortet; dennoch schauen sie, allen Umfragen nach, weitaus skeptischer in die europäische Zukunft als die Bewohner sämtlicher anderer Beitrittsstaaten. Als oberster EU-Skeptiker macht permanent Staatspräsident Vaclav Klaus von sich reden.

„Vaclav II.", wie sie ihn nach seinem Amtsvorgänger Vaclav Havel nennen, droht seinen Landsleuten, die EU werde sich zu einem „Superstaat" entwickeln, der alle lokalen, regionalen und nationalstaatlichen Organisationen und Interessen platt walze. Den augenblicklichen Stand der europäischen Integration, selbstverständlich nach Beitritt Tschechiens, hält Klaus für ausreichend. Und beschleunigen will er schon gleich gar nichts. Das „Brüsseler Integrationsfieber", sagte Klaus unlängst, „ist eine typische Ersatzaktivität, eine Form von Eskapismus. Nach Integration rufen vor allem diejenigen, die die notwendigen Strukturreformen nicht durchführen wollen." Ganz anders Tschechiens Ministerpräsident Wladimir Spidla. Für ihn liegt es „im größten Interesse" des Landes, sich einem möglichen Kerneuropa anzuschließen, „dem Teil der EU mit der höchsten Geschwindigkeit".

Klaus und Spidla beziehen ihre Argumente aus der Vergangenheit, nur interpretieren sie diese anders. Wenn Klaus vor der EU warnt, dann stellt er sie, dünn verschleiert, mit einer anderen, als unselig im Gedächtnis der Tschechen haftenden „Fremdherrschaft" gleich: mit der der Sowjets. Wenn Spidla an jene Zeit erinnert, dann stellt er Tschechien als ein an den Rand der Geschichte gedrücktes Land dar, für das es derzeit nur ein Heilmittel gibt: den Eintritt in ein größeres, freies Staatenbündnis. Oder er erinnert gleich an Böhmens goldene Ära, an Mittelalter und frühe Neuzeit, mit Prag als Zentrum des Deutschen Reichs und der europäischen Gelehrsamkeit. Besser integriert, sagt Spidla, waren wir nie.

Auch der christdemokratische Ministerpräsident der früher mit Tschechien in einem Staat verbundenen Slowakei, Mikulas Dzurinda, sagt, es gebe für sein Land „im Herzen" des Kontinents „viele Gründe", die europäische Integration voranzutreiben: „Wir bemühen uns, bei der Beschleunigung oder der Intensivierung mithalten zu können." Niemand in der Slowakei hat dem widersprochen.

Einhellig auch die Meinung in Ungarn. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Peter Medgyessy fühlte sich nach dem gescheiterten Brüsseler Verfassungsgipfel geradezu geehrt, als er die Einladung zum gemeinsamen Ausloten eines Kerneuropas erhielt: „Wir sind gerne bereit mitzumachen. Das zeigt, dass wir schneller vorankommen wollen." Es folgte in Budapest eine Parlamentsdebatte zum EU-Vertrag, und nicht einmal die bürgerliche Opposition, die gerne einmal Bedenken hat, wenn die öffentliche Meinung entsprechend ist, fand an Medgyessys Position etwas auszusetzen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false