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Politik: Nicht rot miteinander

In Sachsen-Anhalt gingen SPD und PDS ihre erste Beziehung ein. Eine Neuauflage ist kaum zu erwarten

Von Matthias Meisner

Vielleicht sind sich die beiden Politiker einfach zu ähnlich: Jens Bullerjahn und Wulf Gallert sehen sich als relativ skrupellose Pragmatiker. Und Lust, die Schlachten der Vergangenheit noch einmal zu schlagen, haben weder der Spitzenkandidat der SPD für die sachsen-anhaltische Wahl am 26. März noch sein Konkurrent von der Linkspartei/PDS. Der 43-jährige SPD-Mann Bullerjahn ist gelernter Elektroingenieur, der ein Jahr jüngere Gallert Unterstufenlehrer, erst nach der Wende machten beide die Politik zu ihrem Hauptberuf. Als Geschäftsführer ihrer Fraktionen managten beide in den Jahren bis 2002 das „Magdeburger Modell“, die von der PDS tolerierte Minderheitsregierung unter Führung der SPD.

Die Liste der Gemeinsamkeiten der beiden miteinander befreundeten Politiker lässt sich leicht fortsetzen, wenn man die Zeit nach 2002 betrachtet, als Reinhard Höppner die Wahl verlor und eine schwarz-gelbe Regierung unter Führung von Wolfgang Böhmer (CDU) das Ruder in Magdeburg übernahm. Doch würde dies leicht ein Missverständnis verstärken: Dass hier zwei Genossen aus verschiedenen Parteien auf eine neue rot- rote Regierung hinarbeiten. Genau das aber ist nicht der Fall. Bullerjahn bevorzugt eindeutig, nach dem 26. März in einer großen Koalition mit der CDU zu regieren. Und das selbst dann, wenn die SPD in einem solchen Bündnis nur der Juniorpartner wäre, wonach es nach den Umfragen aussieht. Der Posten des Ministerpräsidenten, so hinter vorgehaltener Hand die Auskunft der Magdeburger Spitzen-Sozis, wäre „nicht so wichtig“. Bullerjahn könnte auch als Finanzminister „in die Speichen greifen“.

Inhaltlich lässt sich diese Strategie der SPD schlecht begründen, sehr wohl aber taktisch. Nach dem Scheitern von Höppners Regierung hat es die Sozialdemokraten beinahe zerrissen, „unheimlich“ ist es Bullerjahn noch heute, wie sich die Genossen vor allem über die Frage des Verhältnisses zur PDS zerfleischt und mit sich selbst beschäftigt haben. Der frühere Innenminister Manfred Püchel, erklärter Gegner von Rot-Rot, übernahm 2002 den Vorsitz von Landespartei und Fraktion. Verwirrend dann ein weiteres Signal: Als Püchel zur Jahresmitte 2004 abtrat, übernahm Bullerjahn die Führung der SPD-Landtagsfraktion, auf den Tag genau wurde Gallerts Wechsel an die Fraktionsspitze der PDS angekündigt.

Ungefähr um diese Zeit legten sich beide Politiker regelmäßig eine Krawatte an, verzichteten auf ihre zuvor betont saloppe Kleidung. Sie stiegen in die Debatte um die Zukunft Sachsen-Anhalts erst so richtig ein – und schrieben Thesenpapiere zur Zukunft des Landes. „Einsichten und Perspektiven“ nannte Bullerjahn sein Werk zur Entwicklung von Wirtschaft und öffentlichen Finanzen bis zum Jahr 2020. Gallert antwortete mit einem „Fünfzehnjahrplan“, den er mit den Worten „Innovation und soziale Gestaltung“ überschrieb. Was die Papiere an Differenzen nicht hergaben, fügte Bullerjahn in Erklärungen an: Die PDS habe ihre alte „Sachlichkeit“ aus der Zeit des „Magdeburger Modells“ verloren, spiele zu häufig die „sozialpopulistische Karte“. Gallert nannte das „ignorant und arrogant“. Er sagte zu den Äußerungen Bullerjahns: „Der weiß es besser.“ Der SPD- Mann wiederum konterte: „Eine Freundschaft muss das aushalten.“

Der SPD-Bundesspitze kommt Bullerjahns Strategie gelegen. Selbst die Beteiligung an einer großen Koalition wäre am 26. März ein Terraingewinn für die Sozialdemokraten, und mehr kann Bullerjahn als „Hoffnungsträger“ später immer noch werden. Wenn der SPD-Spitzenkandidat erklärt, die PDS sei „zurzeit nicht“ koalitionsfähig, stimmen die Spitzengenossen in Berlin dem sehr wohlwollend zu.

Gallert derweil erinnert unter Hinweis auf zurückliegende Wahlen in Sachsen und Thüringen daran, dass die SPD mit klarer Abgrenzung zur PDS nicht zum ersten Mal gescheitert sei. Sein Parteiauftrag ist klar – erst diese Woche hat die Berliner Führung betont, sie wolle nicht flächendeckend große Koalitionen erleben. Für Gallert fallen die Würfel erst nach Auszählung der Stimmen, bis dahin rät er jedem ab, irgendwelche Wetten auf Regierungskoalitionen zu schließen. „Jähe Wendungen sind in diesem Land einfach möglich.“

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