zum Hauptinhalt

Politik: Nicht von 100 auf null

Eufor-Kommandeure: Soldaten bleiben noch bis Mitte Dezember im Kongo

Am 30. November sollte die EU-Militärmission im Kongo eigentlich zu Ende sein. Doch so abrupt geht es denn doch nicht. Es werde „keinen Absturz von 100 auf null“ geben, sagte Bundeswehrgeneral Karlheinz Viereck, der die Mission von Potsdam aus leitet, am Freitag in Kinshasa – und räumte damit Befürchtungen aus, es könne ab Dezember zu einem Sicherheitsvakuum kommen. Zum einen werde sich die Rückverlegung der Eufor-Truppe über einige Wochen hinziehen. Zum andern werde die EU langfristig mit Missionen wie Eusec (Reform des Sicherheitssektors) und Eupol (Polizeiausbildung) im Kongo weiter präsent bleiben.

In einem Hangar des Hauptquartiers, zwischen einem Hubschrauber, Militärfahrzeugen und Drohnen, zog der Vorsitzende des EU-Militärrats eine positive Bilanz. „Für mich ist die Mission ein großer politischer und militärischer Erfolg“, sagte General Henri Bentegeat. Die EU habe „den Kongolesen ermöglicht, Wahlen in akzeptabler Sicherheit abzuhalten“. Zusammen mit Viereck und dem in Kinshasa stationierten General Christian Damay betonte er gleich mehrfach, dass die Kapazität, auch nach dem 30. November noch einzuschreiten, bestehen bleibe. Allerdings blieb unklar, ob es dafür – außer zur Selbstverteidigung – dann noch eine rechtliche Grundlage gibt.

Im Camp freuen sich die Soldaten auf die baldige Heimreise. Außerhalb des Lagers sind die Straßen erstmals seit der Bekanntgabe der Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen wieder belebt. Die Stimmung bleibt dennoch angespannt. Schließlich hat der in der Stichwahl mit 42 Prozent unterlegene Vizepräsident und frühere Rebellenführer Jean-Pierre Bemba das Ergebnis nicht anerkannt. Konkret beanstandet er die Auszählung von rund 1,5 Millionen Wählerstimmen der sogenannten „votes par dérogation“. Dabei handelt es sich um eine im Wahlgesetz festgelegte Ausnahmeregelung für Bürger, die ihre Stimme außerhalb ihres Wahlbezirks abgeben müssen, etwa aus beruflichen Gründen.

Bemba behauptet, bei diesen zehn Prozent sei zu seinen Ungunsten gefälscht und er damit um den Sieg betrogen worden. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz gab die EU-Wahlbeobachterkommission dagegen bekannt, dass nach ihren Hochrechnung selbst im schlimmsten Fall von Wahlbetrug bei diesen 1,5 Millionen Stimmen – von dem sie explizit nicht ausgeht – Bemba höchstens um 650 000 Stimmen betrogen worden sein könnte. Das wären weniger als fünf Prozent. Selbst in diesem Fall bliebe also Joseph Kabila, der auf 58 Prozent kam, der Sieger der Präsidentschaftswahl.

Zwar hatte Bemba nur angekündigt, „alle rechtlichen Mittel“ ausschöpfen zu wollen. Doch auf viele Beobachter wirkt es beunruhigend, dass er seinen Koalitionspartnern gleichzeitig erlaubt, sich wesentlich militanter zu äußern. In der Vergangenheit war es mehrfach vorgekommen, zuletzt am vergangenen Samstag, dass Anhänger Bembas zur Gewalt griffen und Bemba danach jede Verantwortung dafür ablehnte. Er habe ja öffentlich nichts Anstößiges gesagt.

Bembas Einwände werden nun vom Obersten Gericht geprüft, das voraussichtlich am 26. November das endgültige Ergebnis verkündet. Im Palais de la Nation, Sitz des Präsidenten, hämmern derweil bereits Arbeiter an den Stuhlreihen für die feierliche Amtseinführung des neuen Präsidenten, die spätestens am 10. Dezember stattfinden soll.

Judith Reker[Kinshasa]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false