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Blick in den Münchener Gerichtssaal. Seit Wochen wird darüber gestritten, wer dem Prozess gegen rechtsradikale Angeklagte folgen darf. Foto: Andreas Gebert/dpa

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Politik: „Nicht weniger als drei Plätze“

Die türkische Zeitung „Sabah“ hat das Bundesverfassungsgericht im Streit um Presseplätze überzeugt.

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Berlin - Das Bundesverfassungsgericht zeigt Mitgefühl. Auch wenn das im Juristendeutsch der Mitteilung vom Freitag nicht offen ausgesprochen wird. Im Streit um die Sitzplatzvergabe des Oberlandesgerichts München für den NSU-Prozess haben die Karlsruher Richter türkischen Medien zugestanden, dass sie „ein besonderes Interesse an einer vollumfänglich eigenständigen Berichterstattung über diesen Prozess geltend machen können, da zahlreiche Opfer der angeklagten Taten türkischer Herkunft sind“.

Das Karlsruher Gericht betont, es gehe nicht um ein „verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht auf Zugang zur Gerichtsverhandlung“, sondern nur um die „mögliche Verletzung einer Chance auf gleichberechtigte Teilhabe“ Damit wird die Weigerung des OLG München, an der umstrittenen Akkreditierung etwas zu ändern, aufgebrochen. Geklagt hatte die türkische Zeitung „Sabah“ zusammen mit ihrem stellvertretenden Chefredakteur. „Wir sind sehr erleichtert über das Urteil aus Karlsruhe. Es lässt keinen Zweifel daran, dass das Oberlandesgericht falsch gelegen hat“, sagte Ismail Erel am Freitagabend dem Tagesspiegel.

Bis zuletzt hatte der 6. Strafsenat verkündet, an der Sitzplatzvergabe werde „rein gar nichts“ geändert. Das OLG hatte Journalisten nur 50 reservierte Sitzplätze zugeteilt, die nach dem „Windhund“- Prinzip vergeben worden waren. Nur wer am 5. März schnell mit einem Antrag für einen festen Sitz auf die Mail des Gerichts zum Akkreditierungsverfahren antwortete, hatte eine Chance. Innerhalb von drei Stunden waren alle Plätze vergeben. Türkische Medien, die erst später reagierten, gingen leer aus – obwohl acht Menschen, die von den NSU- Mördern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossen wurden, türkischer Herkunft waren.

Unklar bleibt, was sich nun das Oberlandesgericht einfallen lässt. Eine Sprecherin teilte Freitagabend nur mit, der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts werde eingehend geprüft. Ein komplett neues Akkreditierungsverfahren und eine Verschiebung des Prozesses gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte erscheinen allerdings unnötig. Aus Sicht der Karlsruher Richter wäre schon ein „Zusatzkontingent von nicht weniger als drei Plätzen“ für die türkischen Medien möglich. Es könnte ebenfalls nach dem Windhund-Prinzip, vom Bundesverfassungsgericht juristisch korrekt „Prioritätsprinzip“ genannt, vergeben werden. Das Verfassungsgericht nennt zudem als denkbare Alternative ein Losverfahren. Einen garantierten Sitzplatz hat die „Sabah“ damit noch nicht. „Es wäre allerdings sehr schade, wenn ausgerechnet wir, die das Urteil erwirkt haben, nicht dabei wären. Das OLG wird hier sicher eine gute Lösung finden“, sagte Erel.

Es würde offenbar reichen, dass der 6. Strafsenat des OLG München von den Plätzen, die für „normale“ Zuschauer gedacht sind, nun einige für türkische Journalisten freihält. Das Bundesverfassungsgericht schreibt aber den Kollegen in München nicht vor, wie sie im Detail zu reagieren haben. „Unbenommen“ bleibe auch, die Sitzplatzvergabe oder die Akkreditierung „insgesamt nach anderen Regeln zu gestalten“, heißt es in Karlsruhe. Neue Regeln würden allerdings bedeuten, dass der NSU-Prozess wahrscheinlich nicht am kommenden Mittwoch beginnen könnte.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zeigte sich erleichtert über die Entscheidung aus Karlsruhe.

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