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Politik: Nicht zu fassen

Lobbyist Schreiber bringt nun die Regierung in Kanada in Bedrängnis – und schützt sich so vor Auslieferung

Er weiß, wie man Politiker in Schwierigkeiten bringt. Er hat durch bis heute nicht restlos geklärte Geldzahlungen Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble das Leben schwer gemacht und gilt als Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre. Jetzt hat sich der in Toronto lebende deutsch- kanadische Geschäftsmann Karlheinz Schreiber die kanadische Politik vorgenommen und die Regierung in Ottawa in Bedrängnis gebracht. Mit neuen – und bislang nicht bewiesenen – Details über seine Geschäftsbeziehungen zu dem früheren konservativen Premierminister Brian Mulroney hat es Schreiber in den letzten Tagen fast täglich auf die Titelseiten der kanadischen Zeitungen geschafft.

Kern der neuen Vorwürfe, die Schreiber mithilfe seiner Anwälte aus dem Gefängnis lanciert: Mulroney hat im Jahr 1993 noch während seiner Amtszeit Geldzahlungen von Schreiber in sechsstelliger Höhe als Bezahlung für Hilfestellungen beim Anbahnen neuer Geschäfte vereinbart. Eine Vermutung, die damit neue Nahrung erhält, lautet: Vielleicht war Mulroney doch in den Airbus-Bestechungsskandal verstrickt, bei dem seiner Regierung vorgeworfen worden war, in den 1980er Jahren Schmiergeldzahlungen von Schreiber entgegengenommen zu haben. Ein Gericht hatte Mulroney allerdings später von dem Vorwurf freigesprochen und ihm Schadenersatz in Millionenhöhe zugesprochen. Durch die neuen Veröffentlichungen Schreibers gerät Mulroney jetzt erneut in ein schiefes Licht.

Bislang war nur bekannt gewesen, dass Schreiber dem früheren Regierungschef nach seinem Ausscheiden aus dem Amt vor 14 Jahren 300 000 Dollar gezahlt haben und ihn quasi als freiberuflichen Lobbyisten engagiert haben will, damit er Schreiber beim Aufbau einer Restaurantkette und eines Rüstungsunternehmens helfe. Diese Version ergänzte Schreiber, der wegen eines von Deutschland beantragten Auslieferungsverfahrens derzeit im Gefängnis in Toronto sitzt, vergangene Woche um ein paar brisante Details, die inzwischen auch die Regierung des konservativen Premiers – und früheren Mulroney-Schützlings – Stephen Harper irritieren. Nach tagelangen Attacken der Opposition und der kanadischen Presse kündigte Harper zu Wochenbeginn eine unabhängige Untersuchungskommission an, die den gesamten Mulroney-Schreiber-Komplex aufklären soll. Unter der Leitung von David Johnston, dem renommierten Präsidenten der Universität Waterloo, soll bis Januar kommenden Jahres der Rahmen für diese Untersuchung abgesteckt werden. Parallel dazu kündigte auch die kanadische Bundespolizei eine erneute Untersuchung der Vorgänge an.

Wie viel an Schreibers Äußerungen wahr ist, lässt sich derzeit nicht sagen. Zu oft schon hat der gerissene Geschäftsmann damit gedroht, belastendes Material gegen einst mit ihm befreundete Politiker zu veröffentlichen und dann keine ausreichenden Beweise geliefert. So hatte er vor ein paar Jahren im Gespräch mit dem Tagesspiegel angekündigt, brisante Informationen über Edmund Stoiber und andere Unionspolitiker publik zu machen – ohne dass den Worten Taten folgten.

Am Donnerstag befasste sich das Berufungsgericht der kanadischen Provinz Ontario mit Schreibers Einspruch gegen die Auslieferung. Schon am Mittwoch aber forderten mehrere kanadische Oppositionspolitiker, dass Schreiber nicht abgeschoben werden dürfte, solange er in der offiziellen Untersuchung der Mulroney-Affäre nicht als Zeuge gehört wurde. Das kann möglicherweise Jahre dauern. Mulroney hat sich zu Schreibers Barzahlungen bislang nicht konkret geäußert, sondern nur pauschal betont, dass er sich nichts habe zuschulden kommen lassen. „Ich habe nichts falsch gemacht, und ich habe nichts zu verstecken“, sagte er am Dienstag in Toronto, nachdem er sich zuvor selbst für eine öffentliche Untersuchung seiner Beziehungen mit Schreiber ausgesprochen hatte. Neben der Schreiber-Zahlung heizt auch ein erst jetzt bekannt gewordener Brief Schreibers an den amtierenden Regierungschef Harper die Aufregung mit an. Darin hat Schreiber seine Vorwürfe bereits vor Monaten konkretisiert, ohne dass es eine Reaktion der Regierung gab. Harper will den Brief, der an sein Büro adressiert war, jedoch nicht persönlich zu Gesicht bekommen haben.

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