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Politik: Nicht zur Ruhe

Senioren sollen neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben – die Politik stellt die Weichen

Berlin - Spätestens wenn die Rente mit 67 in 20 Jahren Realität ist, müssen sich auch die Unternehmen in Deutschland umstellen. Derzeit haben ältere Menschen nur wenig Möglichkeiten, voll bis zur Rente zu arbeiten. Dabei werden die Unternehmen es sich schon bald nicht mehr leisten können, auf Ältere zu verzichten: In 15 Jahren droht Deutschland ein Fachkräftemangel, warnt etwa das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). „Damit die Wirtschaft ihr Einstellungsverhalten ändert, braucht es schon jetzt ein deutliches Signal, dass die Rente mit 67 kommt“, fordert daher der Rentenexperte Bert Rürup.

Die Politik hat ihre Hausaufgaben gemacht: Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht vor, das Rentenalter von derzeit 65 Jahren schrittweise ab 2012 bis spätestens 2035 auf 67 anzuheben. Arbeitsminister Franz Müntefering könnte sich die Umstellung sogar noch schneller vorstellen – schon 2023 sei ein denkbarer Termin. Das hält auch Rürup für möglich: „Der Zeitpunkt der Einführung ist nicht entscheidend.“ Ein Vorziehen könne die Rentenkassen zusätzlich finanziell entlasten.Vorsichtiger ist der IAB–Arbeitsmarktexperte Johann Fuchs. „Auf Dauer ist die Rente mit 67 unvermeidbar, aber die Menschen und die Unternehmen brauchen Zeit, um sich darauf einzustellen.“ Keiner könne sagen, ob es so bald schon zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere gebe. Allerdings hält es Fuchs auch für möglich, dass eine frühere Anhebung des Renteneintrittsalters schneller zu Veränderungen in den Betrieben führt.

Dass das Alter per se kein Hindernis ist, um auf dem Arbeitsmarkt eine Chance zu haben, zeigt der Blick ins europäische Ausland. So arbeiten in Schweden 72,6 und in Großbritannien 57,3 Prozent der 55- bis 64-Jährigen – in Deutschland dagegen nur 47,5 Prozent. Das Beschäftigungsziel der EU, wonach bis zum Jahr 2010 die Hälfte der erwerbsfähigen 55- bis 64-jährigen Männer und Frauen beschäftigt sein sollen, hat die Bundesrepublik noch nicht ganz erreicht. „Es ist nicht so, dass der Arbeitsmarkt für ältere Menschen keine Verwendung hat“, sagt Hilmar Schneider vom Institut zur Zukunft der Arbeit. Vielmehr sei es in Deutschland politisch gar nicht gewollt gewesen, Ältere zu halten. „Sie sind durch großzügige Vorruhestandsregelungen aus dem Arbeitsmarkt heraussubventioniert worden.“ Die Altersabsicherungen seien so großzügig gewesen, dass für Ältere kein Anreiz mehr bestanden habe, im Berufsleben zu bleiben oder gar wieder einzusteigen. Auch IAB-Experte Fuchs spricht von einer „Vorruhestandskultur“: Wer vor 30 Jahren schon mit 60 aufgehört habe zu arbeiten, sei schräg angeschaut worden. „Heute ist das umgekehrt.“

Immerhin, der Trend hat sich gedreht: Die Deutschen arbeiten wieder etwas länger – heute im Schnitt, bis sie 63 sind.

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