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Politik: Nichts wie raus

Wie die Verwahrung gefährlicher Täter künftig auszusehen hat – und wer zahlt

Berlin - In den „Tagesthemen“ gab Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) den Stab gleich weiter. Nach dem Urteil zur Sicherungsverwahrung am Mittwoch seien die Länder in der Pflicht. „Das heißt jetzt: neue Anstalten bauen, viel Geld investieren und vor allen Dingen Therapieangebote zu verbessern oder überhaupt erst einzuführen und auch Behandlung sehr frühzeitig zu ermöglichen, um eben immer die Perspektive der Freilassung zu haben.“

Holprig formuliert, doch in der Sache richtig. Der Bund muss nur auf Weisung des Verfassungsgerichts neue, gute Gesetze machen – was nicht direkt auf die Kasse schlägt. Die Länder aber, in die mit der Föderalismusreform die Zuständigkeit für den Strafvollzug vollständig abgewandert ist, müssen die Zeche für die alten und schlechten zahlen. Jahrelang wurde die umstrittene Präventivhaft für rückfallgefährdete Täter zur juristischen Allzweckwaffe für Sicherheits- und Kriminaldebatten ausgebaut und gleichzeitig in den Strafanstalten so vollzogen, als hätten die Täter noch Strafe zu verbüßen.

Damit muss Schluss sein, dekretierten die Verfassungsrichter. Und sie schrieben im Detail auf, wie die Verwahrung auszusehen hat, um den Grund- und Menschenrechten zu entsprechen, ganz so, als trauten sie Bund und Ländern nicht, es selbst zu tun. Schon in der Strafhaft müsse die „erforderliche psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische“ Behandlung beginnen. Dann müsse, nach eingehender, den wissenschaftlichen Anforderungen entsprechender Untersuchung, ein Vollzugsplan erarbeitet werden, um „Gefährdungsmomente“ zu minimieren. „Maßnahmen zur Ordnung der finanziellen und familiären Verhältnisse“ sollten die Anstalten treffen, und einen „geeigneten sozialen Empfangsraum“ schaffen, in den der Inhaftierte nach Entlassung eintreten kann.

Im Klartext: Eine psychosozialökonomische, individuell zugeschnittene Rundumversorgung, die sehr teuer werden kann. Neue Anstalten müssten aber nicht gleich gebaut werden, wichtig sei nur eine räumlich getrennte Unterbringung der Verwahrten. Dann hätten die Betroffenen ein Recht auf Ausgang, es sei denn, es führe „zu schlechthin unverantwortbaren Gefahren“. Damit sie ihre Ansprüche durchsetzen könnten, sei ihnen ein geeigneter Beistand beizuordnen. Jede Chance auf baldige Entlassung sei zu prüfen und zu nutzen. Es läuft also, einige Jahre nach der Devise Gerhard Schröders „Wegsperren – und zwar für immer“ auf das exakte Gegenteil hinaus: Es muss, wenn irgend möglich, freigelassen werden.

Der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl rechnet mit Millionenkosten. Auch die anstehenden Entlassungen machen den Politikern Sorgen. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte dem „Hamburger Abendblatt“, auf Gerichte und Gutachter werde viel Arbeit zukommen. Sie müssten künftig in jedem Einzelfall noch einmal prüfen, ob ein Straftäter nur weiterhin gefährlich oder – diese Unterscheidung war den Karlsruher Richtern wichtig – hochgefährlich und psychisch gestört sei. „Wie man diese Unterscheidung künftig ziehen soll, ist mir unklar.“ Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) sieht eine Kehrtwende der Karlsruher Rechtsprechung, weil das Gericht die Freiheitsrechte der Inhaftierten höher bewerte als den Schutz der Bevölkerung. Nun fordert sie vom Bund „wesentliche Leitlinien“. Die Richter hätten von einer „gemeinsamen Pflicht“ gesprochen, die Sicherungsverwahrung zu reformieren, sagte sie der „Augsburger Allgemeinen“. Und die Polizei fürchtet – wieder –, die schmutzigste Arbeit tun zu müssen. 24 bis 26 Beamte seien nötig, um einen entlassenen Schwerstkriminellen rund um die Uhr zu bewachen, heißt es aus der Gewerkschaft der Polizei.

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