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© dpa

Niedersachsen: Muslime unter Generalverdacht

Der „Deutschsprachige Muslimkreis Braunschweig“ kennt das Prozedere inzwischen: Zwei- bis dreimal im Jahr riegeln bewaffnete Polizeimannschaften vor dem Freitagsgebet die Straße vor ihrer Moschee ab und kontrollieren die Papiere der Besucher.

Berlin - Wer sich nicht ausweisen kann, wird bisweilen mit aufs Revier genommen. Beim letzten spontanen Polizeibesuch vor wenigen Wochen mussten sich die Gläubigen vor dem Gotteshaus in einer Schlange anstellen. Wie vor einer Diskothek wurde das Tor immer wieder geöffnet, nach und nach wurden die Besucher eingelassen. „Wir versuchen den Leuten zu erklären, dass die Beamten nur ihren Job machen“, sagt der Vereinsvorsitzende Adel el Domiaty, „aber am Ende bleibt immer ein Geschmack der Verbitterung“.

Verdachtsunabhängige Moscheekontrollen gehören in Niedersachsen zum Standardrepertoire der Polizei und basieren auf dem Landesgesetz „für öffentliche Sicherheit und Ordnung“. Eine konkrete Gefahr muss für das Anrücken der Beamten nicht bestehen, wie aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Landtagsabgeordneten Filiz Polat (Grüne) hervorgeht. Die Kontrollen erfolgten „stichprobenartig“, erklärt das Innenministerium. Immer wieder kommt es dabei zu Beschwerden der Muslime. Um Warteschlangen zu vermeiden, hatte die Polizei den bereits kontrollierten Muslimen anfangs einen Stempel auf die Haut angeboten. Einige Muslime fühlten sich „gebrandmarkt“. Nach Zeitungsberichten riet das Landespräsidium der Polizei von der Stempelei ab.

„Wir haben ja Verständnis für strenge Sicherheitskontrollen“, sagt der Generalsekretär des türkischen Dachverbands Ditib, Ali Ihsan Ünlü. „Allerdings nicht ohne konkreten Anlass.“ Muslimische Gemeinden hätten es ohnehin schwer, gute Beziehungen zu ihren nicht-muslimischen Nachbarn Nachbarn aufzubauen. „Wenn nun die Polizei die ganze Straße wegen uns abriegelt, macht das die Menschen misstrauisch“, so Ünlü. Zudem sehe er die Gefahr, dass vor allem junge Muslime durch Pauschalverdächtigungen radikalisiert werden könnten. Bei einem Treffen mit Innenminister Uwe Schünemann (CDU) kritisierte Ünlü die unsensible Vorgehensweise der Beamten und bat darum, in der heiligen Fastenzeit des Ramadan umsichtig zu sein. „Wir nehmen die Anregung an und bleiben im Dialog“, sagt Schünemanns Sprecher Frank Rasche. Man werde versuchen, im Ramadan „Rücksicht“ auf die Gläubigen zu nehmen. Allerdings könne in dieser Zeit „nicht grundsätzlich“ von Kontrolleinsätzen abgesehen werden. Niedersachsen glaubt als einziges Bundesland an den Nutzen von verdachtsunabhängigen Kontrollen bei Muslimen. Den Vorwurf der Pauschalverdächtigung weist der Ministeriumssprecher zurück. Wegen der Bedrohung durch islamistischen Terrorismus könne Niedersachsen nicht auf die „Erkenntnisgewinnung“ durch spontane Personenkontrollen an „islamischen Knotenpunkten“ verzichten. Inzwischen seien erste Erfolge der „präventiven Einsätze“ sichtbar, erklärt Rasche: „Wir registrieren weniger Hassprediger und kommen nebenbei anderen Delikten wie Organisierter Kriminalität auf die Spur.“

Aiman Mazyek, Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland, deutet eine Vermutung an: „Wir beobachten solche Kontrollen verstärkt vor Wahlen“, sagt Mazyek. „Die Personenkontrollen sorgen für einen großen Imageverlust der Gemeinden, bringen erhebliche Unkosten und unnötige Belastungen für alle Bürger in der Straße mit sich.“ Da müsse man nach der Verhältnismäßigkeit fragen, so Mazyek. Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden, kann ebenfalls keinen Sinn in den Kontrollen erkennen. „Diese Moscheeeinsätze bleiben mir ein Rätsel“, sagte Kramer dem Tagesspiegel.

Ferda Ataman

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