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Stephan Weil (59) ist seit Februar 2013 Regierungschef in Niedersachsen. Der Jurist ist auch Landes-Chef der SPD. Der Ex-Oberbürgermeister von Hannover führt eine Koalition mit den Grünen.

© dpa

Niedersachsens Ministerpräsident im Interview: Stephan Weil: „Die SPD muss Wirtschaftskompetenz beweisen“

Niedersachsens Regierungschef fordert von seiner Partei, das Profil zu schärfen. Benötigt werde eine programmatische Debatte darüber, wie gute Arbeitsplätze behalten und neue geschaffen werden können, sagt der SPD-Politiker im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

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Herr Weil, wie weit muss die SPD in die Mitte rücken, damit sie bei der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2017 eine Chance hat?

Die politische Mitte ist für mich der Ort, wo Arbeitnehmer und ihre Familien zu Hause sind. Dort werden Wahlen gewonnen oder verloren. In der Wahrnehmung dieser Menschen muss die SPD deshalb wieder die Partei werden, die vor allem auch für Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen steht. Das ist die Schlüsselfrage für die Zukunft der SPD, davon hängt unsere Mehrheitsfähigkeit ab.

Heißt das auch, dass die SPD wirtschaftsfreundlicher werden muss?
Die SPD muss wirtschaftspolitische Kompetenz unter Beweis stellen. Nur dann kann sie als Partei der Arbeit glaubwürdig und erfolgreich sein. Denn für Arbeitnehmer ist es entscheidend, dass die Wirtschaft läuft. Eine florierende Wirtschaft in Deutschland ist außerdem die Voraussetzung für einen funktionsfähigen Sozialstaat, für dessen Erhalt die SPD kämpft. Wir sind die Verteidiger sozialer Gerechtigkeit, das ist der Markenkern. Aber wenn wir uns darauf beschränken, werden wir nicht mehrheitsfähig.

Warum gilt die SPD bislang nicht als sonderlich kompetent in Wirtschaftsfragen?
Wir haben das Thema Arbeit und Wirtschaft vielleicht in den vergangenen Jahren nicht entschlossen genug in den Mittelpunkt unserer Politik gestellt. Das müssen wir ändern. Mehrheitsfähig ist die SPD immer dann gewesen, wenn sie als Partei der sozialen Gerechtigkeit zugleich für sichere und für neue Arbeitsplätze stand.

Viele in Ihrer Partei reden lieber über Umverteilung …

Die SPD ist gut beraten, in Zukunft nicht mehr in erster Linie losgelöst über Steuererhöhungen zu debattieren. Steuererhöhungen sind kein Selbstzweck! Die SPD muss rechtzeitig vor der Bundestagswahl eine programmatische Debatte darüber führen, wie wir gute Arbeitsplätze behalten und neue schaffen können.

Geben Sie uns ein Beispiel...
Ein Ansatz ist die Beteiligung der Arbeitnehmer an den Unternehmen. Wir müssen Modelle entwickeln, um das Vermögen in Deutschland gerechter zu verteilen und gegen die Investitionsschwäche der deutschen Unternehmen anzugehen. Eine Stärkung der Kapitalkraft von Unternehmen durch Beteiligung der Arbeitnehmer führt uns da weiter.

Muss die SPD im Wahlkampf 2017 auf Forderungen nach einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes und der Vermögensteuer verzichten?
Am Problem der Abgrenzung von Betriebs- und Privatvermögen versuchen sich die Experten seit Jahren. So lange es kein Konzept für eine Vermögensteuer gibt, das nachweislich Familienunternehmen nicht schädigt, sollte man mit solchen Forderungen zurückhaltend sein.

Und der Spitzensteuersatz?
Auch das steht aktuell nicht an. Eine breite Mehrheit ist nun einmal derzeit nicht der Meinung, dass der Staat mehr Geld braucht. Aber wir müssen nüchtern feststellen, dass wir derzeit in vielen Bereichen auf Substanz fahren. Deutschland tut zu wenig für die Zukunft – darüber muss geredet werden.

Wofür braucht der Staat mehr Geld?
Wir müssen dringend in die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen investieren. An erster Stelle stehen Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Angesichts einer immer älter werdenden Gesellschaft müssen Arbeitnehmer so gut ausgebildet werden wie nie zuvor. Wir müssen alle Potenziale ausschöpfen, wenn unsere Wirtschaft nicht einen dramatischen Fachkräftemangel erleiden soll. Wir brauchen einen aktiven Staat, der gezielt in die Wirtschaft investiert, damit es allen gut geht.

Finanzminister Schäuble macht jetzt zehn Milliarden Euro für Investitionen locker. Genügt das?
Die zehn Milliarden erstrecken sich auf vier Jahre. Damit allein wird sich die Zukunft nicht sichern lassen.

Wie passt es zusammen, wenn sich die SPD einerseits als Wirtschaftspartei präsentieren will, aber eine Koalition mit der Linkspartei im Bund nicht mehr ausschließt?
Das ist alles höchst zweitrangig. Gerhard Schröder hat erfolgreich Wahlkämpfe gewonnen. Er hatte eine klare Orientierung auf Rot-Grün und die Grünen galten nicht als wirtschaftskompetent, aber das fiel nicht ins Gewicht, da die SPD eine starke Position hatte und ihr die Wähler vertrauten. Es geht einzig und allein um die Frage: Wie kann die SPD wieder stärker werden. Bündnisdiskussionen helfen der SPD nicht weiter, wenn sie bei Mitte 20 Prozent herumdümpelt.

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