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Angela Merkel vor Beginn der Kabinettsitzung am Mittwoch 27. Mai 2015.

© AFP

No-Spy-Abkommen: Angela Merkel: Wider besseres Wissen

Angela Merkel habe nach bestem "Wissen und Gewissen" über das No-Spy-Abkommen informiert, sagte ihr Sprecher. Doch nach allem was man weiß, hat sie ihr Wissen entweder ignoriert oder ihr Gewissen hat sie verlassen. Beides wäre ein Vergehen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Nehmen wir Steffen Seibert, den Regierungssprecher, das Sprachrohr von Bundeskanzlerin Angela Merkel, doch einfach mal beim Wort. Die Bundesregierung habe, so sagte er vor rund zwei Wochen, in Sachen "No-Spy-Abkommen" nach "bestem Wissen und Gewissen" informiert.

Fangen wir mit dem "Wissen" an. Das Kanzleramt musste einen Ausweg aus der NSA-Affäre finden, die Edward Snwoden mit seinen Enthüllungen mitten im Bundestagswahlkampf 2013 ausgelöst hatte. Der Verdacht, dass deutsche Daten von den Amerikanern massenhaft ausgespäht werden stand im Raum. Das Ziel der Bundesregierung, allen voran von Angela Merkel, war es, eine verbindliche Erklärung der Amerikaner zu bekommen, dass deutsches Recht auf deutschem Boden nicht verletzt werde und eine Art Nicht-Angriffspakt, ein "No-Spy-Abkommen", mit den USA, abzuschließen. Für beides wollte das Kanzleramt Verbindlichkeiten. Doch die, das belegte schon vor Wochen der vom Rechercheverbund aus "Süddeutscher Zeitung", WDR und NDR offengelegte Mail-Verkehr zwischen Kanzleramt und US-Administration, gab es nicht. Im Gegenteil. Die US-Seite wies darauf hin, dass es keinerlei Zusagen gebe. Das einzige, was es gab, war das Angebot von NSA-Chef James Clapper, über die Möglichkeit eines solchen Abkommens zu reden. Allerdings wies auch er sofort darauf hin, dass eine Entscheidung darüber auf Seiten der Politik liege und nicht auf der der Geheimdienste. Doch von der US-Politik gab es keinerlei positive Signale.

Nun zitiert die "Süddeutsche Zeitung" mit ihren Partnern aus einem Vermerk, der Angela Merkel vorlag und aus dem hervorgeht, dass es zwar das Angebot der NSA gebe, Verhandlungen über ein Abkommen zu prüfen, das aber letztlich die Politik darüber entscheiden müsse. Merkel wusste also, dass es keine feste Zusage gibt, sondern nur eine Absichtserklärung der NSA. Trotzdem störte Merkel das nicht und sie ließ ihren Kanzleramtsminister Ronald Pofalla vollmundig verkünden, dass es das Angebot der USA gebe, ein No-Spy-Abkommen abzuschließen. Weitere enge Vertraute wiederholten die Mär vom vermeintlichen US-Angebot öffentlich.

Weg zur Täuschung ist nicht weit

Nehmen wir nun das "Gewissen". Gehen wir davon aus, dass Merkel die Ankündigung der NSA für beschlossene Sache gehalten hat, dann bleibt die Frage nach ihrem politischen Gespür. Schon im August 2013 als erstmals vom "No-Spy-Abkommen" die Rede war, warnten Sicherheitsexperten aus ihren Reihen davor, dies zu ernst zu nehmen. Die USA haben, so argumentierten damals schon die Experten, mit keiner Nation, nichtmal mit den engsten Geheimdienst-Verbündeten, ein ähnliches Abkommen abgeschlossen. Den Hinweis der NSA, dass die Entscheidung auf politischer Ebene falle, hat sie entweder ignoriert oder nicht verstanden.

Merkel hat also entweder wider besseren Wissens gehandelt und informiert oder sie wurde von ihrem Gewissen verlassen. Dann war sie gutgläubig, geradezu naiv und hat aus dieser Naivität heraus gnadenlos übertrieben, um sich in der NSA-Affäre kurz vor der Bundestagswahl Luft zu verschaffen. Ein "No-Spy-Abkommen" war nie wirklich in greifbarer Nähe - Merkel muss das entweder gewusst oder geahnt haben, geändert hat es an ihrem Verhalten nichts. Der Weg zur bewussten Täuschung der Öffentlichkeit ist da nicht mehr weit weg.

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