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Politik: „Noch ist Sri Lanka kein Darfur“

Der Gründer der Hilfsorganisation Sewalanka sieht die Insel ohne internationale Hilfe im Chaos versinken

Im Norden und Osten Sri Lankas liefern sich Regierungstruppen und Tamilenrebellen seit Monaten blutige Kämpfe. Der Waffenstillstand von 2002 existiert faktisch nur noch auf dem Papier – in der Nacht zum Montag starben bei einem Gefecht vor der Küste mindesten 70 Rebellen. Harsha Kumara Navaratne ist Gründer der sri-lankischen Hilfsorganisation Sewalanka.

Es gibt kaum Nachrichten aus den von Tamilen kontrollierten Gebieten, Ihre Organisation ist eine der wenigen, die noch dort arbeitet. Wie ist die Lage?

Im Osten wie im Norden spielt sich eine humanitäre Krise ab. Rund um Jaffna und Trincomalee sind jeweils etwa 60 000 Menschen durch die Kämpfe zwischen der Regierung und den Tamilen von der LTTE vertrieben worden. Dort sind Lebensmittel und Benzin knapp. Der Übergang zwischen Jaffna und dem Süden ist zerstört, es wird Wochen dauern, ihn wieder nutzbar zu machen.

Heißt das, die Menschen sind von Hilfslieferungen abgeschnitten?

Es ist eine vertrackte Situation. Die Regierung sagt, sie sei bereit, Lebensmittel zu liefern. Allerdings rationiert nach der Anzahl der Familien, die dort leben. Im Hafen von Trincomalee und an den Übergängen zum Tamilengebiet gäbe es Lebensmittel. Aber das Internationale Rote Kreuz gibt bisher wegen der Kämpfe kein grünes Licht. Es sagt, es kann die Sicherheit der Transporte nicht garantieren. Es ist schwierig, in die Gebiete zu kommen.

Wie arbeiten Sie dort?

Sewalanka hat in den LTTE-Gebieten zahlreiche lokale Mitarbeiter und vier ausländische Kollegen. Die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Deutschen Welthungerhilfe ist für uns wichtig, weil sie unsere lokalen Mitarbeiter ausbilden und deren Schutz sichern. Seit Ausbruch der Kämpfe haben wir große Probleme. Ausländer brauchen nun eine Erlaubnis des Verteidigungsministeriums, um in den LTTE-Gebieten zu arbeiten. Im Moment hat aber kein ausländischer Mitarbeiter ein Arbeitsvisum, nur einige Mitarbeiter des UN-Flüchtlingswerks. Wir haben jetzt aber Hinweise bekommen, dass unsere ausländischen Kollegen bald eine Genehmigung erhalten könnten. Die Regierung sagt, sie werde ein paar Wochen brauchen, wenn der norwegische Vermittler wieder da ist.

Welche Hoffnungen knüpfen Sie an die Vermittlungsbemühungen?

Regierung und LTTE haben nach monatelangen Kämpfen wieder Gesprächen zugestimmt. Wir hoffen, dass sich in den kommenden Tagen klärt, wie es weitergehen kann. Als Erstes muss über die humanitäre Lage gesprochen werden. Dazu müssten beide Seiten die Straße in die LTTE-Gebiete freigeben. Darauf muss die norwegische Intervention abzielen.

Was erwarten Sie darüber hinaus?

In Sri Lanka können Sie die Entwicklung nie vorhersagen. Innerhalb eines Tages kann sich die Situation ändern. Sie kann besser oder schlechter werden. Aber es gibt Hoffnung. Die Regierung verhandelt im Moment mit der Opposition – zum ersten Mal in der Geschichte. Wir hoffen, dass sie eine Art nationalen Pakt schließen und sich mindestens auf ein einjähriges Programm einigen, um für den Frieden zu arbeiten. Dann würde sich die Situation komplett ändern, denn dann könnten die kleineren Parteien in der Regierung, die gegen eine internationale Vermittlung sind, die Verhandlungen nicht mehr blockieren.

Warum ist Ihnen die internationale Gemeinschaft so wichtig?

Den Waffenstillstand 2002 hat es nur wegen der internationalen Gemeinschaft gegeben. Auch jetzt hat die LTTE nur wegen der internationalen Vermittlung neuen Gesprächen zugestimmt. Wir glauben, nur wegen der internationalen Aufmerksamkeit ist Sri Lanka kein Darfur. Nun muss sich Sri Lanka entscheiden, ob es Darfur oder Singapur werden will. Das muss die internationale Gemeinschaft den Entscheidern klar machen.

Das Gespräch führte Ingrid Müller.

Harsha Kumara Navaratne ist Singhalese. 1992 gründete der frühere Filmregisseur die sri-lankische Hilfsorganisation Sewalanka. Er arbeitet mit der Deutschen Welthungerhilfe zusammen.

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