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Politik: Noch mehr Applaus

Die Partei feiert Wolfgang Gerhardt. Der Fraktionschef akzeptiert Westerwelles Führungsposition – er will Außenminister werden

Als es wieder ruhig wurde im Saal, machte Detlev Fricke einen Fehler. Die 660 Delegierten der FDP in der Kölner Messehalle staunten jedenfalls nicht schlecht, als ihr Berliner Tagungsleiter von seinem Bühnenplatz aus verkündete, der Applaus für die Rede Wolfgang Gerhardts sei „gleichlang“ wie am Tage zuvor bei FDP-Chef Westerwelle gewesen. Das war glatt gelogen. Viereinhalb lange Minuten zuvor hatten sich die Delegierten nach dem Beitrag ihres Fraktionsvorsitzenden nicht mehr auf ihren Plätzen halten können – und dermaßen demonstrativ geklatscht, dass Guido Westerwelles Lächeln von Minute zu Minute säuerlicher wurde. Der Parteichef blieb aber stehen, applaudierte mit und schaute etwas ungläubig auf sein Parteivolk, als wollte er sagen: An der Rede kann das nicht gelegen haben, dass ihr mehr als eine Minute länger als bei mir klatscht – woran aber sonst?

Das große rhetorische Feuerwerk hatte Gerhardt an „seinem“ von der Parteitagsregie vorgesehenen Tag gerade nicht entzündet. Stattdessen verbreitete er zwei Botschaften. Erstens: Ich will Außenminister werden. Und zweitens: Das reicht mir. Westerwelle ist Parteichef, und das soll auch so bleiben.

Anders als viele Delegierte es erwartet hatten, anders als im vergangenen Jahr in Dresden, als er eine tour d’horizon durch alle Politikfelder unternommen hatte, und anders als am Tag zuvor Guido Westerwelle beschränkte sich Gerhardt nach einem Exkurs in Richtung Gewerkschaften weitgehend auf die Außenpolitik. „Ich weiß, wovon ich rede“ – mit diesen Worten begann der außenpolitisch spätberufene ehemalige Bildungspolitiker seinen Generalangriff auf die nach seinen Worten „ausgezehrte“ Außenpolitik der Bundesregierung. Die transatlantischen Beziehungen würden vernachlässigt, und in der Europapolitik sei kein Gestaltungswille mehr erkennbar. Das liege auch daran, dass unter „Joseph Fischer“ die „handwerkliche Kunst deutscher Außenpolitik“ verloren gegangen sei.

Schärfer als in seinem Redemanuskript vorgesehen kritisierte Gerhardt auch die Chinapolitik der Bundesregierung, die sich nicht mehr an Werten orientiere. Angesichts des „spärlichen Zustands“ der Menschenrechte in China und der „unerträglichen“ Politik Pekings gegenüber Tibet sei es ein „großer Fehler“, das EU-Waffenembargo gegenüber China aufheben zu wollen.

Einen Richtungswechsel deutete Gerhardt in der Haltung der Liberalen gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei an. Zwar würden die Beitrittsverhandlungen „ergebnisoffen“ geführt. Man müsse neben einer Vollmitgliedschaft aber auch über „Alternativen“ nachdenken. Ohne die CDU-Forderung nach einer „privilegierten Partnerschaft“ mit der Türkei konkret zu benennen, warnte Gerhardt vor einer „Überdehnung“ der Europäischen Union: „Es gibt Grenzen der Erweiterung.“

Am Ende seiner Rede genoss Gerhardt den langen Schlussapplaus sichtlich. Als der nicht enden wollte, ging er zwischendurch wieder auf seinen Platz zurück, stand dann aber noch einmal auf. Er ging zu Westerwelle und klatschte ihm auf die Schulter. Eigentlich ist für solche Gesten der Parteichef zuständig.

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