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In höchster Not. Kinder und Jugendliche in Misrata fordern den Einsatz der internationalen Gemeinschaft in der umkämpften westlibyschen Stadt.

© Odd Andersen/AFP

Politik: Noch verhallt der Hilferuf aus Misrata

Die Nato-Luftangriffe konnten Gaddafis Truppen bisher nicht aufhalten, doch Bodentruppen sind tabu

Misrata ist nach Tripolis und Bengasi die drittgrößte Stadt Libyens. Der Hafenmetropole kommt strategische Bedeutung zu – nicht zuletzt weil es von dort Richtung Westen nur rund 200 Kilometer bis in die libysche Hauptstadt sind. Seit gut vier Wochen stehen sich dort Truppen des Machthabers Muammar al Gaddafi und Aufständische gegenüber. Wie viele es sind, weiß selbst die Nato nicht genau. Man verfüge nur über sehr grobe Schätzungen, die auf Beobachtungen eigener Kampfjetpiloten beruhen, sagt ein Militär im Brüsseler Hauptquartier der Allianz.

Fakt jedenfalls ist, dass die Nato-Angriffe zwar Gaddafis Luftwaffe und viele schwere Panzer ausschalten, seine Armee als Ganzes bisher aber nicht entscheidend schwächen konnten. In den Straßen Misratas hat sich ein Häuserkampf entwickelt. „Es gibt eine Grenze, was mit Luftangriffen in einer Stadt erreicht werden kann“, hat Nato-Brigadegeneral Mark van Uhm bereits eingeräumt.

In Militärkreisen des Bündnisses heißt es, Soldaten des Regimes liefen, teils in zivil, durch die engen Gassen Misratas. Raketenwerfer und Mörser seien auch in Wohnhäusern stationiert und somit nicht nur schwer zu lokalisieren, sondern nur mit einem unvertretbaren hohen Risiko für die Einwohner mit Bomben aus der Luft auszuschalten. Dasselbe gilt für das verbliebene schwere Gerät der libyschen Armee, das dem Nato-Kommandierenden Charles Bouchard zufolge in der Nähe von Schulen, Krankenhäusern und Moscheen stationiert ist. Auch hier verbieten sich Luftangriffe – trotz Präzisionswaffen.

So bleiben die Aufständischen, die den Ostteil Libyens kontrollieren, so stark unter Druck, dass sie nach Nato-Bodentruppen zu ihrer Unterstützung verlangen. Die Nato hält davon wenig, da westliche Soldaten in dem arabischen Land auch den Rückhalt für die Opposition schwinden lassen könnten. Das, betonte jedoch Abdullah Abdulati als Sprecher der Rebellen gegenüber der „Washington Post“, sei die Haltung vor den „Verbrechen“ der Gaddafi-Truppen an der Bevölkerung gewesen. Gemeint ist damit das Abfeuern international geächteter Streubomben auf Wohngebiete in Misrata, worüber die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtete.

Dennoch kamen aus Paris und London am Mittwoch klare Absagen, auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle sprach ein deutliches Nein in die Mikrofone. Ein hoher Militär sagte dem Tagesspiegel, dass die Anfrage in der morgendlichen Sitzung der 28 Nato-Botschafter „kein Thema“ gewesen sei. Für eine „Eskalation“ des Konflikts gebe es „keine Planungen“. Dies liegt vor allem daran, dass man nicht in einen Krieg am Boden hineingezogen werden will. Als weniger problematisch wird im Nato-Hauptquartier dabei die UN-Resolution 1973 gesehen. Dort heißt es, dass der Schutz von Zivilisten „mit allen notwendigen Mitteln“ gewährleistet werden soll. Ausgeschlossen sind nur Besatzungstruppen. „Um Besatzungstruppen handelt es sich erst“, so der hohe Nato-Militär, „nachdem der militärische Sieg errungen ist.“ Da aber Bodentruppen politisch tabu sind, rechnen Militärs mit einem langen Einsatz.

Die EU hat sich zu einer militärisch unterstützten Hilfsmission für Misrata bereit erklärt. Dafür würden auch Soldaten an Land Flughäfen sichern. Die Genfer UN-Stelle zur Koordinierung der humanitären Hilfe lehnt dies bisher ab. Sie will nicht, dass ihre Konvois zu Zielen werden.

Das Drängen der Europäer ist dabei auffällig. Nachdem die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat tiefe Gräben offengelegt hatte, soll die Mission Eufor Libyen nun offenbar die Handlungsfähigkeit der EU demonstrieren. „Es gibt Berührungsängste zwischen EU, Nato und Vereinten Nationen“, sagt der Nato-Militär, „da spielt jeder seine Spielchen.“ Keine guten Aussichten für die Menschen in Misrata.

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