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Einsatzbereit. Die Fregatte „Augsburg“ – hier auf einem Archivfoto vom Marinestützpunkt Wilhelmshaven – wurde in der Nacht zum Sonntag dem Einsatzkommando der Franzosen unterstellt. Mit 230 Soldaten an Bord schloss sie sich im Mittelmeer dem Verband unter Führung des französischen Flugzeugträgers „Charles de Gaulle“ an.

© Carmen Jaspersen/dpa

CDU-Politiker Norbert Röttgen über den Syrien-Einsatz: "Jetzt erkennen wir unsere Verantwortung"

Nach Ansicht von Norbert Röttgen, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, haben die Anschläge von Paris Deutschland zu einem Lernprozess gezwungen. Aber eine militärische Kooperation mit Assad schließt er aus.

Von Hans Monath

Herr Röttgen, vor zwei Monaten hat der deutsche Außenminister Frankreich, Großbritannien und Russland im Bundestag vor einem militärischen Engagement in Syrien gewarnt. Nun macht Deutschland mit der Entsendung von Aufklärungstornados genau das, wovor Steinmeier damals warnte. Wie passt das zusammen?

Durch die Terroranschläge von Paris können wir endgültig nicht mehr übersehen, dass der Krieg und Terror im Nahen Osten auch unsere eigene Sicherheit berühren. Das war auch vor zwei Monaten schon so. Aber jetzt ist es uns auf bestürzende Weise deutlich gemacht worden.

Analytiker warnen vor einer Mission ohne erkennbare Strategie. Gibt es eine Strategie für diesen Einsatz?

Unser militärischer Beitrag ist der Einsicht geschuldet, dass Europa an der Eindämmung und Auflösung dieses Konfliktes mitwirken muss. Europa übernimmt nun eine neue strategische Aufgabe in seiner Nachbarschaft. Jahrzehntelang war es für uns selbstverständlich, dass die Amerikaner dort als Ordnungsmacht wirkten. In den vergangenen Jahren aber hatten Amerikaner und Europäer diese Region sich selber überlassen. Das führte zu Hunderttausenden von Toten. Jetzt erkennen wir unsere Verantwortung und nehmen sie wahr.

Der CDU-Politiker Norbert Röttgen
Der CDU-Politiker Norbert Röttgen

© dpa/Oliver Berg

Ist nicht die Lehre aus bisherigen militärischen Interventionen des Westens – Stichwort Irak, Libyen –, dass es ohne einen Plan für die Zeit nach den Kämpfen gar keine Zeit ohne Kämpfe geben wird?

Wir arbeiten doch an einem politischen Rahmen für diesen Einsatz. Die Verhandlungen in Wien über die Zukunft Syriens haben zumindest einen ermutigenden Anfang genommen. Im Irak schreitet der Prozess voran, dass die Regierung alle Gruppen des Landes einbezieht. In Libyen unterstützen die Vereinten Nationen Bemühungen, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, auch weil der IS das Land zunehmend als Operationsbasis nutzt.

Bis vor zwei Wochen funktionierte der deutsche Beitrag zu einer politischen Lösung für Syrien doch auch, ohne dass wir Flugzeuge schickten…

Durch den Anschlag von Paris haben wir die militärische Gewalt dieser Region auch in Europa gespürt. Das hat uns in einen Lernprozess gezwungen. Wir wissen nun: Wir brauchen über unseren politischen Beitrag nicht mehr zu reden, wenn wir uns einem militärischen Beitrag verweigern.

Bei den Wiener Verhandlungen und in Syrien spielt Russland eine wichtige Rolle. Soll man Putin im Gegenzug für eine konstruktive Rolle in Syrien Erleichterung bei den Ukraine-Sanktionen in Aussicht stellen?

Die Vermischung beider Konflikte wäre das Falscheste, was wir tun könnten. Es wäre auch kein Lösungsbeitrag. Man kann nicht für einen Waffenstillstand in Syrien einen Handel treiben und vor der russischen Aggression in der Ukraine die Augen schließen. Das wissen auch die Russen, sie haben selbst ein Interesse an einem Ausgleich in Syrien. Sie wollen dort nicht dauerhaft in den Krieg engagiert sein. Sie suchen eine Exit-Strategie - und die kann nur politisch sein.

Militärexperten sagen, Luftangriffe allein können die Terrormiliz IS nicht besiegen. Wer soll die Bodentruppen stellen?

Es gibt Truppen, die am Boden kämpfen, etwa die irakischen und syrischen Kurden und die irakische Armee. Die Angriffe der Anti-IS-Koalition aus der Luft haben militärische Erfolge möglich gemacht, denken Sie an die Befreiung der Stadt Sindschar. Aber es stimmt: Es sind zu wenige Bodentruppen. Deshalb kommt es entscheidend darauf an, dass sunnitische Länder zusätzliche Kämpfer schicken, die am Boden gegen den IS vorgehen.

Alle Gegner des IS in der Region haben in Wirklichkeit aber einen anderen Hauptfeind als den IS. Keiner will Truppen in dessen Hochburgen schicken. Was folgt daraus?

Draus folgt: Es gibt noch viel politische Arbeit in der Region zu erledigen. So haben etwa die Sunniten im Irak noch immer zu wenig Vertrauen in die neue Regierung in Bagdad und kooperieren deshalb lieber mit dem IS. Die Türkei hat noch nicht den Kampf gegen den IS als wichtigste Aufgabe definiert. Wir müssen einen Konsens darüber herstellen, dass der IS die größte Gefahr ist.

Sowohl der deutsche Außenminister als auch die Verteidigungsministerin sprechen sich dafür aus, eine militärische Kooperation mit Teilen der syrischen Armee zu suchen – ist das ein viel versprechender Weg?

Solange Assad an der Macht ist, gibt es keine militärische Kooperation. Das ist Konsens in der Koalition. Was danach ist, kann man noch nicht absehen.

Was sollte Assad überhaupt zum Abdanken bewegen?

Die Frage ist nicht was, sondern wer. Die Antwort darauf ist, Russland und Iran. Jedenfalls für Russland ist Assad, meiner Ansicht nach, am Ende Verhandlungsmasse.

Die Erfahrung aus vielen Konflikten ist, dass der totale Zusammenbruch staatlicher Ordnung noch mehr Menschenleben kostet als die Ausübung von Gewalt durch eine autokratische Regierung. Muss sich die deutsche Öffentlichkeit in Syrien auf hässliche Kompromisse einstellen, wenn vielleicht nicht Assad, aber sein Regierungsapparat für die Zukunft des Landes gebraucht wird?

In der Außenpolitik muss man die Realitäten zur Kenntnis nehmen und kann nicht die eigenen Werte und das eigene Verständnis von Institutionen auf andere übertragen. Der Zerfall von Staaten schafft Freiraum für ungezügelte Gewalt, für Menschenhandel und Terrorismus. Das müssen wir verhindern. In Syrien und Irak mag einiges dafür sprechen, föderale, dezentrale Strukturen unter Wahrung der staatlichen Einheit der Länder zu entwickeln. Die heikle Aufgabe ist, Stabilität zu erreichen, die nicht mit politischer Repression erkauft wird.

Warum klären deutsche Flugzeuge nur auf und werfen keine Bomben - aus Rücksicht auf die militärkritische deutsche Öffentlichkeit?

Nein. Es gibt nun einmal genügend andere Nationen, die das können. Es sind nun die besonderen Fähigkeiten der deutschen Aufklärungs-Tornados gefragt.

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