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Politik: Norddeutsch gewendet

Nicht alle in der FDP sind glücklich über den Flirt ihres Spitzenmannes Kubicki mit der SPD

Von Robert Birnbaum

Berlin - Es gibt solche in der FDP, die würden den Parteifreunden in Schleswig-Holstein am Liebsten alles erdenklich Schlechte wünschen. Aber wenn die gleichen Freidemokraten an das große Ganze denken, unterdrücken sie die Versuchung lieber doch. Wenngleich seufzend vor Bedauern. Wolfgang Kubicki, Spitzenmann der Nord-FDP, ist bei den Liberalen südlich der Elbgrenze als Jürgen Möllemanns kleinerer Erbe verschrien – eine Einordnung, der Kubicki selbst nicht mal widersprechen würde. Sein verstorbener Freund war immer sein großes politisches Vorbild. Und ein bisschen eifert er ihm eben nach.

Zum Beispiel, was das dezente Wackeln angeht. Anfang letzter Woche hat der 52-Jährige angefangen, sich von dem Bündnis mit der CDU abzukoppeln, das beim Blick auf die Zahlen eigentlich das einzig realistische schien. Auch wenn der fixe Rechtsanwalt Kubicki den CDU-Spitzenkandidaten Peter Harry Carstensen, einen gemütlichen Bürgermeistertypen, nie so richtig satisfaktionsfähig fand. Nun also blinkte der Freidemokrat auf einmal links: „Ich kann mir vorstellen, mit jedem eine Koalition zu bilden, der vernünftig genug ist, eine Politik auf den Weg zu bringen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Landes voll ausschöpft“, bedeutete er, ungewohnt gewunden, aber in der Sache doch deutlich im „Flensburger Tageblatt“. Und für die, die die Andeutung möglicherweise nicht verstanden hatten, kam im Wahlkampf-Endspurt der Klartext hinterher: „Wenn es keine andere Möglichkeit gäbe, dann wäre für mich Rot-Gelb immer noch besser als Rot-Grün.“ Dass der Fall eintreten könnte, ist freilich höchst unwahrscheinlich, und die Nord-FDP weiß das natürlich: Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), als Partei der Dänen-Minderheit im Grenzland von der Fünf-Prozent-Hürde ausgenommen, wird mit ihren traditionell drei bis vier Prozentpunkten eher zum sozialdemokratischen Lager gerechnet. Da müsste denn die FDP schon satt zweistellige Ergebnisse erzielen, um das sprichwörtliche Zünglein an der Waage zu spielen – was sie aber nach den ersten Prognosen nicht schaffen dürfte.

Tatsächlich verbirgt sich hinter dem Links-Blinken wohl eher ein taktischer Wahlkampf-Dauerbrenner, den Kubicki schon bei seinen drei vorigen Spitzenkandidaturen gern gezündet hat: Der Versuch nämlich, unschlüssige SPD-Sympathisanten zu gewinnen und mit ihnen das eigene Ergebnis anzureichern. Wenn das klappt, kann sich der Bundesvorsitzende Guido Westerwelle fest auf unerwünschte Ratschläge aus Kiel im Bundestagswahlkampf 2006 verlassen.

Aber darauf sind sie im Berliner Thomas-Dehler-Haus sowieso eingestellt. Genau so wie darauf, den letzten halbwegs prominenten Kritiker des Chefs nach Kräften zu ignorieren. Nur sein Wahlergebnis kann ihnen eben nicht egal sein. Gut muss es sein, damit Westerwelle die Liste ununterbrochener Wahlerfolge seit dem Desaster im Bund 2002 fortschreiben kann, die er als Erfolgsausweis führt. So gut, dass Rot-Gelb herauskommt, sollte es nicht sein. Das Vorbild würde den Parteifreunden in NRW ihre Wahlkampfaufstellung nicht direkt vereinfachen.

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