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Im Dauereinsatz. Ärzte und Pfleger in norddeutschen Kliniken, wie hier im Hamburger Marienkrankenhaus, arbeiten derzeit rund um die Uhr.

© dpa

Norddeutschland: Es fehlen Betten, Blut und Personal

In Norddeutschland stoßen die Kliniken wegen des EHEC-Erregers an ihre Grenzen. Patienten drohen neurologische Folgeschäden. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz ruft zu Blutspenden auf.

Auch wenn der EHEC-Erreger mittlerweile erste Todesopfer außerhalb von Norddeutschland gefordert hat, bleibt der Norden des Landes das Zentrum der gefährlichen Darmerkrankungen. Am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg und in den Universitätskliniken von Kiel und Lübeck stößt man inzwischen mit Bettenkapazitäten, personell und mit den benötigten Blutkonserven an Grenzen.

Station 41 b am Uni-Klinikum Lübeck, sonst für gewöhnliche Magen- und Darminfektionen vorgesehen, ist zur EHEC-Station umfunktioniert worden, bei der eine intensive 24-Stunden-Betreuung erforderlich ist. Sie platzt aus allen Nähten. Die Belastung des Personals ist immens. Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) findet, „hier wird zurzeit Übermenschliches geleistet“. Laut seinem Ministerium liegen Pläne bereit, dass aus anderen Krankenhäusern Pflegekräfte die Uni-Kliniken in Kiel und Lübeck unterstützen. Ein Hilfsangebot der Bundeswehr für die Nord-Länder liegt vor. Darauf wurde bisher aber noch nicht zurückgegriffen.

Die Zahl der Neuerkrankungen ist zumindest in Hamburg zwar rückläufig. Das teilte der Chef des Universitätskrankenhauses Eppendorf (UKE), Jörg Debatin, mit. Doch er macht sich Sorgen um mehrere Patienten, die auf der Intensivstation liegen und die nach Koma- und Krampfzuständen bereits künstlich beatmet werden müssen. Bei ihnen ist nicht nur die Nierentätigkeit außer Funktion, sondern auch die Gehirnzellen sind angegriffen. Dies sei bei der Hälfte der 58 Patienten der Fall, teilt der UKE-Neurologe Christian Gerloff mit. Es gebe Unruhezustände, aber auch Sprachstörungen – ähnlich wie bei einem Schlaganfall – oder Zuckungen bis hin zu epileptischen Anfällen. Einzelne Patienten hätten auch kleine Schlaganfälle als Folge der Erkrankung gehabt, weil kleine Gefäße verstopfen. Mediziner befürchten deshalb auch, dass Patienten selbst nach Zurückdrängen des Krankheitserregers mit neurologischen Folgeschäden leben müssen.

„Ich hoffe, dass der Höhepunkt der Erkrankungswelle überschritten ist“, sagte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) bei der Vorstellung der neuen Zahlen. Demnach werden 94 Patienten wegen des Hämolytisch-Urämischen-Syndroms (HUS) behandelt. Das sind in drei Tagen nur drei Neuaufnahmen mehr als am gesamten vergangenen Freitag. Insgesamt verzeichnet man derzeit 488 EHEC-Fälle in der Hansestadt. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) besuchte am Montag den Krisenstab des UKE, der zu Blutspenden aufrief, weil das für die Nierendialyse nötige Blutplasma bei anhaltendem EHEC-Krankheitsstand knapp zu werden droht.

Etwas weniger stark betroffen bleiben Niedersachsen mit insgesamt 242 Krankheitsfällen (42 HUS-Fälle) und Mecklenburg-Vorpommern mit 84 bestätigten Fällen (23 HUS-Fälle). Seit vergangenen Freitag sind dies 35 Neumeldungen. Bremen hat 82 Erkrankungen erfasst (28 HUS-Fälle). In Schleswig-Holstein sind 311 Menschen erkrankt (115 HUS-Fälle).

In Hamburg wurde unterdessen einer zehnten Gymnasiumsklasse für vorerst eine Woche unterrichtsfrei erteilt, nachdem dort vier Infektionsfälle bekannt geworden waren. An anderen Schulen gab es bisher jeweils nur Einzelfälle – 26 Schüler und neun Lehrer. Die Schulbehörde hat am Montag ein zweites Schreiben verschickt, bei dem es um das Verhalten in der Kantine oder am Pausenkiosk geht.

Mitte der Woche wird in Hamburg mit dem Ergebnis der Untersuchung gerechnet, ob der auf den drei spanischen Gurken gefundene EHEC-Erreger identisch ist mit den Befunden von Patienten-Stuhlproben.

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