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Paisley

© AFP

Nordirland: Der Koloss geht

Ende einer Epoche: Nordirlands Protestantenführer und Chefminister Paisley gibt seine Ämter auf.

Den Papst nannte er einen „Antichristen“, politischen Feinde „Ungeziefer“, sein Lieblingswort war „Nein“. Nordirlands Regierungschef Ian Paisley schrieb Geschichte in der einstigen Konfliktregion. Vor knapp einem Jahr willigte der ewige Neinsager in eine Koalition mit der katholischen Sinn-Féin-Partei, dem politischen Arm der Terrorgruppe IRA, ein. Nur zehn Monate später verabschiedet sich der protestantische Pfarrer von der politischen Bühne, wo er fast fünf Jahrzehnte eine der Hauptrollen spielte.

Der 81-Jährige hat seinen Rücktritt als Chefminister Nordirlands sowie als Parteichef der Unionistenpartei DUP für Mitte Mai angekündigt. Zweifelhafte Geschäfte seines Sohnes und eine zu sichtbare Wärme im Umgang mit seinem Stellvertreter, dem Katholiken Martin McGuinness, hatten Paisleys reaktionäre Anhänger aufgebracht. Im Januar hatte Paisleys DUP überraschend eine Nachwahl verloren. Nun wird der Mann, der jahrzehntelang jeden Kompromiss mit der katholischen Minderheit Nordirlands sabotiert hatte, wegen freundlichen Betragens gegenüber McGuinness, dem einstigen Stabschef der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), in den unfreiwilligen Ruhestand gezwungen. Der Sohn eines Baptistenpfarrers ging stets eigene Wege. Er gründete eine fundamentalistische Protestantenkirche und seine eigene Partei. Stets appellierte er skrupellos an die Ängste von Nordirlands Protestanten und stürzte moderate Rivalen. Die Wähler dankten es ihm mit rekordverdächtigem Zulauf und Mandaten in Belfast, London und Straßburg. Viele Mitglieder protestantischer Untergrundverbände sagten später, auch Paisleys Brandreden hätten ihnen ideologische Grundlage für den Mord an Katholiken geliefert.

An den Friedensgesprächen in Nordirland, die vor zehn Jahren im Karfreitagsabkommen gipfelten, nahm Paisley nicht teil, aber er beanspruchte anschließend die Ministersessel in der vereinbarten Koalition. Seine destruktive Kritik höhlte die politische Mitte aus: Im Herbst 2003 wurde seine Partei zur stärksten Kraft. Nun stand der Brandstifter selbst in der Verantwortung; die DUP rückte näher zur Mitte. Zunächst gab sich Paisley unbeugsam. So zwang er die IRA zur Abrüstung und Sinn Féin zur Anerkennung der nordirischen Polizei. Auf dieser Grundlage ging er im Mai 2007 dann die Koalition mit seinen einstigen Todfeinden ein. Nur ein Hardliner wie er konnte diese politische Kehrtwende überstehen. Nur Paisley konnte einen Friedenspakt schließen, der sich kaum vom inzwischen verhöhnten Karfreitagsabkommen unterschied.

Irlands Premier Bertie Ahern nannte Paisley den politischen Koloss Nordirlands. Ihm nachfolgen könnte Peter Robinson, derzeit Finanzminister. Er gilt als kompetenter Administrator, der die Fäden in Händen hält. Robinson könnte eine schärfere Tonart gegenüber Sinn Fein anschlagen, besonders wenn es in Zukunft darum geht, ob die Regierung auch die Verantwortung für Justiz und Polizei übernimmt. Aber Robinson ist in erster Linie ein Pragmatiker. Unter ihm könnte sich der Ton ändern, die Inhalte kaum.

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Martin Alioth

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