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Große Geste. Hwang Pyong So, ein naher Vertrauter von Jungdiktator Kim Jong Un und die Nummer zwei des Regimes, reicht seinem südkoreanischen Gegenüber Kim Kwan Jin, dem höchsten Sicherheitsberater von Präsidentin Park, die Hand

© AFP

Nordkorea: Der Wunsch nach Wiedervereinigung

Eine hochrangige Delegation aus Pjöngjang ist überraschend zum Abschluss der Asienspiele nach Südkorea gereist und hat das Gespräch mit Regierungsvertretern gesucht. Das Wort Wiedervereinigung ist wieder in aller Munde. Doch bestehen wirklich reelle Chancen auf eine Annäherung?

Hochrangige Funktionäre aus Nordkorea haben die Abschlusszeremonie der Asienspiele an diesem Wochenende für einen überraschenden Besuch beim Rivalen im Süden genutzt. Im Vorfeld war aus dem Norden selbst vom Wunsch nach Wiedervereinigung die Rede gewesen. „Ein Land, zwei Systeme“, lautete der verblüffende Vorschlag aus Pjöngjang, der ebenso Aufsehen erregte wie die seltene Reise der hochrangigsten Delegation aus dem Norden.

Strahlende Funktionäre

Fotos zeigten eine aufgeräumte Stimmung nach dem Arbeitslunch in Incheon. Über das ganze Gesicht strahlte der reich dekorierte Hwang Pyong So, Nordkoreas höchster politischer Offizier der Streitkräfte, der sich mit dem Süden auf die Wiederaufnahme von hochrangigen Gesprächen zwischen Nord und Süd noch in diesem Jahr verständigen konnte. Der Handschlag zwischen Hwang, ein naher Vertrauter von Jungdiktator Kim Jong Un und die Nummer zwei des Regimes, und seinem südkoreanischen Gegenüber Kim Kwan Jin, dem höchsten Sicherheitsberater von Präsidentin Park, kann durchaus als kleinerer Durchbruch bezeichnet werden. Seit dem Zusammenbruch der Pekinger Sechserrunde im Jahr 2009 kam es immer wieder zu Gesprächsversuchen zwischen Pjöngjang und Seoul, letztmals diesen Februar, ohne dass auf vage Worte konkrete Taten folgten. Über den Inhalt der Gespräche in Incheon wurde nichts bekannt. Im Oktober oder Anfang November soll weiterdiskutiert werden, um „weitere Gesprächsrunden“ vorzubereiten, wie aus Südkoreas Ministerium für die Wiedervereinigung verlautete.

Unerwartete Charmeoffensive

Es ist unklar, weshalb der Norden ausgerechnet jetzt nach fast vierjähriger Pause neue Gespräche offeriert. Gegenseitige Anfeindungen hatten 2013 mit dem dritten Atomtest des Nordens und der Schließung der gemeinsamen Industriezone Kaesong ihren Höhepunkt erreicht. Ein Motiv, das das isolierte Regime mit der unverhofften Charmeoffensive verfolgen dürfte, könnte sein, sich vom Einfluss Chinas zu lösen. Sicher ist lediglich, dass Nordkorea nie aus einer Position der Schwäche zu verhandeln gewillt ist. Trotz Sanktionen und weltpolitischer Isolation ist es dem Land in den vergangenen Jahren gelungen, die Versorgungslage und den allgemeinen Lebensstandard im Land etwas zu bessern. Sei es die generell erstarkte Wirtschaftslage oder der weitere Ausbau seiner nuklearen Abschreckung: Nordkorea hat in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht und neues Selbstvertrauen geschöpft, um am Verhandlungstisch mehr Zugeständnisse zu erzwingen, als dass man Kompromisse einzugehen bereit wäre. Erst der Ausbruch aus dieser Teufelsspirale würde zu wahrem Dialog und Annäherung führen.

Widersprüchliche Signale

Nicht, dass der Norden damit einen kompletten Sinneswandel vollzogen hätte. Noch vergangene Woche nannte er die südkoreanische Präsidentin eine „räudige Hündin“, weil sie die Besserung der Menschenrechtslage im Norden als Hauptpriorität ihrer Regierung bezeichnete. Im ständigen Auf und Ab der innerkoreanischen Beziehungen gab es immer wieder Hoffnungsschimmer, die jetzt womöglich von Dauer sein könnten. Vorerst jedenfalls scheint es Pjöngjang ernst zu meinen.
Hatte doch auch Nordkoreas Uno-Botschafter So Se Pyong die Gesprächsbereitschaft seiner Regierung in einem Interview bekräftigt. Pjöngjang sei gewillt, sagte So, Verhandlungen über sein Nuklearprogramm neu aufzunehmen. Er versicherte, der Norden plane weder neue Raketen- noch Atomtests - eine mit Vorsicht zu genießende Aussage, die schnell gekippt werden kann, wenn sich Nordkorea am Verhandlungstisch wieder in die Enge gedrängt fühlt. Der Norden hatte bekanntlich vor sechs Jahren im Beisein von CNN- und BBC-Kameras den Kühlturm seiner Yongbyon-Nuklearanlagen zerstört, nur im April 2009 wieder den Neustart des "Forschungskomplexes" für die Wiederaufbereitung von waffenfähigem Plutonium anzukündigen.
Auf den Tribünen der Asienspiele waren „Sympathisanten“ des Nordens zu sehen, die Wiedervereinigungsfahnen schwenkten und entsprechende Slogans skandierten. Im Fußballfinale gegen den WM-Teilnehmer Südkorea verlor der Norden am Donnerstag knapp mit 0:1. Das Tor fiel in der letzten Minute der Nachspielzeit. Statt danach über den Süden herzuziehen, gab sich ein bitter enttäuschtes Pjöngjang für einmal als guter Verlierer – vielleicht schon mit den Gesprächen zur Abschlusszeremonie im Augenwinkel.

Daniel Kestenholz

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